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Warzenvirus. Humane Papillomaviren können Warzen verursachen. Sie führen aber auch zu Krebs an Gebärmutterhals, Schamlippen, Penis oder Anus.
© Science Photo Library

Humane Papillomaviren: Das Virus und der Krebs

Ein Virus-Test könnte Frauen den jährlichen Abstrich ersparen und sie zugleich besser vor Krebs schützen. Doch deutsche Gynäkologen stemmen sich gegen die neue Form der Vorsorge.

Die Krebsvorsorge soll verbessert werden. Das hat das Kabinett diese Woche beschlossen. Künftig wird man per Postkarte dazu eingeladen, an der Vorsorge gegen Darmkrebs und Gebärmutterhalskrebs teilzunehmen. Die viel größere Frage, wie die Vorsorge künftig aussehen soll, hat die Regierung jedoch noch nicht beantwortet.

So wird seit Jahren unter Experten heftig um die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs gestritten. Heutiger Stand: Jede Frau kann vom 20. Lebensjahr an einmal im Jahr einen Abstrich vom Gebärmutterhals machen lassen. Die gesetzliche Krankenversicherung zahlt.

Mit einer feinen Bürste und einem Spatel werden Zellen vom Gebärmutterhals abgeschabt und auf krebsartige Veränderungen untersucht. Der Gebärmutterhals markiert den Übergang der Gebärmutter zur Scheide. Die Untersuchungsmethode, vor fast 90 Jahren von dem griechischen Pathologen George Papanicolaou entwickelt, hat tausenden Frauen das Leben gerettet.

Der zu Ehren Papanicolaous als „Pap“-Abstrich bezeichnete Test hat maßgeblich dazu beigetragen, den Gebärmutterhalskrebs in den letzten Jahrzehnten zurückzudrängen. Er entdeckt auffällige Zellveränderungen. Aber mittlerweile hat der Pap-Abstrich ernste Konkurrenz bekommen. Ein neuer Test kann die Früherkennung revolutionieren und das jährliche Abstrich-Ritual weitgehend überflüssig machen. Jedenfalls, wenn es nach dem Willen einiger Fachleute geht. Der Test weist die Infektion mit krebserregenden Humanen Papillomaviren (HPV) in der Schleimhaut des Gebärmutterhalses nach. Um auf HPV zu testen, ist also weiterhin ein Abstrich erforderlich – aber nicht jedes Jahr.

Das Papillomavirus HPV
Das Papillomavirus HPV
© Nobel/FDA/AFP/TSP

„Fast jede Frau, bei der kein HPV nachweisbar ist, hat in den nächsten drei bis fünf Jahren ein extrem geringes Krebsrisiko“, kommentieren Hormuzd Katki und Nicolas Wentzensen vom Nationalen Krebsinstitut der USA im Fachblatt „Lancet Oncology“ die Bedeutung des Tests. Der jährliche Pap-Abstrich wäre also nicht mehr erforderlich, wenn der HPV-Test Teil der Vorsorge wäre. So argumentieren viele Fachleute. Manche niedergelassene Gynäkologen dagegen befürchten, dass Frauen künftig seltener in die Praxis kommen und wollen den HPV-Test verhindern.

Alles begann im Jahr 1842. Dem italienischen Chirurgen Domenico Antonio Rigoni-Stern aus Verona war aufgefallen, dass Nonnen seltener an Gebärmutterhalskrebs starben als andere Frauen. Prostituierte waren dagegen häufig betroffen. Viel wurde über die Ursache spekuliert, aber erst 1976 brachte der deutsche Virusforscher Harald zur Hausen Licht ins Dunkel. Zur Hausen fand das Erbgut eines sexuell übertragbaren Warzenvirus in Zellen von Gebärmutterhalskrebs. Zunächst stieß seine Entdeckung auf Widerspruch. Aber zur Hausen ließ nicht locker, bis er das letzte Glied seiner Indizienkette gefunden hatte: Humane Papillomaviren, HPV, sind die Ursache des Gebärmutterhalskrebs. 2008 bekam zur Hausen den Nobelpreis für Medizin.

Wird Gebärmutterhalskrebs also durch Sex übertragen? Ja und nein. Zwar gibt es nur selten Tumoren, an denen das Virus nicht beteiligt ist. Auf der anderen Seite ist eine Infektion mit HPV vor allem in jungen Jahren häufig und meist ohne Folgen. Schätzungsweise drei von vier Menschen stecken sich irgendwann in ihrem Leben mit HPV an. Zwischen dem 20 und 30. Lebensjahr findet sich das Virus bei jeder fünften Frau. Danach geht die Zahl der Infektionen stark zurück. Aber nicht bei allen Frauen. Manchmal setzt sich HPV in den Zellen des Gebärmutterhalses fest.

Das Virus überträgt seine Erbinformation dann in die der Wirtszelle, und im Laufe von zehn bis 30 Jahren nach einem Befall kann sich schrittweise Krebs entwickeln. In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 6000 Frauen an dem Tumor, 1500 sterben an der Krankheit. Damit gehört das Leiden nicht zu den häufigen Krebsformen. Allerdings sind oft jüngere Frauen zwischen dem 35. und 54. Lebensjahr betroffen, die Zahl der geraubten Lebensjahre ist also besonders hoch.

Kein Virus, kein Krebs – da lag es nahe, einen entsprechenden Test zu entwickeln und mit dem herkömmlichen Pap-Abstrich zu vergleichen. Große Studien zeichnen überwiegend das gleiche Bild: der HPV-Test schlägt bei der Krebssuche besser Alarm. Er ist empfindlicher als der Pap-Abstrich und übersieht weniger Krebsvorstufen oder Tumoren. Und er hat noch einen wesentlichen anderen Vorteil: Findet sich kein Virus, entlastet das die Frau. Der nächste Test ist in der Regel erst in einigen Jahren erforderlich. Schließlich braucht das Virus nach einer neuen Infektion mindestens zehn Jahre, um Krebs hervorzurufen.

Gut 47 000 US-Frauen nahmen an der vor einem Jahr veröffentlichten „Athena“-Studie teil, in der HPV- und Pap-Abstrich verglichen wurden. Das Ergebnis: Der HPV-Test entdeckte 92 Prozent der hochgradigen Krebsvorstufen, ein weiterentwickelter Pap-Test nur 53 Prozent. Die Autoren halten es daher für vernünftig, künftig in erster Linie den HPV-Test in der Vorsorge einzusetzen. Erst wenn er anschlägt, ist es Zeit für einen Pap-Abstrich.

Ende 2011 erschien außerdem die niederländische „Pobascam“-Studie, die „Athena“ mehr als bestätigte. An der Untersuchung nahmen 45 000 Frauen zwischen 29 und 56 Jahren teil. Die eine Hälfte der Frauen wurde nur mit dem verbesserten Pap-Abstrich untersucht, die andere zusätzlich mit einem HPV-Test. In dieser Gruppe konnten deutlich mehr Krebsvorstufen entdeckt werden. Fünf Jahre später, in den Niederlanden der übliche Abstand zwischen zwei Vorsorge-Untersuchungen, gab es eine zweite Testrunde. Dieses Mal hatten die Frauen in der HPV-Gruppe deutlich seltener Krebs oder Krebsvorstufen. „Der HPV-Test führt zur früheren Erkennung bedeutsamer Vorstufen von Krebs“, folgern die Autoren. Der HPV-Test könne demnach höchstwahrscheinlich mehr Krebsfälle und krebsbedingte Todesfälle verhindern als der Pap-Test.

In den Niederlanden hat das Umdenken begonnen. Verglichen mit deutschen Maßstäben ist es revolutionär. Wenn es nach Chris Meijer geht, Pathologe an der Amsterdamer Universität und Leiter der Pobascam-Studie, brauchen niederländische Frauen künftig nur noch fünf Mal im Leben zur Vorsorge gegen Gebärmutterhalskrebs: mit 30, 35, 40, 50 und 60 Jahren. Dann werden sie jeweils auf HPV getestet. Nur bei einem positiven Test erfolgen genauere Kontrollen, zunächst mit dem Pap-Abstrich. Meijers Vorschlag wird nun von den holländischen Gesundheitsbehörden geprüft.

Auch jene Frauen sollen profitieren, die zwar zum Test eingeladen werden, aber ihn nicht wahrnehmen. Mindestens 60 Prozent aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs treten bei ihnen auf. Darum schlägt Meijer für sie einen HPV-Selbsttest vor. Die Frau bekommt auf Wunsch ein Instrument für den Do-it-yourself-Abstrich ins Haus geschickt und gibt ihn zur Untersuchung in der Apotheke ab. Technisch sind die Selbsttests jedoch nicht ausgereift. Sie seien noch „zu wenig frauenfreundlich“, urteilt Peter Hillemanns, Leiter der Frauenheilkunde an der Medizinischen Hochschule Hannover.

Fest steht, dass deutsche Frauen künftig zur Vorsorge eingeladen werden. Aber in welchen Abständen, alle zwei, drei, fünf Jahre? Und welche Methoden werden eingesetzt? Mit diesen Fragen hat die Bundesregierung den Gemeinsamen Bundesausschuss beauftragt, in dem Ärzte und Krankenkassen zusammenarbeiten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat demnach die Zukunft der Vorsorge in der Hand. Vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Bonn ließ der Bundesausschuss bereits den Wert des HPV-Tests für die Früherkennung bewerten. Urteil des Instituts in seinem Vorbericht von 2011: Für einen Nutzen des HPV-Tests gebe es einen „Anhaltspunkt“. Entweder allein oder in Kombination mit Pap-Abstrich.

Im Auftrag des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information erarbeiteten Fachleute bereits ein Jahr vor dem IQWiG-Bericht ein Gutachten zur Frage, wie effektiv und kostengünstig der HPV-Test ist. Ergebnis: Zwar ist er kostspieliger als herkömmliche Vorsorge. Dieser Nachteil schwindet jedoch, wenn der Test in Abständen von zwei oder mehr Jahren erfolgt. Denkbar wäre nach Ansicht der Gutachter, den Pap-Test im Alter zwischen 25 und 29 zweijährlich einzusetzen und vom 30. Lebensjahr an auf den HPV-Test umzusatteln, ebenfalls alle zwei Jahre.

Zu den entschiedenen Gegnern einer umfassenden Reform gehört Christian Albring, Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte. Das deutsche Vorsorgeprogramm sei das erfolgreichste in Europa, argumentiert Albring. Eine organisierte Vorsorge sei ebenso wenig erforderlich wie der HPV-Test als Suchmethode. Der Test schlage meist falschen Alarm. „Die Frauen machen sich unnötig Sorgen“, sagt Albring. Auch einen Selbsttest der Frau lehnt er ab.

„Die Behauptung, dass der HPV-Test zu oft blinden Alarm gibt, stimmt bei Frauen ab 35 nicht mehr“, kontert dagegen Peter Hillemanns von der Medizinischen Hochschule Hannover. Von diesem Alter an sei der HPV- dem Pap-Test klar überlegen, weil er Krebs oder Krebsvorstufen mit hoher Wahrscheinlichkeit aufspüre. Hillemanns gehört zu den Reformern. Er schlägt vor, Frauen zwischen 20 und 34 alle zwei Jahre den Pap-Test zu empfehlen, vom 35. Lebensjahr an dann den HPV-Test alle drei Jahre.

Auch über die Frage, wie gut die Vorsorge in Deutschland ist, gehen die Meinungen auseinander. Fachleute weisen darauf hin, dass in Deutschland vergleichsweise viele Frauen an Gebärmutterhalskrebs erkranken. Von 100 000 Frauen trifft es bei uns pro Jahr 13, in Großbritannien dagegen nur neun und in den Niederlanden lediglich sieben. Und in einer internationalen Vergleichsstudie stellte sich heraus, dass der Pap-Test, der normalerweise bei jedem zweiten Fall einer Krebsvorstufe anschlägt, in Jena nur bei jedem fünften Fall Alarm gab, in Hannover nur bei jedem dritten. „Diese Ergebnisse lassen sehr zu wünschen übrig“, lautet das Urteil des niederländischen Spezialisten Chris Meijer. Dass sich die Vorsorge nun ändern könne, sei eigentlich ganz normal, findet er. „So ist das in der Medizin.“

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