Chinas Raumfahrtmission: Chang'e-5 mit Mondgestein auf dem Weg zur Erde – fast
Nach mehr als 40 Jahren ist es wieder gelungen, Material vom Mond zu holen. Nach der Rückkehr einer chinesischen Sonde erhoffen sich Forscher neue Erkenntnisse.
Der chinesischen Raumfahrt ist am Donnerstagabend ein Kunststück gelungen. Nachdem am Dienstag ein Landemodul der Chang'e-5-Sonde auf dem Mond landen und am Mittwoch Gesteinsproben sammeln konnte, ist es nun offenbar erfolgreich von der Oberfläche abgehoben. Das meldet die chinesische Raumfahrtagentur CNSA.
Damit sind zum ersten Mal seit 1976 Gesteinsproben vom Mond genommen worden. Das Modul hat nach wenigen Minuten Aufstieg seinen Orbit um den Erdtrabanten erreicht und soll dort am Samstag mit der Chang'e-5-Sonde koppeln, um samt Ladung zurück zur Erde zu kommen. Ein besonders schwieriges Manöver.
Was alles schiefgehen kann? Diese Frage begleitet jede Raumfahrtmission. Zu Recht, denn bei Operationen im All ist die Ingenieurskunst besonders gefragt und die Liste gescheiterter Vorhaben lang.
Dies gilt auch für den Mond, wo zuletzt im April 2019 die erste israelische Sonde „Beresheet“ schon beim Landeversuch hart aufschlug. China hingegen hat mehrfach gezeigt, was seine Fachleute können: weiche Landungen, darunter die erste auf der erdabgewandten Seite überhaupt, und auf dem Planeten herumfahrende Rover konnten ebenfalls abgesetzt werden.
Zwei Meter tiefe Bohrung in den Mondboden
Nun ist die chinesische Raumfahrtagentur CNSA im Begriff, einen weiteren Erfolg zu erzielen. Die fünfte „Chang’e“-Mission, benannt nach der chinesischen Mondgöttin, soll erstmals Gesteinsproben vom Erdtrabanten nehmen und zur Erde zurückbringen.
Am Dienstagnachmittag um 16:11 Uhr deutscher Zeit ist die Landung geglückt, die Sonde faltete ihre Solarzellen aus. Anschließend drang ein Bohrer in den Untergrund – geplant waren zwei Meter – und barg Material; weitere Proben wurden von der Oberfläche der Umgebung genommen. Zudem wurde eine Panoramaaufnahme in Farbe erstellt und der Boden mit einem Radar untersucht, um mehr über die Landestelle zu erfahren.
Wenn die Rückkehr zur Erde gelingt, wäre der Triumph perfekt. Rund zwei Kilogramm Gestein sollen es werden. Die bisher letzte Mondprobe hatte die russische Mission „Luna 24“ im Jahr 1976 herbeigeschafft, 170 Gramm. Es war ebenfalls das Werk eines Roboters. Die Nasa hatte auf astronautische Probenehmer gesetzt, die knapp 400 Kilo Mondgestein aufgeklaubt hatten.
Die Steine, die Chang’e 5 einsammelt, sollen zeigen, was China technologisch draufhat. Und doch sind sie mehr als nur ein Souvenir. Die Landestelle befindet sich nahe dem Vulkanmassiv „Mons Rümker“, benannt nach dem deutschen Astronom Carl Rümker, welches wiederum im „Oceanus Procellarum“ liegt, dem „Mondmeer“, das von der Erde aus gesehen oben links auf dem Mond ist.
„Das ist eine sehr interessante Gegend“, sagt Ulrich Köhler, Planetengeologe am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin. Anhand der Dichte von Kratern werde die Region auf ein Alter von rund zwei Milliarden Jahren geschätzt. „Von dort eine Probe zu haben, wäre klasse, denn das jüngste Gestein aus der ,Apollo‘-Ära ist mit 3,1 Milliarden Jahren deutlich älter.“ Die Chang’e- Proben ermöglichen einen Blick in eine jüngere Mondepoche.
Woher hat die Erde ihre Wasser? Das Mondgestein könnte die Antwort geben
Auf den ersten Blick werden sie aussehen wie Basalte, die man hier beispielsweise in der Eifel oder auf dem Ozeanboden findet. Mit genauen Laboranalysen können Wissenschaftler herausfinden, aus welcher Art von Magma sie bestehen und wie viel Wasser der Mond früher einmal hatte. Dies sei ein großer Streitpunkt seiner Zunft, sagt der Planetenforscher. „Es geht um die Frage, woher die Erde und alle weiteren Gesteinsplaneten ihr Wasser haben, ob es später mit Kometen herkam, mit Asteroiden oder vielleicht doch aus der Entstehungszeit des Sonnensystems stammt und in den Himmelskörpern erhalten geblieben ist.“
Die chinesischen Mondproben dürften wichtige Argumente im Forscherstreit liefern. Dies erklärt auch, warum der Roboter zwei Meter tief bohren soll. An der Oberfläche unterliegt das Gestein der Verwitterung durch den Sonnenwind und wird geochemisch verändert, erst in der Tiefe ist ursprüngliches Material zu erwarten. All diese Eckpunkte der Mission zeigen, dass die Chinesen sehr genau überlegt haben, was sie tun und welche Erkenntnisse daraus hervorgehen könnten, sagt Köhler.
Der gelegentlich geäußerten Behauptung, die Chinesen überholten gerade die Amerikaner, widerspricht er allerdings. Die Nasa arbeitet an der Rückkehr von Astronauten. Ob der Zieltermin – oder sollte man besser sagen Wunschtermin von Präsident Trump – 2024 zu schaffen ist, wird vielfach bezweifelt. Dennoch ist eine astronautische Mission etwas anderes als eine robotische, zumal die Nasa ein komplexes Missionsprofil für längere Aufenthalte vorsieht.
„Und sie hat mehrfach gezeigt, dass sie Probenahme im Weltraum kann, man denke nur an die Mission ,Osiris-Rex‘.“ Im Oktober hatte die Sonde während eines Manövers Brocken des Asteroiden „Bennu“ aufgewirbelt und eingesammelt, die 2023 hier eintreffen sollen. „China hat aufgeholt, das kann man sicher sagen, auch eine bemannte Landung auf dem Mond in der Zukunft erscheint realistisch.“
Anders verhalte es sich mit Russland. „Die hat China überholt“, sagt Köhler. „Bei Missionen zu anderen Himmelskörpern ist Russland seit Jahren nichts Großes mehr gelungen.“ Die Probenahme vom Marsmond „Phobos“ scheiterte 2011, weil die Sonde nicht einmal die Bahn für den Hinflug erreicht hatte.
Ob China mehr Glück hat, wird sich zeigen. Das Aufsammeln und Verstauen der Bodenproben ist offenbar gelungen, der Aufstieg in den Mondorbit auch, wo sie am Samstag an den wartenden Orbiter koppeln soll, um gemeinsam zur Erde zu fliegen - nach Plan am 16. Dezember.