Ökologische Lebensmittel: "Bio" ist besser? Nicht unbedingt!
Gesünder? Schonender für die Umwelt? Für Lebensmittel aus ökologischem Anbau gilt das nur bedingt. Auf dem Acker ist Vernunft gefragt, nicht Dogmatismus. Ein Kommentar.
Seit der „Agrarwende“ Anfang des Jahrtausends ist die Förderung der ökologischen Landwirtschaft ein erklärtes Ziel jeder Bundesregierung. Zwar ist der Ausdruck „Agrarwende“ nicht mehr so gebräuchlich wie unter Rot-Grün. Doch immerhin 20 Prozent der Anbaufläche in Deutschland sollen künftig dem staatlich besonders geförderten Öko-Landbau gewidmet sein. So sieht es die Nachhaltigkeitsstrategie der Regierung vor. Momentan sind erst 6,4 Prozent der Anbaufläche „bio“.
Wie der Streit um die Zulassung des Pestizids Glyphosat zeigt, wird heftig um die Zukunft des deutschen Ackers gekämpft. Würde Glyphosat wegen gesundheitlicher Bedenken aus dem Verkehr gezogen, wäre die konventionelle Landwirtschaft erheblich in Misskredit geraten.
Aber was genau sind eigentlich die Vorzüge der Bio-Landwirtschaft im Vergleich zu herkömmlichem Anbau? Bei allen Unterschieden im Detail eint ökologische Agrarbetriebe vor allem, dass sie auf Kunstdünger und künstlich hergestellte Pflanzenschutzmittel (wie Glyphosat) verzichten. Der Verbraucher kauft Bio-Produkte denn auch in erster Linie, weil er sich gesundheitliche Vorteile (keine Chemie!) erhofft.
Inhaltsstoffe von "Bio"-Lebensmitteln gleichen weitgehend herkömmlichen Produkten
Doch just diese vermeintliche Stärke von „bio“ erweist sich bei näherem Hinsehen als wenig stichhaltig. Es gibt keine überzeugenden Hinweise dafür, dass Öko-Lebensmittel tatsächlich bekömmlicher sind. In ihren Inhaltsstoffen unterscheiden sie sich nur unwesentlich von konventionell erzeugten Produkten, wie eine Analyse der Internistin Dena Bravata von der Universität Stanford ergab.
Bio-Erzeugnisse sind in der Regel weniger mit künstlichen Pestiziden belastet, doch dieser Unterschied hat keine praktischen Auswirkungen auf die Gesundheit – die Mengen an Pflanzenschutzmitteln auf Lebensmitteln sind bei Weitem zu gering, um Schäden auszulösen. Auf der anderen Seite finden sich in Öko-Produkten eher Kolibakterien, eine potenzielle Infektionsquelle. Die schwere Lebensmittelvergiftung vom Mai 2011, bei der 53 Menschen ums Leben kamen, geht wahrscheinlich auf Kolibakterien aus Bio-Bockshornkleesamen zurück. Er war aus Ägypten nach Deutschland eingeführt worden: Auch aus der Natur droht Gefahr.
Auf Bio-Äckern werden zwar keine synthetischen, wohl aber als natürlich geltende Pestizide versprüht. Dazu zählen Kupfer, Eisenverbindungen und Schwefel sowie aus Bakterien oder Pflanzen gewonnene Substanzen. Ein Beispiel ist das Insektizid Azadirachtin, das aus den Samen des Niembaums gepresst wird. Es gilt als wenig giftig für Säugetiere (zu denen der Mensch zählt), bezeichnenderweise ist es jedoch toxischer als das derzeit unter Verdacht stehende synthetische Glyphosat. Gift ist Gift, ob natürlich oder künstlich.
Nicht immer ist "Bio" umweltfreundlicher
Wer Bio kauft, hofft auch, etwas für die Natur zu tun. Mit den Vor- und Nachteilen der Öko-Landwirtschaft für die Umwelt befasste sich vor nicht allzu langer Zeit eine Auswertung wissenschaftlicher Studien aus Europa zum Thema, Hauptautorin war Hanna Tuomisto von der Universität Oxford. Tuomisto und ihr Team kamen zu einem ausgewogenen Urteil. „Einige biologische Anbauformen haben geringere Folgen für die Umwelt als konventionelle, andere sind womöglich von Nachteil für die Umwelt“, lautete Tuomistos Urteil. „Die Leute sollten sich klarmachen, dass das Etikett ,bio‘ keine unbedingte Garantie für ein umweltfreundliches Produkt ist.“
Vorzüge der Bio-Landwirtschaft sind die tendenziell größere Artenvielfalt, die geringere ökologische Belastung pro Fläche und der kleinere Energieverbrauch. Allerdings fallen die Erträge im Vergleich zu konventionellem Anbau geringer aus, was zu einem höheren Flächenbedarf und damit zu einer teilweise ungünstigeren ökologischen Bilanz führt. Vorausgesetzt, man nimmt das Produkt, nicht die Fläche als Maßstab.
Die Vielfalt landwirtschaftlicher Praxis lässt sich nicht über einen Kamm scheren, sind Tuomisto und ihr Team überzeugt. Jenseits des simplen Schwarz-Weiß-Schemas von „bio“ versus „konventionell“ geht es darum, jene Praktiken zu kombinieren, die der Umwelt am meisten nutzen. Ein pauschales Urteil verbietet sich also, Pragmatismus sollte vor Dogmatismus gehen. Stellt sich nur die Frage, warum dann 20 Prozent der Landwirtschaft „bio“ sein müssen. 20 Prozent „vernünftig“ wären die bessere Lösung.
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