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Alleine forschen. Häufig fühlen sich Doktoranden vernachlässigt.
© dapd

Betreuung von Doktoranden: Der Frust der Promovierenden

Fast die Hälfte hat schon mal daran gedacht, die Doktorarbeit abzubrechen. Vor allem die hohe Arbeitsbelastung - etwa in der Lehre - und schlechte Betreuung machen Doktoranden, die gleichzeitig wissenschaftliche Mitarbeiter sind, zu schaffen.

Wissenschaftliche Mitarbeiter in Forschungsprojekten oder an Lehrstühlen, die gleichzeitig an ihrer Doktorarbeit sitzen, denken häufig ans Aufgeben. 47 Prozent der Projektmitarbeiter, die bis zu drei Jahren an ihrer Dissertation arbeiten, haben schon einmal über einen Abbruch der Arbeit nachgedacht. Ähnlich hoch ist die Zahl mit 44 Prozent bei Mitarbeitern an einem Lehrstuhl. Bei denjenigen, die seit über drei Jahren promovieren, sind es sogar 49 Prozent (in Projekten) beziehungsweise 55 Prozent (an Lehrstühlen). Das geht aus einer jetzt veröffentlichten Studie des HIS-Instituts für Hochschulforschung in Hannover über Promotionsbedingungen in Deutschland hervor. Für die vom Bundesforschungsministerium (BMBF) geförderte Studie wurden 2850 Doktoranden in verschieden strukturierten Promotionsverhältnissen befragt.

Als Grund für die Abbruchgedanken nennen die HIS-Forscher unter anderem die Doppelbelastung wissenschaftlicher Mitarbeiter, die sich nicht ausreichend auf die eigentliche Promotionsarbeit konzentrieren könnten. Nur 3,3 Stunden täglich bringen sie im Schnitt für ihre „Diss“ auf. Am meisten Zeit haben Doktoranden in strukturierten Promotionsprogrammen mit durchschnittlich 5,9 Stunden. Ebenso wie frei Promovierende und Stipendiaten denken sie denn auch seltener über einen Abbruch nach als ihre angestellten Kollegen (im Schnitt 35 Prozent).

Obwohl sie am Lehrstuhl in Lehre und Verwaltung so eingespannt sind, fühlen sich Mitarbeiter häufig von ihren Betreuern vernachlässigt. So sahen sich nur 46 Prozent in der Konzeptionsphase ihrer Dissertation gut unterstützt, lediglich 47 Prozent finden, dass ihr Betreuer häufig genug Zwischenergebnisse der Arbeit mit ihnen bespricht. Und nur 54 Prozent sind zufrieden mit der Zeit, die Doktorvater oder -mutter für die Betreuung aufbringen. Über alle Promotionsarten hinweg sind 55 Prozent „im Allgemeinen (sehr) zufrieden“ mit der Betreuungssituation – und 19 Prozent (sehr) unzufrieden.

Ein Gradmesser für die Qualität der Betreuung ist die Frage, wie oft sich die Promovierenden mit ihren Hauptbetreuern austauschen. Insgesamt hat gut ein Drittel mindestens einmal wöchentlich Kontakt, 44 Prozent treffen sich mehrmals pro Semester. Jeder Fünfte hat allerdings nur einmal im Semester Gelegenheit zum Austausch. Bei den frei Promovierenden betrifft dies ein Viertel der Befragten, in strukturierten Programmen und bei wissenschaftlichen Mitarbeitern sind es elf beziehungsweise zehn Prozent.

Sind nun die strukturierten Programme der Graduiertenschulen der bessere Weg zur Promotion? „Eine für alle gleichermaßen ideale Promotionsform gibt es nicht“, erklärt der Projektleiter am HIS, Kolja Briedis. Jede Variante habe ihre Stärken und Schwächen. Kürzlich hatte das „ProFile-Promovierendenpanel“ des Berliner Instituts für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (IFQ) wie berichtet ergeben, dass fast 40 Prozent der Mitglieder in Graduiertenschulen „unter vergleichsweise unstrukturierten Bedingungen“ arbeiten.

Das HIS hat jetzt auch nach der Promotionsdauer gefragt. In strukturierten Programmen schließen die Nachwuchswissenschaftler ihre Arbeiten mit durchschnittlich vier Jahren schneller ab als wissenschaftliche Mitarbeiter (4,5 Jahre) und frei Promovierende (4,8 Jahre). Der Zeitunterschied von einem halben bis zu einem dreiviertel Jahr sei kürzer als erwartet, betonen die HIS-Forscher. Zudem sei die zumeist auf drei Jahre begrenzte Finanzierung selbst für die strukturierten Programme zu kurz bemessen. Dies sei ein weiterer Grund für die Abbruchneigung.

Nach ihren Wünschen gefragt, wollen die Doktoranden besser bei der Karriereplanung unterstützt und frühzeitig in die scientific community integriert werden. Immerhin die Hälfte steht in regelmäßigem Austausch mit anderen Wissenschaftlern. Doch nur bei einem knappen Viertel kommt es zu Kooperationen bei Publikationen oder Vorträgen. Dabei sind 84 Prozent aller Befragten der Ansicht, dass sehr gute Promotionen „nur durch die Einbindung in ein kritisches Forschungsumfeld“ entstehen. Fast ebenso viele glauben, die allermeisten Promotionen genügten wissenschaftlichen Standards. 45 Prozent aber halten die Abschlussnoten durchweg für zu gut.

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