Katja Suding über Bildungspolitik: Der Lehrerberuf muss zum begehrtesten Job der Republik werden
Anspruch auf Weiterbildung, Belohnung von Engagement: Was muss sich an deutschen Schulen tun, damit der Lehrerberuf wieder attraktiver wird? Ein Gastbeitrag.
Unter den notenbesten Abiturienten denken 17 Prozent darüber nach, sich für ein Lehramtsstudium einzuschreiben. Das ist immerhin einer von sechs jungen Menschen mit einer Abiturnote von 2,0 oder besser. Trotzdem werden uns bis 2025 dramatisch viele Lehrer fehlen: 35 000 an Grundschulen, 22 000 an Berufsschulen. Schon heute suchen Schulen verzweifelt nach Lehrkräften.
Kurzfristig lässt sich die Wucht des Mangels gerade so abfedern. Die Schulen behelfen sich damit, Teilzeitlehrer aufzustocken, ältere Lehrkräfte für längere Dienstzeiten zu gewinnen und Quereinsteiger einzustellen. Das kann eine Überbrückungslösung sein. Eine dauerhafte Option ist es nicht.
Wenn wir unseren Anspruch einer Bildungsnation ernst nehmen wollen, müssen wir eins und eins zusammenzählen: Damit sich die besten unserer jungen Menschen dafür entscheiden, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene auf ihrem Bildungsweg anzuleiten und zu begleiten, muss der Lehrerberuf zum Traumberuf werden. Oder zumindest attraktiver, als er das heute ist. Was muss passieren?
Wie wäre ein rechtlicher Anspruch auf Weiterbildung?
Lehrkräfte verbringen zu viel wertvolle Zeit mit administrativen Aufgaben – Zeit, die für die pädagogische Arbeit verloren geht. Lehrer müssen Lehrer sein können, keine Sachbearbeiter. Die Finnen machen es uns vor. Dort ist jeder dritte Beschäftigte an einer Schule kein Lehrer, in Deutschland nur jeder zehnte. Wir wollen, dass Lehrerinnen und Lehrer durch mehr Schulverwaltungskräfte entlastet werden.
Nicht jede Verwaltungsaufgabe muss zudem von Menschen übernommen werden. Digitale Anwendungen können Routineaufgaben schnell und einfach erledigen. Dazu müssten endlich alle Schulen an das Breitbandnetz angeschlossen und mit Schulcloud, Geräten, digitalen Lernprogrammen und IT-Administratoren ausgestattet werden. Der Digitalpakt ist ein erster Schritt in diese Richtung. Ein Digitalpakt 2.0 muss folgen.
Wer seine Arbeitnehmer wertschätzt, gibt ihnen die Möglichkeit, sich weiterzubilden. Was in vielen Unternehmen zu guter Personalführung dazugehört, gilt für Lehrkräfte noch zu wenig. Wie wäre es, wenn sie einen rechtlich verpflichtenden Anspruch auf Weiterbildung bekommen? Wer in die eigenen Kompetenzen investiert, sollte außerdem vom Unterricht freigestellt und besser bezahlt werden. Davon profitieren nicht nur die Lehrerinnen und Lehrer selbst, sondern auch ihre Schüler. Wissenschaftler haben gezeigt, dass es für die Unterrichtsqualität eine größere Rolle spielt, ob sich ein Lehrer regelmäßig fortbildet, als etwa die Klassengröße.
Karriereperspektiven von Lehrkräften sichtbar machen
Bislang erhalten die wenigsten Lehrkräfte von ihren Kollegen Feedback zum eigenen Unterricht. Wie auch, wenn schon jetzt der reguläre Unterricht kaum abgedeckt werden kann. Es braucht ein neues Berufsfeld: Ein Qualitätsentwickler könnte sich ganz auf die Bewertung anderer Unterrichtender konzentrieren. Wenn Lehrkräfte systematisch, gründlich und fair evaluiert werden, können sie sich besser weiterentwickeln.
Für vier von fünf Abiturienten sind Aufstiegschancen wichtig. Die meisten wissen allerdings gar nicht, dass man als Lehrer oder Lehrerin auch in andere verantwortungsvolle Positionen aufsteigen kann als zur Schulleitung. Um Karriereperspektiven sichtbarer zu machen, sollten bereits im Studium Ausbildungsschwerpunkte angeboten werden, die auf Führungsfunktionen in der Lehre, in der Leitung und in der Bildungsverwaltung vorbereiten.
Eine Lehrkraft verdient mit der Anzahl ihrer Dienstjahre automatisch mehr Geld. Dafür sorgt das Senioritätsprinzip beim Lehrergehalt. Keine Rolle spielt dagegen, wie engagiert er oder sie den Beruf ausfüllt. Das brachte dem Lehrerberuf teilweise einen schlechten Ruf ein. Die allermeisten Lehrerinnen und Lehrer sind sehr engagiert. Aber ihr Engagement hat keine Auswirkung auf ihr Gehalt. Wir wollen, dass nicht Dienstjahre, sondern das Engagement belohnt werden.
Bezahlung nach Engagement, nicht nach Erfahrung
Dazu sollen Lehrkräfte nicht mehr automatisch in höhere Erfahrungsstufen vorrücken, sondern abhängig von ihrem Engagement in höhere Engagementstufen. Die nächste Stufe erklimmt, wer eine bestimmte Anzahl an Fortbildungen absolviert hat und wem vom Qualitätsentwickler eine hohe Unterrichtsqualität bescheinigt wurde. Die Möglichkeit, Prämien an exzellente Lehrer zu vergeben, sollte außerdem noch viel stärker genutzt werden, zum Beispiel für herausragende Lehrerleistungen an Brennpunktschulen.
Erfolgreiche Pisa-Länder haben erkannt, wie wichtig motivierte und engagierte Lehrkräfte für den Lernerfolg sind. Wir sollten uns an diesen Ländern ein Vorbild nehmen – an Kanada mit seinen innovativen Fortbildungskonzepten, an Singapur mit seinen transparenten Aufstiegsmöglichkeiten und an den Niederlanden mit der leistungsorientierten Bezahlung.
Katja Suding