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Medizin: Der Preis der Hoffnung

Wissenschaftler warnen vor Stammzelltherapien für Parkinsonkranke, die in Düsseldorf und Köln angeboten werden.

Wer verzweifelt ist, der zahlt fast jeden Preis. Auch 26 000 Euro. Dafür kann sich ein Parkinsonkranker am Kölner XCell-Center aus seiner Hüfte Knochenmark entnehmen lassen und sich die darin enthaltenen Blutstammzellen einige Tage später direkt in das Gehirn spritzen lassen. Nur: Der Nutzen der Therapie sei nicht nachgewiesen, sagen Experten. Im Gegenteil, sie berge hohe Risiken. In einer gemeinsamen Stellungnahme warnen die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Parkinson-Gesellschaft (DPG) vor der Behandlung.

„Der Therapie fehlt nach heutigem wissenschaftlichen Kenntnisstand jeglicher Nutzen“, sagte Wolfgang Oertel, Vorstandsmitglied der DGN, am gestrigen Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Nürnberg. Dies müssten Patienten, die ihre Hoffnungen darauf richten, wissen. Petra Aschenbeck wusste das nicht. Sie ließ sich am XCell-Center gegen Parkinson behandeln. „Ich dachte es hilft, aber nach fünf Wochen ging es mir schlechter als zuvor“, sagt sie. Anderen würde sie das nicht empfehlen. „Mittlerweile haben wir 15 Patienten gefunden, die behandelt wurden und keinem geht es besser“, sagt Oertel, der nun ähnliche Fälle sammeln will, um sie in einer wissenschaftlichen Fachpublikation zu dokumentieren.

Bei Parkinson-Patienten stirbt eine bestimmte Gruppe von Nervenzellen ab, die den Botenstoff Dopamin herstellen. Dadurch kippt das Gleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung von Nervenzellen im Gehirn und es kommt zu den klassischen Symptomen der Krankheit wie Zittern und Steifheit. Manche Forscher hoffen, mithilfe von Stammzellen diese Nervenzellen eines Tages ersetzen zu können.

In der Tat enthält das Knochenmark auch bestimmte Stammzellen. „Aber die können nicht zu Nervenzellen werden“, sagt Jürgen Winkler, Sprecher des Bayerischen Forschungsverbundes „Adulte Neurale Stammzellen“. „Daraus können sich Fett- oder Knorpelzellen entwickeln, aber keine Nervenzellen. Diese Vorstellung ist in der Wissenschaft tot.“ Es sei daher ausgeschlossen, die Nervenzellen mit dieser Art Stammzellen zu ersetzen.

Dem fehlenden Nutzen stehen reale Risiken gegenüber: Eine Injektion ins Gehirn berge immer Gefahren, warnte Oertel. Etwa jeder 200. Patient sterbe dabei an Komplikationen. „Außerdem hat niemand auch nur die geringste Ahnung, was die Zellen machen, wenn sie ins Gehirn gespritzt werden“, sagt Oertel. In Studien sei festgestellt worden, dass die Stammzellen etwa bei Injektion ins Herz nicht Herzmuskelzellen bildeten, sondern Knochenmark. „Eine solche Bildung von Knochenmark im Gehirn könnte kaum abschätzbare unerwünschte Risiken bei Patienten hervorrufen“, heißt es in einer Pressemitteilung der DGN. Für eine Stellungnahme zu den Vorwürfen war das XCell-Center am Mittwoch nicht erreichbar.

In der Privatklink wird die Therapie nicht nur gegen Parkinson angeboten. Für einige tausend Euro kann man hier auch Alzheimer, Arthrose, Diabetes, Schlaganfall und andere Krankheiten therapieren lassen. „Da wird aus der Not der Patienten ein Geschäftsmodell gemacht“, sagt Winkler. Zur Werbung bietet die Klinik den Patienten Johannes Wolf auf. Auf einer Internetseite, die auf der Website des XCell-Centers verlinkt ist beschreibt er, wie die Therapie seine Parkinson-Symptome gemildert hätte. Er könne sogar auf seiner Harley-Davidson fahren.

Auf der Internetseite heißt es zwar, es gebe keine Garantie für einen Erfolg derStammzelltherapie. Aber: „Dennoch hilft diese neue Medizin Woche für Woche vielen Menschen.“ Seit dem Start im Januar 2007 hätten sich mehr als 1600 Patienten „unserer sicheren Stammzelltherapie unterzogen“.

Der deutsche Stammzellforscher Rudolf Jänisch, der am Whitehead-Institut in Boston forscht, sagt, es sei erstaunlich, „dass solche sogenannten Klinken diese Therapien überhaupt anbieten dürfen“. Aber die Rechtslage ist kompliziert. Bisher war es nicht nötig, den Nutzen einer solchen Therapie nachzuweisen. „Im Gewebegesetz sind besonders freie Voraussetzungen definiert“, erklärt Ira Herrmann vom Kompetenznetzwerk Stammzellforschung NRW. Schließlich wolle man Ärzten die Möglichkeit zum „individuellen Heilversuch“ erhalten. Der erlaube es im Einzelfall ganz neue Methoden auszuprobieren. Das mache es aber auch schwierig, gegen unseriöse Angebote auf dem Gebiet vorzugehen. Durch Änderungen des Arzneimittelgesetzes, die am 23. Juli dieses Jahres in Kraft getreten sind, könnte sich das geändert haben. Aber Juristen sind sich noch nicht einig, ob die Therapie, die das XCell-Center in Köln und Düsseldorf anbietet, unter die neue Regelung fällt. Selbst wenn, bis Ende 2012 bleibt die Therapie durch eine Übergangsregelung zugelassen.

Gerade im Internet ist es für Laien schwierig, seriöse und unseriöse Angebote zu unterscheiden. So prangt das Logo von www.leading-medicine-germany.com auf der Internetseite des XCell-Centers. Von manchem könnte es für ein Gütesiegel gehalten werden, heißt es doch auf ihrer Internetseite: Die aufgeführten Mediziner seien von der Redaktion „in Zusammenarbeit mit medizinischen Beiräten und medialen Kooperationspartnern, dem Kompetenznetz Leading-Medicine, durch intensive Recherchen und umfassende Ärzte- und Patientenbefragungen ermittelt“ worden. Als Medienpartner verzeichnet das Unternehmen die Internetseiten der „Süddeutschen Zeitung“, der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und der „Welt“.

 Kai Kupferschmidt

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