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Hier blüht den Wanderern was. Die milden Temperaturen lassen die Mandelbäume auf Mallorca in diesem Jahr besonders früh ausschlagen.
© Dagmar Krappe

Mallorca: Da liegt was in der Luft

In diesem Jahr beginnt die Mandelblüte auf Mallorca früher. Wer den Duft mag, kann ihn auch im Flakon nach Hause tragen.

Miguel Benitos Sehnen ist in diesem Jahr von kurzer Dauer. Der Frühling hat auf Mallorca nämlich schon eingesetzt. Die Erntezeit hat bereits begonnen. Den Parfümeur interessieren nicht die Früchte des Mandelbaums, sondern seine Blüten. „Vor mehr als tausend Jahren brachten die Mauren den Mandelbaum nach Mallorca“, erzählt Benito, „größere Verbreitung fand er jedoch erst, als 1890 die Reblaus über Weinstöcke in Europa herfiel. Viele Winzer pflanzten damals Mandelbäume als Ersatz.“

Heute ist die Hälfte der rund sechs Millionen Bäume verwildert. Einst waren sie eine wichtige Ertragsquelle. Doch inzwischen kann kein Bauer mehr allein von einer Mandelbaumplantage leben. Oliven, Wein, Orangen und vor allem der Tourismus bringen zusätzliche Einnahmen.

Während Miguel immer wieder an frischen Blüten vor seiner kleinen Fabrik in Pont d’Inca im Norden der Inselhauptstadt Palma schnuppert, erklärt er, wie die Idee zum Mandelblütenparfüm, das er nur auf Mallorca vertreibt, entstand: „Der Erfinder des ,Flor d’Ametler‘ war Bernardo Vallori. Er war Chemiker und sah, wie die alten Frauen in seinem Heimatort Llucmajor Rosmarien-, Lavendel- und Rosenblütenessenzen herstellten. Das inspirierte ihn, denn in der Region wuchsen schon immer viele Mandelbäume. 1930 fing er an, Mandelblütenparfüm zu kreieren. Um nicht nur das Aroma einzufangen, fügte er jedem Flakon eine Blüte hinzu. Sie sollte den Frühling Mallorcas repräsentieren.“

Ein Wanderweg voller Versuchungen

Vor 25 Jahren erlernte Miguel Benito das Handwerk direkt beim Erfinder und führt die Firma heute gemeinsam mit seinen beiden Kindern. „Ob die Blüte rosa oder weiß ist, das ist egal“, sagt der Endfünfziger. „In der Flasche sehen später alle weiß aus. Nur gut riechen sollte sie und fünfblättrig sein, dann kommt sie am besten zur Geltung.“ Gleich nach dem Pflücken werden die Blüten in der Manufaktur handverlesen und nach Größe sortiert. In lichtundurchlässigen Glasbehältern schwimmen sie in reichlich Alkohol und einer ansonsten geheim gehaltenen Rezeptur. Mindestens drei Jahre lagern sie so bei gleichmäßiger Temperatur in einem dunklen Raum, bevor sie in den Flakon mit der Parfümessenz gelangen.

Sóllers Nostalgiebahn.
Sóllers Nostalgiebahn.
© Dagmar Krappe

Um den Mandelblütenduft nicht nur aus der Flasche, sondern auch in der Natur genießen zu können, bieten sich Wandertouren über die Insel an. Hinter den weiß-rosa Schleiern der Bäume ragt das Tramuntana-Gebirge in den blassblauen Himmel. „Tramuntana heißt Säge des Nordwinds“, weiß Wanderführerin Nicole Bea. Und den kann man im Januar und Februar auf Mallorca noch recht kräftig und kühl zu spüren bekommen.

Von Puerto de Sóller geht es bei gemäßigten Höhenunterschieden nach Fornalutx und über die Berge weiter nach Biniaraix. Von Sóller kann man sich die letzten fünf Kilometer zurück nach Puerto de Sóller mit einer alten Straßenbahn durch Orangen- und Zitronenhaine und später am Meer entlangschaukeln lassen. Wanderweg und Schienen führen direkt am Eiscafé „Sa Fabrica de Gelats“ vorbei. Das heißt, nicht vorbei. Denn der Versuchung von mehr als 40 Sorten cremigem Milchspeiseeis und Sorbets kann kaum jemand widerstehen.

Immer nur Süßmandelbäume

Wie es duftet...Miguel Benito kreiert Mandelblütenparfüm.
Wie es duftet...Miguel Benito kreiert Mandelblütenparfüm.
© Dagmar Krappe

Franz Kraus kam 1990 auf die Insel. Vier Jahre später gründete der Rheinländer seine Eisfabrik und kurz darauf die Firma Fet a Sóller. „Das heißt: in Sóller hergestellt“, erklärt der Lebensmittelexperte. „Ich vertreibe einheimische Marmeladen, Olivenöle, Weine, Orangen, Zitronen, Wurst- und Käsespezialitäten und natürlich Mandeln – gehackt, gehobelt und gebrannt.“ Zu seinen Eisfavoriten zählt neben Orangen- auch ein hellbraunes Mandeleis. Die Paste zur Herstellung dieser sahnigen Spezialität bezieht er von der Kooperative Camp Mallorqui in Consell bei Inca.

Einige Kilometer entfernt im Dorf Mancor de la Vall am Fuß der Serra de Tramuntana beginnt eine weitere Wanderroute. Sie führt an endlosen Mandelbaumhainen vorbei, in denen zahlreiche Schafe weiden. Später in Caimari folgt ein alter Pilgerpfad bis zum Wallfahrtsort Kloster Lluc. Der Weg endet irgendwie zwangsläufig im Café „Sa Plaça“ im Klosterhof. Saftiger Mandelkuchen ist hier die angesagte Delikatesse.

„Auf Mallorca handelt es sich immer um Süßmandelbäume, ganz gleich, ob sie rosa oder weiße Blüten tragen“, erklärt Georgina Brunet. „Bittermandeln blühen zwar immer rosa. Nur werden diese Bäume herausgerissen, um die Ernte nicht zu verderben.“ Die 32-Jährige ist Geschäftsführerin des Mandelverarbeitungsbetriebs in Consell, einer Kooperative „zweiten Grades“. In ihr sind die Bauern nicht direkt organisiert, sondern 17 kleinere Kooperativen, in denen sich 900 Mitglieder zusammengeschlossen haben. 1983 gründeten die Landwirte die Organisation, um sich Ernte- und Verarbeitungsmaschinen zu teilen, die für jeden Einzelnen zu kostspielig wären.

Der Konkurrent aus Kalifornien

Die Mandeln werden von Mitte August bis Ende November angeliefert. Bis April läuft dann die Produktion. In der Industriehalle herrscht ohrenbetäubender Lärm. Die Knackmaschinen zertrümmern die äußere harte Hülle der Nussfrüchte. Die zerbrochenen Schalen werden als Heizmaterial verkauft oder ähnlich wie Rindenmulch in Gärten verwendet. Die Kerne kommen mit leicht bitterer dunkler Haut oder enthäutet als elfenbeinfarbenes Ganzes, als Blättchen, Splitter oder gemahlen in den Handel. „Die mallorquinische Mandel schmeckt sehr süß und zeichnet sich durch einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren aus“, sagt Georgina Brunet. „Jahrzehntelang wurde sie für Niederegger-Marzipan in Lübeck verwendet. Leider können wir die dort benötigte Menge nicht mehr liefern. Durch die Ungleichheit der Kerne ist die Verarbeitung auch zu teuer.“

Das größte spanische Mandelanbaugebiet befindet sich übrigens auf dem Festland – in Andalusien. Doch der stärkste Konkurrent der mallorquinischen ist die kalifornische Mandel. „Sie ist größer und ebenmäßiger. Lässt sich leichter ernten und verarbeiten und ist dadurch viel preiswerter“, sagt Georgina Brunet. „Auf Mallorca gibt es nur wenig Bewässerung. Pro Hektar ernten wir 150 bis 300 Kilogramm Mandeln. In Kalifornien sind es drei Tonnen.“ Wie bereits jüngst berichtet, bedroht der niedrige Weltmarktpreis für Mandeln mittelfristig den Erhalt der Bäume.

Wanderführerin Nicole Bea empfiehlt ihren Gästen noch eine Fahrt mit Ausblick: im hundert Jahre alten Nostalgiezug „Roter Blitz“ zwischen Sóller und Palma. Das Tal bei Bunyola ist mit Mandelbäumen übersät. Der mallorquinische Frühling entfaltet hier sein volles Bouquet. Und für zu Hause gibt es schließlich noch den Duft aus dem Flakon.

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