Hanns-Eisler-Hochschule: Der Bachelor-Dirigent
Im Herbst 2009 werden an der "Hanns Eisler"- Hochschule die neuen Abschlüsse Bachelor und Master eingeführt. Der neue Rektor Weigle hat einiges mit der Schule vor.
Sonnengelb – für den neuen Anstrich seines Rektorenzimmers hat Jörg-Peter Weigle einen optimistischen Farbton gewählt. Und der neue Leiter der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“, dem heute Abend zusammen mit seinen Prorektoren Wolfgang Heiniger und Jörg Mainka sein Amt feierlich übergeben wird, hat in der Tat allen Grund, heiter in die Zukunft zu blicken. Die Hochschule mit Hauptsitz am Gendarmenmarkt hat international einen hervorragenden Ruf, auch dank der Arbeit von Weigles Vorgänger Christhard Gössling, der nach acht Jahren nun zu seinem Hauptberuf als Soloposaunist bei den Berliner Philharmonikern zurückkehrt. Jörg-Peter Weigle seinerseits ist mit der Institution engstens vertraut, hat er doch in den siebziger Jahren an der „Hanns Eisler“ Dirigieren studiert. Seit 2001 unterrichtet er hier als Professor für Chorleitung, bereits im vergangenen April war er zum Prorektor gewählt worden.
Der ideale Kapellmeistertypus
Der Mittfünfziger mit der rotgerandeten Brille verkörpert den idealen Kapellmeistertypus im traditionellen Sinne, uneitel, zielstrebig, ganz und gar seiner Kunst verpflichtet. Dass er Dirigent werden wollte, wusste er schon als Elftklässler, als er beim Leipziger Thomanerchor Chorpräfekt war. Nach dem Studium kam für Jörg-Peter Weigle dann erstmal die „Ochsentour“ in der Provinz, beim Sinfonieorchester Neubrandenburg hatte der Nachwuchschef 80 Konzerte in der Saison zu absolvieren.
Was für ein Gefühl war dann 1980 die Berufung zum Rundfunkchor Leipzig: Nicht nur, dass die Profisänger genau seinem Klangideal entsprachen, plötzlich konnte er auch mit den Stars der Branche arbeiten, wurde von Colin Davis eingeladen, in München Projekte mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks zu realisieren.
Selbstständige Persönlichkeiten ausbilden
„Zu meiner Studienzeit war es üblich, dass die Professoren einem beibrachten, wie man Brahms zu machen hatte und wie Mozart“, sagt Jörg-Peter Weigle. „Da gab es ganz feste Vorstellungen. Über die Freiheit des Interpreten dagegen wurde nie gesprochen.“ In seiner Lehrtätigkeit verfolgt der Maestro den umgekehrten Weg: Er will Persönlichkeiten ausbilden, die sich selbstständig ins Verhältnis zu den Komponisten versetzen und daraus Antworten auf die Frage entwickeln: Was will ich dem Publikum mitteilen? Weigle, der seine Karriere parallel als Chor- wie Orchesterdirigent aufgebaut hat, interessiert sich vor allem für das Atmen: Er versucht die Musiker davon zu überzeugen, genau so natürlich zu phrasieren wie es Sänger tun. Wenn er etwa mit seinem Hochschulchor arbeitet, der sich vor allem aus Instrumentalstudenten ohne Stimmbildungspraxis zusammensetzt, macht er den Studierenden gleich bei der ersten Probe klar: „Ihr könnt alles, was ihr hier übers Singen lernt, später auch auf eure Instrumente übertragen.“
Ein Schlüsselerlebnis war für Jörg-Peter Weigle jüngst ein Zyklus mit Beethoven-Sinfonien, den er mit dem „Concerto Brandenburg“ auf historischen Instrumenten realisiert hat: Plötzlich klärten sich alle Fragen, die er bislang an die Partituren gehabt hatte, wie von selber, in der Klangbalance der Naturhörner und Geigen mit Darmsaiten wurde der Komponisten-Titan zum raffinierten Klangfarbenmaler und Vorbereiter der Romantik. Kein Wunder, dass Weigle als eines der Ziele seiner Amtszeit die Aufwertung der Barockmusik in der Ausbildung nennt. Was Künstler wie Nikolaus Harnoncourt angestoßen haben, die Beschäftigung mit musikalischer Rhetorik und zeitgenössischer Aufführungspraxis, die eine ganze Generation von Spezialisten bis weit ins 19. Jahrhundert hinein experimentierend erforscht, soll künftig auch im Unterricht eine wichtige Rolle spielen: „Da haben wir ein echtes Manko, da sind uns die Sinfonieorchester einige Schritte voraus.“
Umstellung auf die neuen Abschlüsse ist mit Sparvorhaben verbunden
Sehr viel Arbeitszeit dürfte für Weigle in den kommenden Monaten allerdings auch die Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge an der „Hanns Eisler“ zum Wintersemester 2009/10 kosten: Die Umstellung auf die internationalen Abschlüsse ist mit Sparvorgaben verbunden. Aus der Not, dass der Einzelunterricht künftig reduziert werden muss, will Weigle aber eine Tugend machen: Als kostengünstigere Kompensation sollen die Studierenden unter der Anleitung von Professoren mehr gemeinsam Kammermusik spielen. „Wir Lehrenden müssen uns darüber klar werden, wie wir wegfallende Angebote kompensieren wollen“, umreißt Weigle die heikle Aufgabe. Der Zwang, eine neue Linie zu finden, hat aber auch seine positive Seite, findet der neue Rektor. Dadurch entgeht die Hochschule der Gefahr, sich auf ihrem Ruhm auszuruhen: „So intensiv waren wir lange nicht im Gespräch.“