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Gemeinsam studieren. Mit einer vereinheitlichten Studieneingangsphase könnten Abbrecherzahlen gesenkt werden. In Lüneburg gibt es ein Kolleg-Modell bereits.
© dpa

Hilfe für Studienanfänger: Das Uni-Kolleg kommt

Viele Studienanfänger tun sich schwer beim Übergang von der Schule an die Uni. Ein einheitliches erstes Semester für Studierende aller Fächer könnte helfen. Aber muss die Uni wirklich die Versäumnisse der Schule aufarbeiten?

In ihrem ersten Semester an der Leuphana-Uni in Lüneburg erfuhr Alena viel über die Rolle von Mikrokrediten für die Entwicklungshilfe. Sie beschäftigte sich mit dem Thema Schlaf im 19. Jahrhundert und mit fairem Kaffeehandel. Sie lernte, wie Werbung wirkt. Und sie übte, wie man wissenschaftlich richtig zitiert und Quellen nutzt. Interessante Themen, die mit ihrem Studium aber nur teilweise etwas zu tun haben: Die 21-Jährige studiert Mathematik und Sachkunde und will Grundschullehrerin werden.

Alenas Programm ist für alle Studienanfänger verbindlich. Mit ihrem „Leuphana College“ bietet die Uni ein erstes Semester an, das sich Themen wie Nachhaltigkeit genauso widmet wie es Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens vermittelt. Alle Studierenden belegen am Anfang das College-Programm – gleich, ob sie BWL oder wie Alena auf Lehramt studieren. „Wir wollen mit dem Semester wissenschaftliches Denken fördern und den Studenten interdisziplinäres Lernen und die Entwicklung ihrer Persönlichkeit ermöglichen“, sagt College-Leiterin Karin Beck. Mit dem Studienmodell will die Uni auch für Chancengerechtigkeit sorgen. „Wer früher Defizite in bestimmten Bereichen des wissenschaftlichen Arbeitens hatte, der hat oft nach kurzer Zeit das Studium abgebrochen. Geblieben sind meist die aus den bildungsnahen Elternhäusern.“

Lüneburg führte das gemeinsame erste Semester bereits 2007 ein und war damit die erste Uni in Deutschland mit einem solchen Kolleg-Modell, das US-Unis nachempfunden ist. Inzwischen denken immer mehr deutsche Unis darüber nach. Denn tatsächlich kommen Studierende mit immer unterschiedlicheren Voraussetzungen und Wissensständen an die Hochschulen. Durch die verkürzte Schulzeit werden die Abiturienten jünger. Unis öffnen sich für Studierende ohne Abitur. Und sie werben verstärkt um internationale Studierende.

Auch an der Uni Hamburg denkt man darüber nach, wie man den Studieneinstieg so gestalten kann, dass er den unterschiedlichen Hintergründen gerecht wird. Am Ende könnte die Antwort ein Einführungssemester mit Studium-Generale-Charakter sein, wie es kürzlich Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) ins Spiel gebracht hat.

Anfang November riefen die Hamburger ein Universitätskolleg ins Leben. Es versammelt 40 Projekte unter einem Dach, die sich mit dem Übergang an die Universität befassen – von Brückenwochen, in denen Schüler das Jurastudium kennenlernen, über Crashkurse in Naturwissenschaften bis hin zu mehrsprachigen Schreibwerkstätten. Geld kommt aus dem Qualitätspakt Lehre des Bundes und von privaten Sponsoren. „Zunächst geht es vor allem darum, Erfahrungen auszutauschen und die Qualität zu sichern“, sagt Arndt Schmehl, wissenschaftlicher Leiter des Kollegs.

Mit einer gemeinsamen Studieneingangsphase könnten auch die Abbrecherquoten verringert werden, die zumal in den MINT-Fächern besonders hoch sind. Laut nationalem Bildungsbericht brechen 55 Prozent der Mathematikstudenten ab, in Maschinenbau und Elektrotechnik sind es 51 Prozent, in der Informatik immer noch 47 Prozent. An vielen Hochschulen versucht man bereits, mit Propädeutika und Vorkursen im Vorfeld des Unistarts die Abbrecherzahlen zu verringern. Etwa am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Die Studenten sitzen deutlich motivierter und konzentrierter in den Vorlesungen. Die Zensuren sind im Schnitt um anderthalb Notenpunkte besser geworden“, sagt Thomas May, Leiter der Abteilung Studienvorbereitung und Propädeutika. Für fachliche Lücken könne man die Studenten selbst meist gar nicht verantwortlich machen. So würden manche Teilgebiete der Mathematik an den Schulen nicht mehr flächendeckend unterrichtet.

Doch die Schulen seien nicht schuld an den oftmals schwierigen Startbedingungen der Studienanfänger, sagt Andreas Keller, Mitglied des Bundesvorstands der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Viele Hochschulen hätten bisher „kein Konzept dafür, wie sie mit einer heterogener werdenden Studierendenschaft umgehen können“. Ein Propädeutikum würde Keller daher begrüßen – wenn es denn Teil des Studiums ist. „Es ist schon immer so gewesen, dass eine Einführungsphase ins wissenschaftliche Arbeiten dazugehört hat. Aber wenn man ein Studium um jeden Preis in sechs Semester pressen will, ist die Zeit dafür häufig nicht mehr da.“

Andere widersprechen: Es könne nicht Aufgabe der Unis sein, für die Studierfähigkeit zu sorgen. „Studienanfänger auf Abiturniveau zu bringen, wäre eine Verschiebung von Verantwortlichkeiten, die wir nicht akzeptieren“, sagt etwa Thomas Pfeiffer, bis 2010 Prorektor für Lehre an der Uni Heidelberg und dort nun für Internationale Beziehungen zuständig. „Sollten die Universitäten dennoch diese Aufgabe übernehmen, müssten sie zusätzliche Mittel erhalten. Unter den jetzigen Bedingungen können wir das nicht leisten.“

Für die Lüneburger College-Leiterin Karin Beck braucht die heutige Studentengeneration dagegen schlicht mehr Orientierung. „Die Studenten heute haben vor allem ein Defizit an Selbstvertrauen. Aber sie sind nicht schlechter als früher.“

Von ihrem Einführungssemester war die Lüneburger Studentin Alena zwar nicht ganz überzeugt. Dennoch fand sie es gut, an die Hand genommen zu werden. „Für mich war das ein entspannter Einstieg ins Studium. Wenn man Fragen hat, findet man hier immer jemanden, der einem weiterhilft.“

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