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Werhner von Braun in den 60er Jahren mit US-Präsident John F. Kennedy.
© dapd

Wernher von Braun: Der Raketenmann

Von Adolf Hitler zu John F. Kennedy: Heute vor 100 Jahren wurde Wernher von Braun geboren. Er baute die "V2", die erste Rakete, die die Grenze des Alls erreichte.

Das Foto zeigt einen jungen Mann im Anzug unter lauter hohen Offizieren der Wehrmacht. In der ersten Reihe der Aufnahme posiert Adolf Hitler, die Hände leger in die Taschen seines Ledermantels gegraben. Hinten in der Mitte der vorletzten Reihe schaut der Mann in Zivil fest in die Kamera. Es ist Wernher von Braun (1912 – 1977), 22 Jahre jung, Mitarbeiter der militärischen Raketenversuchsstelle Kummersdorf. Nur drei Jahre nach dieser Aufnahme von 1934 hat sich von Braun als Technischer Direktor der Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf Usedom von der hinteren Reihe an die Spitze der Raketenforschung katapultiert.

Das Foto hat Symbolwert: Die Nähe zu den politischen Eliten ist dem eloquenten und charismatischen Aristokratensohn, der am 23. März 100 Jahre alt geworden wäre, Zeit seines Lebens nicht fremd. Er steht auf der Seite der Mächtigen und profitiert davon – auch nach der Kapitulation des deutschen Reiches, für das der Physiker von Braun und sein Peenemünder Team die „Wunderwaffe V2“ entwickeln. Die „V2“ ist die erste Rakete, die am 3. Oktober 1942 mit einer Flughöhe von 84,5 Kilometern die Grenze des Alls erreicht.

Wernher von Braun als 22-Jähriger (in Zivil, vorletzte Reihe, links) 1934 auf dem Versuchsschießplatz Kummersdorf bei einem Besuch Hitlers.
Wernher von Braun als 22-Jähriger (in Zivil, vorletzte Reihe, links) 1934 auf dem Versuchsschießplatz Kummersdorf bei einem Besuch Hitlers.
© dpa

In den USA führt der Forscher nach einer „Schonfrist“ und angeheizt vom Kalten Krieg seine Arbeiten fort. Mit früheren Kollegen konstruiert er die „Redstone“, die erste atomar bestückte Mittelstreckenrakete der Welt. Die Amerikaner scheinen kein Problem mit der Vergangenheit des deutschen Raketenentwicklers zu haben. Obwohl Mitglied der NSDAP und SS – und entgegen geltender Gesetze – erhält er 1955 die Staatsbürgerschaft der USA. Als Know-how-Träger kommt ihm eine Schlüsselstellung in der US-Raketenentwicklung zu.

Von Braun bemüht sich in der amerikanischen Öffentlichkeit darum, die bemannte Raumfahrt populär zu machen. Gemeinsam mit Walt Disney entwickelt er die Fernsehserie „Man in Space“ („Mensch im Weltraum“), die 1955 zum spektakulären Erfolg wird.

Allerdings erweist sich die Sowjetunion als starker Konkurrent im All, der 1957 mit dem „Sputnik“-Satelliten sogar die Führung übernimmt. Von Brauns Satellit startet erst vier Monate später. 1961 ist Yuri Gagarin der erste Mensch im All; dieses Mal kommen die Amerikaner drei Wochen zu spät. Das „Space Race“, das Wettrennen im All, gewinnt an Fahrt. Der amerikanische Präsident John F. Kennedy macht 1962 die Mondlandung zur Chefsache.

Für von Braun bedeutet das einen Karriereschub und die Erfüllung seines Traums. Ein Jahr nach Gründung der Raumfahrtbehörde Nasa im Jahr 1958 wird von Braun Direktor des George C. Marshall Space Flight Centers in Huntsville. Damit steht er an der Spitze des Entwicklerteams der „Saturn“-Trägerraketen und arbeitet am Mondflugprogramm „Apollo“ mit. 1969 betreten Astronauten der „Apollo 11“-Mission als erste Menschen den Mond, ein historischer Triumph für die USA – und für von Braun. 1970, sieben Jahre vor seinem Tod, wird er Nasa-Planungsdirektor. Aber schon zwei Jahre später verlässt von Braun die Nasa, enttäuscht von Budgetkürzungen, nachdem das „Space Race“ gewonnen ist.

Die deutsche "V2" erreichte 1942 als erste Rakete die Grenze zum Weltraum.
Die deutsche "V2" erreichte 1942 als erste Rakete die Grenze zum Weltraum.
© dapd

In seiner beispiellosen Karriere offenbart sich von Brauns Dilemma: Inspiriert von Hermann Oberths 1923 verfassten Buch „Die Rakete zu den Planetenräumen“ und beseelt vom Flug zum Mond stellt er seine Fähigkeiten vor allem auch in den Dienst der Militärforschung.

War von Braun ein unpolitischer Techniker, ein aktiver Mitläufer oder gar Täter im Naziregime? Das lange gepflegte Bild von Brauns als Weltraumvisionär erfährt erst seit den 1990er Jahren eine kritische Bewertung, ausgelöst durch die Recherchen des Kanadiers Michael J. Neufeld und des deutschen Politikwissenschaftlers Rainer Eisfeld. Lange postuliert von Braun eine Trennung von sauberer Raketenforschung und Nazipolitik.

Noch 1966 streitet von Braun ab, von den unmenschlichen Bedingungen gewusst zu haben, unter denen KZ-Häftlinge in den Stollen von Mittelbau Dora die V2 zusammenbauten. Eine Aussage, der ehemalige Häftlinge energisch widersprochen haben. Von Braun habe durch seine Arbeit für das NS-Regime ein „Pakt mit dem Teufel“ geschlossen, sagt der Historiker Neufeld. Und der lässt sich nicht ohne Weiteres lösen. (mit dpa)

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