Verhaltensforschung: Der Mensch ist ein Super-Raubtier
Der Mensch hat es vor allem auf gesunde, fortpflanzungsfähige Tiere abgesehen - und bringt sich mit Fernwaffen und moderner Technik kaum in Gefahr. Damit dezimiert er die Beute stärker als alle anderen Räuber.
Der Mensch ist ein Raubtier, und zwar ein besonders gefährliches. Mit seinen ausgefeilten Waffen und technischen Hilfsmitteln jagt er an Land und im Meer vor allem ausgewachsene, gesunde Beutetiere, die für die Fortpflanzung entscheidend sind. Dadurch werde deren Bestand ungleich stärker bedroht als durch andere Raubtiere, schreiben kanadische Forscher im Fachblatt „Science“.
Sie haben untersucht, wie stark wir Menschen 282 Fischarten im Meer und 117 Tierarten an Land ausbeuten. Demnach erbeuten Menschen bis zu 14-mal mehr ausgewachsene Tiere aus einem Bestand als andere Räuber von Wölfen bis zu Haien, die nicht auf zwei Beinen unterwegs sind. Der Mensch stellt dabei auch anderen Räubern nach. Sei es, um sie zu essen – etwa Raubfische – oder um eine Trophäe zu erhalten. Mit gravierenden Folgen, wie die Forscher feststellen. „Während Raubtiere primär Jungtiere – die reproduktiven Zinsen – einer Population attackieren, schöpft der Mensch durch die Jagd auf ausgewachsene Tiere ihr reproduktives Kapital ab“, sagt Studienleiter Thomas Reimchen von der Universität von Victoria.
Bären und Wölfe waren fast ausgerottet, nun trifft es Löwen und Tiger
Genau das beobachten Forscher seit Langem. Von den großen Beutegreifern holen Jäger Jahr für Jahr bis zu zehn Prozent des Bestandes. Bären und Wölfe waren daher in Mitteleuropa schon vor 100 Jahren weitgehend ausgerottet. Ähnlich ist die Situation heute für Löwen und Tiger, die in jüngster Vergangenheit rasant abgenommen haben. Im Meer wiederum holen die Fischer von vielen Arten jährlich längst mehr als zehn Prozent des Bestandes aus dem Wasser und dezimieren so das Grundkapital immer schneller, bis die Bestände zusammenbrechen.
Der Mensch sei ein Super-Räuber, schließen die Forscher. Seine Überlegenheit sei vor allem auf seine Ausrüstung zurückzuführen. Damit könne er gefahrlos aus der Ferne töten und etwa zur Trophäenjagd auch große, gesunde Exemplare ins Visier nehmen. Die Industrialisierung der Fischerei habe die massive Ausbeutung der Meere ermöglicht.
Das Beispiel der Wale und Robben lässt hoffen
„Wir Menschen haben allerdings die Fähigkeit, unser Verhalten zu analysieren, und die Konsequenzen zu verstehen“, schreibt der Biologe Boris Worm von der Dalhousie-Universität in Halifax in einem Kommentar. Die Eigenschaft könne helfen, etwas gegen die Ausbeutung zu unternehmen. Beispiele dafür gebe es durchaus, sagt Worm. So wurden noch im 20. Jahrhundert Wale, Robben und auch verschiedene Vogelarten gnadenlos gejagt. Als es schon fast zu spät schien, erkannte der Jäger in uns, dass er sich seiner Beute beraubt. Diese Arten wurden daraufhin geschont und so vor dem Aussterben gerettet. (dpa/RHK)