Forschung: Dem Aids-Virus die Tür versperrt
Gentherapeuten versuchen, Menschen gegen den Erreger der Immunschwäche zu schützen.
Nur ein einziges Mal ist es Ärzten gelungen, das Aids-Virus aus einem HIV-Patienten zu vertreiben. 2007 wurden dem US-Amerikaner Timothy Brown an der Berliner Charité Blutstammzellen eines fremden Spenders transplantiert, der resistent gegen das Virus war.
Bei etwa einem Prozent der Europäer fehlt erblich bedingt in den Zellmembranen ein Protein namens CCR5, eine Art Tor, ohne das Aidsviren nicht in die wichtigsten Immunzellen des Blutes eindringen können, die T-Zellen. Brown, inzwischen berühmt geworden als der „Berliner Patient“, lebt heute gesund und ohne HIV in San Francisco. Doch der Amerikaner hatte großes Glück, unter 200 möglichen Stammzellspendern einen HIV-resistenten zu finden. Bislang gelang dies für keinen zweiten der weltweit 33 Millionen HIV-Infizierten.
Doch nun könnte die kalifornische Biotech-Firma Sangamo den einmaligen Erfolg für viele Aids-Patienten ermöglichen – indem das Erbgut der eigenen T-Zellen eines Infizierten mit Hilfe spezieller Gen-Scheren verändert und resistent gegen HIV gemacht werden. Am Montag veröffentlichten die Forscher der Firma auf einer Konferenz in Boston Ergebnisse der seit 2009 laufenden Studien.
Das Prinzip: Man entnimmt dem Patienten Blutzellen, zerschneidet in deren Erbgut das CCR5-Gen mit Gen-Scheren und transplantiert sie zurück. Von den circa 20 Milliarden T-Zellen, die die Patienten gespritzt bekommen, können die Forscher mit dieser Prozedur zwar nur 25 Prozent tatsächlich HIV-resistent machen. Doch da die Viren die unveränderten Zellen selbst beseitigen, werden die resistenten T-Zellen angereichert.
Matthew Sharp war einer der Ersten, der sich die modifizierten T-Zellen spritzen ließ. Schon drei Monate danach berichtete der Aids-Aktivist aus San Francisco der Presse euphorisch, dass sich seine T-Zellzahl verdoppelt habe und „alles in die richtige Richtung“ gehe.
Allerdings sollen die Studien nicht beweisen, ob Sangamos Therapie wirkt, sondern ob das Verfahren sicher ist. Bei den ersten sechs von rund 20 Aids-Patienten verhielten sich die genveränderten T-Zellen offenbar normal, überdauerten und vermehrten sich. Die Anzahl der T-Zellen im Blut, Maß für das Voranschreiten der Erkrankung, verbesserte sich bei fünf der sechs Patienten, sagt die Sangamo-Sprecherin Elizabeth Wolffe.
Auch die amerikanische Zulassungsbehörde FDA stuft den Therapieansatz als sicher genug ein, um einer dritten Studie zuzustimmen. Mit Patienten, die die üblichen Medikamente gegen Aids noch nicht bekommen haben. Trotzdem muss Sangamo jeden Patienten zehn Jahre lang beobachten. Denn in Paris hatten Forscher schlechte Erfahrungen mit Gentherapien gemacht. Kinder mit einer Genmutation wurden von ihrer angeborenen Immunschwäche zwar geheilt, weil ins Erbgut ihrer Blutzellen ein intaktes Gen eingesetzt wurde. Doch kurz darauf bekamen einige Blutkrebs, weil das Erbgut geschädigt wurde.
Bei Sangamos Methode ist dieses Szenario eher unwahrscheinlich, sagt Toni Cathomen von der Medizinischen Hochschule Hannover, der mit ähnlichen Methoden arbeitet. Denn die Gen-Scheren sind so konstruiert, dass sie fast ausschließlich im gewünschten Gen schneiden. Sie bestehen aus einem Zinkfinger-Protein, das eine bestimmte, einzigartige Abfolge von DNS-Bausteinen im 3,3 Milliarden Bausteine großen Erbgut findet. Erst dann wird das Gen mit einer molekularen Schere zerschnitten, die Sangamo an den Zinkfinger gehängt hat.
„Eine einmalige Dosis CCR5-freier Zellen kann bei den Patienten noch keine großen Effekte auslösen, geschweige denn bewirken, dass das Virus verschwindet“, sagt Cathomen. Um die Aids-Viren wie bei Timothy Brown völlig aus dem Körper zu vertreiben, müsste Sangamo die blutbildenden Stammzellen im Knochenmark resistent machen, aus denen sich alle Blutzellen neu bilden. Bei Mäusen hat das schon funktioniert und ein 14,5-Millionen-Dollar-Projekt soll Tests mit genmodifizierten Blutstammzellen an Aids-Patienten ermöglichen. Allerdings ist die Gefahr, dass ein falscher Schnitt der Gen-Scheren einen Blutkrebs auslöst, mit Stammzellen viel größer.
Die etwa 70000 HIV-Infizierten in Deutschland vom Virus zu befreien, würde sich für die Krankenkassen lohnen. Rund 20000 Euro pro Jahr kosten die Pillen, die die Infizierten schlucken müssen. Stammzelltransplantationen schlagen mit etwa 100000 Euro zu Buche, so dass sich das Verfahren nach ein paar Jahren amortisiert hätte.
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