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Normalerweise entfernt HDL Cholesterin-Ablagerungen von den Wänden der Schlagadern und weitet die Gefäße.
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Schutz gegen Herzinfarkt: Das „gute“ HDL-Cholesterin schadet mehr als es nützt

Neue Arzneimitteltests legen nahe: Das „gute“ HDL-Cholesterin hat mehr Nach- als Vorteile.

Cholesterinsenkende Medikamente haben sich bewährt, um Herzinfarkten vorzubeugen. Arzneimittel aus der Gruppe der Statine verringern die Menge des im Blut kreisenden „schlechten“ LDL-Cholesterins. Deshalb war es eine naheliegende Idee, ergänzend das „gute“ HDL-Cholesterin im Blut zu erhöhen. Menschen mit einem hohen HDL-Spiegel im Blut sind besser gegen Infarkte geschützt. Allerdings enttäuschten die Arzneimitteltests. Zwar erhöhten sie das HDL-Cholesterin, aber hatten darüber hinaus mehr Nach- als Vorteile.

Der spektakuläre Flop offenbarte, wie groß die Wissenslücken beim „guten“ Cholesterin sind. Einer, der sie schließen möchte, ist der Herzspezialist Ulf Landmesser vom Campus Benjamin Franklin der Berliner Charité. Gemeinsam mit anderen neu berufenen Professoren stellte er seine Arbeit bei einem Symposium im Kaiserin-Friedrich-Haus vor. Veranstalter war das Berliner Institut für Gesundheitsforschung, eine gemeinsame Gründung der Charité und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin. Landmesser gehört zu den Wissenschaftlern, die eine dunkle Seite des angeblich so gesunden HDL-Cholesterins entdeckt haben.

Müllabfuhr: HDL sammelt Cholesterin ein

LDL wie HDL sind winzige „Nanobällchen“, die aus einem Gemisch von Eiweiß- und Fettkügelchen bestehen. Die etwas größeren LDL-Bällchen transportieren Cholesterin, einen wachsartigen Grundstoff für Zellmembrane, Hormone und Gallensäuren, aus der Leber zu den Organen. HDL-Bällchen haben die umgekehrte Aufgabe. Sie sammeln Cholesterin im Gewebe ein und transportieren es zurück zur Leber.

Wie Landmesser berichtete, ist HDL kein einfaches Transportmolekül, sondern ein kompliziertes, im Lauf der Evolution perfektioniertes Gebilde aus Fetten und Eiweiß, ein Lipoprotein. Mehr als 70 verschiedenen Proteine und sogar mehr als 1000 unterschiedliche Fette sind bisher in HDL-Teilchen gefunden worden.

Die vermutlich wichtigste Aufgabe von HDL ist es, Cholesterin aus den Wänden der Schlagadern zu entfernen. HDL-Teilchen dringen in die Gefäßwände ein und nehmen das Cholesterin hier aus Fresszellen der Immunabwehr auf. Außerdem hilft HDL, die Gefäße zu weiten und so die Durchblutung zu verbessern. Es regt die Gefäßwand auskleidende Zellen dazu an, Stickstoffmonoxid abzusondern. Das Gas macht die Gefäße weit.

Und damit nicht genug. HDL-Partikel bewahren Fress- und Gefäßwandzellen vor Apoptose, dem programmierten Zell-Selbstmord. Das Apoptose-Programm startet, wenn die Zellen freies Cholesterin oder „böses“ LDL-Cholesterin aufnehmen. Ist die Gefäßwand durch abgestorbenes Gewebe geschädigt, erhöht sich die Gefahr eines Blutgerinnsels und damit eines Infarkts. HDL-Partikel bremsen zudem Entzündungen, schützen vor Infektionen und verbessern den TraubenzuckerStoffwechsel. Es gibt scheinbar nichts, was HDL nicht kann.

Das gute Cholesterin schützt Kranke offenbar nicht

Allerdings ändert sich das Bild, sobald Patienten eine koronare Herzkrankheit (KHK) bekommen, also verengte und verkalkte Herzkranzgefäße. Das gesundheitsfördernde HDL hat plötzlich weniger günstige Eigenschaften, der weiße Ritter ein paar dunkle Flecken auf seiner strahlenden Rüstung bekommen. Bei Herzkranken hat ein hoher HDL-Spiegel im Blut vermutlich nicht mehr die Rolle eines Schutzfaktors für die Gefäße wie bei Gesunden. Wie es dazu kommt, hat Landmesser, der vor seinem Wechsel nach Berlin an der Uni Zürich arbeitete, erforscht.

Wie der Herzspezialist zusammen mit Kollegen herausfand, ändert sich bei einer KHK die Zusammensetzung der Eiweiße in den HDL-Teilchen. Die Folge ist geringerer Schutz der Schlagadern vor Apoptose und damit vor Schäden der Gefäßwand. Die in den erkrankten Gefäßen schwelende Entzündung greift auf die HDL-Teilchen über. Sie fördern nun zerstörerische Entzündungsprozesse.

Das zeigt sich etwa an dem Enzym Myeloperoxidase, das an HDL gekoppelt ist. Es bildet aggressive Sauerstoffverbindungen, die sich zum Beispiel gegen Krankheitserreger und Parasiten richten. Was bei der Abwehr von Keimen von Vorteil ist, ist an kranken Gefäßen ein Nachteil. Hier beschleunigt das Enzym offenbar das Entstehen von Schäden im Gewebe.

Es bringt vermutlich nicht viel, HDL bei Herzkranken zu erhöhen

„Das Erhöhen des HDL-Cholesterins bei Herzkranken ist kein Therapieziel mehr“, fasst Landmesser gegenüber dem Tagesspiegel seine Ergebnisse zusammen. „Bei Herzgesunden dagegen spricht ein höheres HDL für ein geringeres Risiko.“ Könnte es sein, dass Herzkranke mit viel HDL im Blut sogar einer größeren Gefahr ausgesetzt sind? Auch dafür gibt es Hinweise, sagt Landmesser. Nach einer Bypass-Operation kam es bei jenen Patienten öfter zu bedrohlichen Komplikationen, die einen höheren HDL-Spiegel im Blut hatten.

Möglicherweise reicht es nicht, die Konzentration des HDL-Cholesterins im Blut zu messen. Eine vor kurzem erschienene Untersuchung deutet darauf hin, dass es sinnvoller sein könnte, die „Reinigungskraft“ des HDL zu messen. Also seine Fähigkeit, aus den Schlagadern Cholesterin aufzunehmen, medizinisch „Efflux-Kapazität“ genannt.

Anand Rohatgi von der Universität Texas und sein Team ermittelten bei knapp 3000 Personen, die nicht herzkrank waren, wie gut ihre HDL-Teilchen imstande waren, Cholesterin „zu tanken“. Über fast zehn Jahre dokumentierten die Forscher, ob sich ein Herzleiden entwickelte. Sie stellten fest, dass das Risiko einer Herzkrankheit umso geringer war, je besser das HDL-Cholesterin funktionierte. Wie viel davon im Blut kreiste, war dagegen eher nebensächlich. Wichtig ist HDL also in jedem Fall. Allerdings kommt es wohl mehr auf Klasse statt Masse an.

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