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Kein Auslaufmodell. Das männliche Geschlecht wird wohl doch nicht verschwinden. Das Y-Chromosom verliert seit 25 Millionen Jahren kaum noch Gene. Was aus Urzeiten übrig blieb, ist überlebenswichtig.
© dpa

Mann bleibt Mann: Das Y-Chromosom ist wichtiger als gedacht

Es wirkt kümmerlich im Vergleich mit dem X-Chromosom, das Frauen gleich doppelt haben. Trotzdem bestimmt das männliche Y-Chromosom viel mehr als nur das Geschlecht während der Entwicklung.

Männer sterben aus, verkündete der britische Genetiker Steve Jones vor etwa zehn Jahren in einem Buch. Das Y-Chromosom, das den Mann zum Mann macht, sei dem Untergang geweiht. Um zu begreifen, warum sich diese These in vielen Köpfen festsetzte, reicht ein Blick auf das bedauernswerte Stück Erbgutfaden. Es sieht kümmerlich aus, wenn man es mit dem großen, gleichmäßigen X-Chromosom vergleicht. Ein Zwerg, der über Jahrmillionen womöglich weiter schrumpft und schließlich verschwindet.

Das müsste nicht das Ende der Menschheit sein, zeigt die Natur. Manche Eidechsen pflanzen sich per Jungfernzeugung fort. Stachelratten unterteilen sich zwar in Männlein und Weiblein, aber ein Y-Chromosom hat keines von beiden. Und die Biologin Monica Ward von der Universität von Hawaii wies nach, dass zwei Gene vom Y-Chromosom reichen, damit Mäuse Nachwuchs bekommen können.

Das Y-Chromosom hatte einen schlechten Start

Trotzdem werde es nicht verschwinden, sagt David Page vom Whitehead Institute des MIT in Cambridge. Das Y-Chromosom hatte nur keinen besonders guten Start. Der amerikanische Evolutionsbiologe zieht zur Erklärung ein Bild heran: Vor etwa 300 bis 200 Millionen Jahren sei das träge und schusselige Y-Chromosom am Steuer eines schlecht gewarteten Autos eingeschlafen. Unterwegs brach ein Teil nach dem anderem ab, es fuhr geradewegs in Richtung Abgrund. Vor 25 Millionen Jahren jedoch war es wieder hellwach und riss das Steuer herum. Seitdem ist es ein geradezu penibler Zeitgenosse. Ihm geht nichts mehr verloren. Beschädigungen bessert es aus.

Von 600 Genen, die das Y-Chromosom des Menschen mit seinem weiblichen Gegenüber gemeinsam hatte, sind nur noch 19 übrig. Diese Auswahl aus Urzeiten ist keineswegs Zufall – bei Schimpansen, Rhesusaffen und Menschen ist das Set fast identisch. Selbst bei Arten wie Krallenaffen, Mäusen, Ratten, Opossum und Rindern gebe es große Überschneidungen, schreiben Page und seine Kollegen in „Nature“. Diese Gene seien demnach extrem wichtig für das Überleben. Zu diesem Schluss kommt auch eine zweite Arbeitsgruppe um Henrik Kaessmann von der Universität von Lausanne. Aus dem kümmerlichen Reststück wird eine Miniatur, reduziert auf das Wesentliche.

Zwölf Gene des menschlichen Y-Chromosoms interessieren die Forscher nun besonders. Vier davon sind für die offensichtlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau zuständig. Die restlichen acht regulieren, wie das Erbgut in allen möglichen Organen und Geweben abgelesen und interpretiert wird. Welche Auswirkungen das hat, ist eine offene Frage. Möglicherweise erklären sie, warum Männer und Frauen unterschiedlich krank werden, sagt Page: „Wir sollten das Y-Chromosom endlich ernst nehmen.“

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