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George Turner.
© Mike Wolff

George Turner zum 80. Geburtstag: Bodenständiger Neuerer

Er ist ein prinzipienfester Pragmatiker und glaubt an bürgerliche Tugenden: Berlins ehemaliger Wissenschaftssenator und Tagesspiegel-Kolumnist George Turner. Bis heute beeinflusst er aktuelle Debatten. Heute wird er 80 Jahre alt.

Woran liegt es, dass so mancher im wissenschaftlich-politischen Getriebe relativ bald in Vergessenheit gerät, während andere noch Jahrzehnte nach ihrer Emeritierung oder dem offiziellen Ausscheiden aus dem Amt weiter die aktuellen Debatten beeinflussen und geistig präsent sind? Es erklärt sich aus dem anhaltenden Nachwirken dessen, was sie in ihrer aktiven Zeit bewegten, und der unveränderten Aktualität ihres Denkens. George Turner ist ein gutes Beispiel dafür.

1986 kam er als Senator nach West-Berlin

Eberhard Diepgen holte ihn, den überaus erfolgreichen Präsidenten der Universität Hohenheim und hochgeschätzten Primus der Westdeutschen Rektorenkonferenz (WRK), 1986 nach West-Berlin. Als Senator für Wissenschaft und Forschung wurde er, der Parteilose, vom CDU-Regierenden gebraucht.

Im baden-württembergischen Hohenheim hatte er sich als Neuerer profiliert, eine einstmals als Bauernhochschule apostrophierte Institution in die erste Liga der Universitäten geführt. Dort, und dann als Präsident der WRK, drängte er angesichts der geburtenstarken Jahrgänge, die in die Hochschulen strömten, immer wieder auf eine Durchforstung überfrachteter Studiengänge. Nach drei Jahren sollte der Einstieg in den Beruf mit einem entsprechenden Abschluss möglich sein, wissenschaftliche Profilierung für einen weit kleineren Teil der Studenten später folgen. Mit der Bachelor- und Masterregelung hadert er heute, was ihre Praxis angeht, aber im Kern war es das, was er immer gewollt hatte.

Turner kritisierte die Unis - erfolgreich

In Berlin kritisierte er als Senator den Umgang mit Geld und die Personalpolitik in den Universitätsverwaltungen so erfolgreich, dass selbst eine ihm politisch eher distanziert gegenüberstehende Zeitung wie die „Frankfurter Rundschau“ nach wenigen Monaten 1986 konstatierte: „Dass neuerdings auf korrekte Abläufe geachtet wird, mag sich als ebenso heilsam erweisen wie die unverblümte Art, wie der Senator vermuteten Nachlässigkeiten im Finanzgebahren der Hochschulen nachgeht.“

Da zeigt sich eine ganz typische Prägung Turners, der als Bauernsohn mit der Familie 1944 aus Ostpreußen flüchten musste. Geboren war er 1935 in Insterburg. Das Jurastudium in Göttingen, München und Würzburg, die spätere Spezialisierung auf Bergrecht, die erste Professur 1968, schließlich die Berufung an die Spitze der Hohenheimer Hochschule 1970, das alles wurde ihm nicht in die Wiege gelegt. Turner blieb – und wurde und wird gerade deshalb bis heute gehört – ein bodenständiger, prinzipienfester Pragmatiker. Er glaubt an bürgerliche Tugenden und hängte wohl auch deshalb an das Ende der Berliner Senatorenzeit 1989 eine – unentgeltliche – Gastprofessur an der Humboldt-Universität an. Dort dozierte er, dringend nötig, über das Wirtschaftsrecht der Bundesrepublik. Das Ende der europäischen Teilung machte es ihm möglich, sich für seine alte Heimat in Ostpreußen vielfältig zu engagieren und zu Reisen dorthin einzuladen. Da ging es ihm wie so vielen, die die Chance bekamen, sich ihrer Wurzeln zu besinnen.

Den Lesern dieser Zeitung ist er über seine durchaus angriffig-kritische Kolumne auf der Wissen-Seite, „Turners Thesen“, immer noch vertraut. Die schließt er mit dem Vermerk: „Wer mit dem Autor diskutieren möchte: george.turner@t-online.de“ – und meint und nimmt es ernst. Heute feiert er in Berlin im Kreis von Freunden und Weggefährten seinen 80.Geburtstag.

Gerd Appenzeller

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