Kameratechnik: Details, so weit das Auge blickt
Groß wie ein Koffer: Die erste Gigapixel-Kamera ist da. Sie macht Fotos mit einer Milliarde Bildpunkten - bisher allerdings nur in Schwarz-Weiß.
Kameras mit mehr als zehn Millionen Bildpunkten stecken heute schon in Smartphones. Aber in ihren Laboren denken Entwickler bereits an Aufnahmen mit einer mehr als hundertfach höheren Auflösung. Diese Gigapixel-Bilder sollen nicht nur die Fotografie revolutionieren, sondern als wichtiges Werkzeug für Astronomen, in der Überwachungstechnik oder für Beobachtungen der Tierwelt dienen. Für diese Zwecke konstruierte nun ein Team um David Brady an der amerikanischen Duke-Universität in Durham eine Gigapixel-Kamera, die viel kleiner als ihre Vorgänger ist und zugleich günstiger aus bereits verfügbarer Elektronik zusammengesetzt wird.
„Unser Ziel ist eine Plattform für eine Superkamera mit einem bis 50 Gigapixeln“, sagt Brady. Mit ihrem Prototyp namens Aware-2, den sie in der Zeitschrift „Nature“ (Band 486, Seite 386) präsentieren, weist er den Weg. Bis zu 220 Standard-Digitalkameras mit jeweils 14 Megapixeln ordneten die Wissenschaftler auf einem durchlöcherten Kugelsegment mit etwa einem halben Meter Durchmesser an. Als Linse dient eine kompakte, gewölbte Linse. Diese fängt ein Motiv mit einem sehr weiten Blickwinkel von 120 Grad in der Breite und 40 Grad in der Höhe ein. Damit reicht sie fast an das vollständige Blickfeld eines Menschen heran.
Der Faszination von Gigapixel-Bildern kann jeder bereits heute im Internet erliegen. Mit 272 Milliarden Bildpunkten hält derzeit eine Panorama-Ansicht von Schanghai den Weltrekord. Doch auch die Skylines von Köln und Sevilla, Rio de Janeiro oder Paris wurden mit mehreren Dutzend Gigapixeln festgehalten. Die Qualität der extrem hohen Auflösung offenbart sich beim Zoomen auf dem Computerbildschirm. Selbst auf kleinsten Ausschnitten können noch einzelne Steine im Mauerwerk oder Gesichtszüge von zufällig auf einem Balkon stehenden Menschen klar erkannt werden. Einen Nachteil haben diese Gigapixel-Ansichten allerdings: Sie wurden in mühevoller Handarbeit Stück für Stück aus Einzelaufnahmen zusammengesetzt. Die Anschlüsse der einzelnen Bilder mussten exakt aufeinander abgestimmt, überlappende Bildanteile gelöscht werden.
Während mit diesem Verfahren Tage bis Wochen ins Land gehen, ehe ein Gigapixel-Panorama fertig ist, verkürzt sich diese Zeit mit Bradys Prototyp drastisch. Bis zu drei Bilder pro Minute konnten er und seine Kollegen mit ihrer Kamera etwa von der Größe eines Koffers schießen, berichten die Wissenschaftler.
Um dieses Tempo zu erreichen, konstruierten sie eine ausgeklügelte Elektronik, die die Daten jedes einzelnen Bildchips binnen Sekunden zu einem Gesamtbild vereinten. Ein wichtiger Aspekt bei der Entwicklung war zudem die effiziente Kühlung der Superkamera. Denn mit 430 Watt lieferten Bildchips und Elektronik während eines Schnappschusses so viel Wärme wie ein einzelner Flutlichtstrahler im Fußballstadion – die muss zügig weggeschafft werden.
Doch Testaufnahmen des Campus der Duke-Universität oder vom benachbarten Pungo-See bewiesen, dass der Prototyp diesen Herausforderungen gewachsen ist und eine hohe, fehlerfreie Qualität liefern kann. So sind Nummernschilder entfernter Autos deutlich lesbar und selbst die Flügel von fliegenden Schwänen am Horizont stechen auf den Zoom-Ansichten klar heraus.
Diese extrem hohe Auflösung weckt nun das Interesse der Sicherheitsbranche und vom Militär. So ist es offenbar kein Zufall, dass auch Bradys Prototyp im Rahmen eines Forschungsprojekts der Darpa, einer Behörde des US-Verteidigungsministeriums, entstanden ist. Die Vorteile liegen auf der Hand: Bereits ein schnell geschossenes Bild reicht aus, um später einzelne Personen in einer Menschenmenge identifizieren oder strategische Details einer feindlichen Stellung analysieren zu können.
Bisher sind Gigapixel-Aufnahmen allerdings eine Domäne der Astronomen. Seit zwei Jahren können auf den 1,4 Gigapixel-Bildern der „Pan-Starrs-Kamera“ – eingebaut in einem Teleskop auf dem Mauna Kea auf Hawaii – neue Kometen und Sterne entdeckt werden. Über drei Milliarden Bildpunkte soll der Sensor des derzeit geplanten Spiegelteleskops LSST (Large Synoptic Survey Telescope) auf dem 2682 Meter hohen El-Peñón-Gipfel in Chile haben. Die eingesetzten Bildchips sind allerdings aufwendig gefertigte Einzelstücke. Zudem sind diese astronomischen Superkameras um ein Vielfaches größer und teurer.
Der Ansatz von Brady und seinen Kollegen holt die Gigapixel-Fotografie aus dieser Wissenschaftsnische heraus. „Wir erwarten, dass solche Kameras für Sicherheitszwecke, Veranstaltungen und Natur- und Umweltbeobachtungen in Kürze benutzt werden“, sagt der Entwickler. Ein kommendes Kameramodell soll dazu auch Farbbilder in Gigapixel-Qualität aufnehmen. Denn bisher macht der Prototyp nur Aufnahmen in Schwarz-Weiß, um die Grenzen der Auflösung möglichst genau ausloten zu können. So sehen die Forscher die Ära der Pixeljagd noch lange nicht an ihrem Ende. „Wenn effizientere und kompaktere Elektronik entwickelt wird, werden Gigapixel-Kameras für die Hosentasche zum Alltag gehören“, ist Brady überzeugt.
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