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Selbst der prächtigste Zuchtbulle kann Gendefekte tragen, die seine Nachkommen krank machen. Gentests in der Zucht sollen das verhindern.
© Nature Genetics/Bayern Genetik

Tierzucht: Das 1000-Bullen-Projekt

Einem Zuchtbullen ist nicht anzusehen, ob er Nachkommen zeugt, die mehr Milch und besseres Fleisch geben und gesund sind. Gentests sollen das ändern.

Jahrelang hat Jakob für Laban geschuftet, ohne den gerechten Lohn zu bekommen. Da hat der Ziegenhirte, laut Bibel, eine Idee: Als Lohn will er in Zukunft alle Ziegen mit weißen Flecken aus Labans Herde haben. Laban schlägt ein, denn seine Herde besteht fast nur aus schwarzen Ziegen. Aber wie durch ein Wunder hat Jakob nach ein paar Jahren eine riesige Herde, denn immer wieder bringen Labans schwarze Tiere weiß gefleckten Nachwuchs hervor.

Seit Beginn der Domestizierung von Nutztieren vor 10 000 Jahren versuchen Züchter diese eine Frage zu beantworten: Wie sieht man Nutztieren an, ob ihre Nachkommen die richtige Farbe, mehr Milch oder besseres Fleisch weitergeben werden? Jakob bemühte seinen guten Draht zu göttlicher Weisheit, heute ist das Erbgut der Nutztiere die Quelle der Erkenntnis für die Züchter. Eines dieser Nutztier-Genforschungsprojekte ist das „1000-Bullen-Projekt“, das sich zum Ziel gesetzt hat, das Erbgut von 1000 Bullen und Kühen diverser Rinderrassen zu analysieren, die charakteristisch für bestimmte Merkmale sind – sei es nun gelocktes Fell oder die Milchleistung.

Krankheitsgene ausschließen

Die Ergebnisse der ersten Phase des 1000-Bullen-Projekts hat nun ein Forscherteam um Ben Hayes vom Umweltamt im australischen Bundoora im Fachmagazin „Nature Genetics“ vorgestellt. Bislang konnten sie das Erbgut von 232 Bullen und zwei Kühen der Rassen Holstein-Fresian, Fleckvieh und Jersey sowie 47 Angus-Bullen in ihre Datenbank speisen. In einer ersten Testanalyse dieser Erbgutdaten fanden sie nicht nur Genmutationen, die für die Milch- und Fleischproduktion relevant sind, sondern auch Mutationen, die bei Rindern Erbkrankheiten auslösen, darunter Skelettverwachsungen und erhöhte Fehlgeburtsraten.

Das Wissen um solche Mutationen können Züchter nun unmittelbar für ihre Zuchtprogramme nutzen. Indem das Erbgut von Zuchtbullen einer Reihe von Gentests unterzogen wird, kann sichergestellt werden, dass Züchter nur solches Bullensperma verwenden, das sowohl vorteilhafte Genvarianten für die Milchleistung trägt als auch frei von Mutationen ist, die Erbkrankheiten auslösen. „Smart Breeding“ nennt sich dieses gentestgesteuerte Züchten. Dabei werden die Tiere nicht gentechnisch verändert, der einzige Unterschied zur konventionellen Zucht ist, dass die Zuchtpaare aufgrund von Gentests zusammengestellt werden. Und das dient durchaus auch dem Wohl der Tiere, wie ein Beispiel aus der Schweinezucht zeigt. 1991 entdeckten Forscher eine Mutation, die bei Schweinen ein Stresssyndrom auslöst, das Maligne Hyperthermie-Syndrom. In Stresssituationen starben die Schweine an Kreislaufversagen. Die Züchter hatten jahrelang Schweine mit höherer Fleischleistung selektiert und unwissentlich die folgenschwere Mutation mitvermehrt. Inzwischen wird die Mutation per Gentest bei Zuchtebern ausgeschlossen.

Mit Gentests gegen Infektionen

Bei bestimmten Erkrankungen gibt es gar keine andere Möglichkeit, als genetische Informationen zurate zu ziehen. So würde kein Züchter die Widerstandskraft seines Bullen gegen eine Infektionskrankheiten experimentell testen lassen wollen. Ein Gentest, der ein bekanntes Resistenzgen gegen eine Infektionskrankheit nachweist, gefährdet die oft zehntausende Euro teuren Zuchtbullen nicht.

Der Bedarf für Gentests ist auch aufgrund moderner Befruchtungsmethoden gestiegen. Der Samen eines prämierten Zuchtbullen kann seine Gene an unzählige Kühe weitergeben, auch Genmutationen – so geschehen bei der Schwarzbunten Rasse, wo ein einziger Bulle eine tödliche Wirbelsäulendeformation verbreitet hat. Einen ähnlichen Gendefekt entdeckten auch die Forscher des 1000-Bullen-Projekts . „Gesundheit und Wohlergehen werden in der Rinderzucht immer wichtiger“, schreibt Bill Hayes. Deshalb sei die schnelle Identifizierung und Handhabung solcher Gendefekte dringend nötig.

Sascha Karberg

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