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Ein Porträtbild von Jan-Martin Wiarda.
© Privat

Wiarda will's wissen: Der Exzellenz mangelt es an Geist

Nur 15 Prozent der Cluster entfallen auf Geistes- und Sozialwissenschaften. Und es mangelt dem Wettbewerb an Interdisziplinarität, meint unser Kolumnist.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat spannende Zahlen zur Exzellenzstrategie von Bund und Ländern veröffentlicht. 27 Seiten Statistik, aus denen unter anderem hervorgeht, wie viel Euro die Universitäten in ihren ersten Antragsskizzen für mögliche Forschungsverbünde, die sogenannten Cluster, insgesamt beantragt hatten (knapp 1,5 Milliarden). Und wie viel Geld Bund und Länder am Ende für die erfolgreichen 57 Cluster bewilligt haben: 365 Millionen.
Man kann sehen, dass die meisten Cluster-Antragsteller die mögliche Höchstsumme (8,5 bis zehn Millionen Euro pro Jahr) haben wollten und dass sich die Bescheidenheit der wenigen Unis, die sich mit geringeren Summen (bis zu 6,5 Millionen Euro pro Jahr) begnügen wollten, auf den ersten Blick nicht ausgezahlt hat: Die teuersten Cluster-Anträge waren auch die erfolgreichsten.

Interdisziplinarität ist ein Lieblingswort

Frappierend ist zudem, wie drastisch mitunter politische Programmatik und wissenschaftliche Wirklichkeit auseinanderklaffen. „Interdisziplinarität“ ist seit vielen Jahren eines der Lieblingswörter in den Reden vieler Politikerinnen und Forschungsmanager. Schon 2010 meinte der damalige Präsident der Freien Universität, Peter André-Alt, in der „Süddeutschen Zeitung“: „Wer sich dem Verdacht aussetzt, allein zum Fortschritt des eigenen Fachs beizutragen, gilt als wenig innovativ und läuft Gefahr, dass sein Antrag scheitert.“ Ein interdisziplinäres Konzept sei „die Bedingung für den Erfolg von Drittmittelanträgen und europäischen Großprojekten“.
Bei den Entscheidungen in der Exzellenzstrategie waren im September 2018 allerdings jene Cluster-Anträge erfolgreicher, die aus nur einem der vier von der DFG unterschiedenen Wissenschaftsbereiche stammten, nämlich den Geistes- und Sozialwissenschaften, den Natur-, Lebens- oder den Ingenieurwissenschaften. Der Unterschied ist nicht dramatisch, aber doch deutlich: Anträge aus nur einem Wissenschaftsbereich machten 47 Prozent der Vorhaben aus, aber 53 Prozent der Bewilligungen.

Eine ehrliche Bestandsaufnahmen

Nun ist Interdisziplinarität ein schillernder Begriff, und zweifellos kann auch die Zusammenarbeit zwischen zum Beispiel zwei geisteswissenschaftlichen Fächern als interdisziplinär gelten. Doch halten Experten gerade jene interdisziplinären Forschungsprojekte für besonders ergiebig, die weit voneinander entfernte Disziplinen verbinden. Besonders ergiebig, aber eben – und darauf weisen die DFG-Zahlen hin – zugleich besonders riskant.
Die Cluster-Entscheidungen waren auch insofern eine ehrliche Bestandsaufnahme der deutschen Förderwirklichkeit, als die Geistes- und Sozialwissenschaften mit einem Fünftel der Anträge starteten, aber mit nur 15 Prozent der Bewilligungen nach Hause gingen. Die Ingenieurwissenschaften mussten ebenfalls Federn lassen, während die Naturwissenschaften aus 28 Prozent der Anträge 37 Prozent der Bewilligungen machen konnten. Womit auf den zweiten Blick auch klar ist, warum die hochpreisigen Anträge insgesamt die erfolgreicheren waren.
Am Ende ein Lob für die DFG. Sie hat die ExStra-Statistiken (und auch eine nicht minder spannende Umfrage unter den ExStra-Gutachtern) zur Verfügung gestellt, ohne es in dieser Detailschärfe zu müssen. Mit ihrer Offenheit hat sie der Debatte über die Gegenwart und Zukunft der Exzellenzstrategie einen wertvollen Dienst erwiesen.
Der Autor ist Journalist für Bildung und lebt in Berlin. Auf seinem Blog www.jmwiarda.de kommentiert er aktuelle Ereignisse in Schulen und Hochschulen.

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