Klimaforschung: Der Winter wird warm – vielleicht
Schnee zu Weihnachten? Jahreszeitvorhersagen sind begehrt. Ein neues System soll helfen, doch es erzeugt Misstrauen.
Zwei Wochen in die Zukunft können Meteorologen einigermaßen zuverlässig vorhersagen, wie das Wetter wird. Danach wird es sehr ungenau. Leider, denn das Interesse an längerfristigen Prognosen ist groß: Kann eine Party im Freien geplant werden? Lohnt sich eine Reise an die Nordsee oder doch lieber an den Bodensee? Und, wen’s umtreibt, gibt es weiße Weihnachten? Auch Firmen wollen wissen, wie das Wetter in den nächsten Monaten wird: Der Energieversorger will ausreichend Gas einkaufen, aber auch nicht zu viel; die Supermarktkette will kalkulieren, wie viele Getränke sie ordern muss; die Kommune will abschätzen, wie viel Streusalz sie benötigen wird.
Tatsächlich gibt es derartige Jahreszeitenvorhersagen. Erstellt werden sie beispielsweise vom Europäischen Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersagen (EZMW). Statt tagesgenauer Angaben zu Temperatur, Wind und Niederschlag geben sie lediglich Trends an, mit welcher Wahrscheinlichkeit die folgenden Monate eher wärmer oder kühler ausfallen als der Durchschnitt. Und sie liegen häufig daneben. Die Kunden, etwa in der Energiewirtschaft, können mit den statistischen Unsicherheiten umgehen. Der breiten Öffentlichkeit wurden diese Trends nur zurückhaltend kommuniziert.
German Climate Forecast System
Viel versprechend klang daher die Ankündigung des Deutschen Klima-Konsortiums eines „neu entwickelten Jahreszeitenvorhersagesystems ‚German Climate Forecast System’ (GFCS), das erstmals globale Vorhersagen aus Deutschland der Öffentlichkeit routinemäßig und kostenlos zur Verfügung stellt“. Am Donnerstag ging die Informationsseite online und wurde der Presse vorgestellt. Man reagiere damit „auf den gestiegenen Bedarf an mittelfristigen Prognosen von Unternehmen, Behörden und Kommunen“, teilte der Verbund der Einrichtungen der deutschen Klimaforschung mit.
„Wir machen keine Wettervorhersage, sondern geben statistische Trends an, sozusagen eine Klimavorhersage für die nächsten Monate“, sagte Wolfgang Müller vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI), das das GFCS mit der Universität Hamburg und dem Deutschen Wetterdienst entwickelt hat.
Das Modell wird 30-mal durchgerechnet
Anstelle eines Wettermodells – wie bislang üblich – nutzen die Forscher ein Klimamodell des MPI. Es berücksichtigt stärker den Zustand der Stratosphäre, des Bodens, der Ozeane und des Meereises. Während sich die Bedingungen in der Luft rasch ändern, sind Wasser und Eis eher träge. Sie haben daher einen relativ großen Einfluss auf den Klimatrend.
Für die Modellierung werden aktuelle Beobachtungsdaten, beispielsweise von gut 3700 Tauchsensoren in den Ozeanen, eingespeist. Statt eines Durchlaufs rechnet das Programm 30-mal durch, wie sich das Wetter in den nächsten Monaten entwickelt, wobei die Eingangsbedingungen stets ein wenig verändert werden. „Ensemble“ nennen das die Forscher. Sie wollen damit natürliche Variationen berücksichtigen und erkennen, welche Klimaentwicklung wahrscheinlich ist und welche als unwahrscheinlicher „Ausreißer“ gesehen werden kann.
Unsichere Prognosen werden kenntlich gemacht
Auch bisherige Jahreszeitenvorhersagen nutzen Ensembles. Pluspunkt des GFCS sei, dass es angibt, wie verlässlich die Ergebnisse seien, sagte Kristina Fröhlich vom Deutschen Wetterdienst. Die Forscher nutzen dafür „Nachhersagen“. Dazu lassen sie das Klimamodell mit Daten der vergangenen 30 Jahre starten und vergleichen die Ergebnisse mit realen Wetterdaten. Ist die Übereinstimmung schlecht, wird die betreffende Region in der Karte schraffiert.
Die Abbildung für die nächsten vier Monate (siehe Grafik), die die Forscher am Donnerstag bei dem Pressetermin vorstellten, führte denn auch zu langen Gesichtern: Das gesamte europäische Festland ist schraffiert, der Temperaturtrend also mit großer Vorsicht zu genießen. Ein Durchbruch sieht anders aus.
Niederschlag ist eine kaum zu beherrschende Größe
„Wir stehen noch am Anfang“, sagte Fröhlich. Sie ist überzeugt, dass die Methode im Lauf der Zeit besser werde. In der Tat ist die langfristige Vorhersage für Europa schwieriger als für die Tropen. Es liegt noch ein weiter Weg vor den Forschern. Trends bei den Niederschlägen zum Beispiel ließen sich noch schlechter vorhersagen, sagte Johanna Baehr von der Universität Hamburg, die ebenfalls beteiligt ist. „Da gibt es nicht nur bei der Modellierung große Unsicherheiten, sondern bereits bei den Beobachtungsdaten.“
Bleibt die Frage, was sich überhaupt vorhersagen lässt und wo die Grenzen der Modellierung in einem teils chaotischen Wettergeschehen liegen. Bei den Niederschlägen ist Baehr skeptisch. Bei der Temperatur glaubt sie schon, dass zuverlässig Trends zu erkennen sind, also langfristige Abweichungen vom Durchschnitt. Wie das Wetter konkret in acht oder zehn Wochen wird, lasse sich damit jedoch nicht ermitteln. „Auf absehbare Zeit werden wir keine Entscheidungshilfe für die Urlaubsplanung sein.“