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Im Tandem für die Unis. SPD und Union streben an, dem Bund zu ermöglichen, sich an der Grundfinanzierung der Hochschulen zu beteiligen.
© Doris Spiekermann-Klaas

Schulen und Unis im Koalitionsvertrag: Bildung im Nebel

Die große Koalition hat in der Verhandlungsnacht viele Fragen offen gelassen. Wie es beim Bafög oder beim Elitewettbewerb weiter geht, ist unklar.

„In Deutschlands Zukunft investieren“ lautet die Überschrift zum Abschnitt Bildung und Forschung im Koalitionsvertrag. Wohin wie viel Geld fließen wird, ist aber erst in sehr groben Umrissen zu erkennen, auch politische Weichenstellungen bleiben vielfach offen. Worauf Union und SPD sich geeinigt haben:

Ganztagsschulen

Die SPD hatte schon vor der Wahl für eine Verfassungsreform gekämpft, die dem Bund Finanzhilfen für die Schulen erlauben sollte, vorausgesetzt, dass diesen Hilfen alle Länder zustimmen. Dann wäre ein großes Ganztagsschulprogramm möglich gewesen, in das die SPD in vier Jahren acht Milliarden Euro vom Bund stecken wollte. Langfristig sollte jedem Schüler ein Ganztagsschulplatz offen stehen. In den Koalitionsverhandlungen hat sich die SPD mit ihrem Herzensanliegen nicht durchgesetzt: Besonders die CSU habe es ausgeschlossen, dem Bund wieder Kompetenzen im Schulwesen zuzugestehen, heißt es aus der SPD. Das Thema gilt damit als beerdigt.

Gleichwohl soll aber Geld vom Bund in Kitas, Schulen und Hochschulen fließen: Mit sechs Milliarden Euro will der Bund die Länder entlasten. Ob diese Entlastung sich nur auf nötige Zuwächse in den Bildungsbudgets bezieht oder in Teilen auch auf bereits im System befindliche Mittel, sei offen geblieben, ist zu hören. Offen ist auch, welcher Teil der Mittel jeweils ins Kitas, Schulen und Unis gehen wird. Für die Schulen kommen Sozialarbeiter in Frage, die die Inklusion unterstützen könnten.

Bafög

Das Bafög wird mit keinem Wort mehr im Koalitionsvertrag erwähnt. Dabei hatten sich die Verhandlungsführerinnen der AG Bildung, Doris Ahnen (SPD) und Johanna Wanka (CDU), bereits auf eine „spürbare“ Erhöhung und eine Anpassung an Bachelor und Master geeinigt. Weil eine Bafög-Erhöhung zuletzt an den Ländern gescheitert war – sie tragen 35 Prozent der Kosten –, hatte die SPD vorgeschlagen, der Bund solle die Erhöhung zu hundert Prozent übernehmen.

Damit konnte sie sich in der Verhandlungsnacht aber nicht durchsetzen. In der Union habe sich die Meinung durchgesetzt, die Länder sollten sich an der – auch von der Union gewünschten – Erhöhung beteiligen. So muss die Bundesregierung aber doch wieder mit den Ländern über das Bafög verhandeln. Und die SPD kann ihre Mitglieder nicht damit erfreuen, dass bedürftige Studierende mehr Geld bekommen.

Exzellenzinitiative, Hochschulpakt, Pakt für Forschung und Innovation

Die drei großen Programme für die Hochschulen und die außeruniversitären Forschungseinrichtungen will der Bund weiterhin finanzieren. Drei Milliarden Euro sollen über vier Jahre dazu bereit stehen. Wie viel wohin fließt, ist wiederum offen – der schon seit 2007 existierende „Hochschulpakt 2020“ für mehr Studienplätze wird aber den größten Teil verschlingen. Möglicherweise tun sich später noch finanzielle Spielräume auf, ist zu hören. Dann könne im Hochschulpakt zusätzlich ein „Absolventenbonus“ gezahlt werden, der in neue Plätze im Master fließen könne. Dauerhaft wird der Pakt aber nicht etabliert, wie die SPD sich gewünscht hatte. Weil es keine Steuererhöhungen gibt, fehlt dafür das Geld.

Was von den drei Milliarden Euro auf die außeruniversitären Einrichtungen entfällt, ist offen. Die Union hat das Ziel, den Außeruniversitären wie in den vergangenen Jahren über den Pakt für Forschung und Innovation eine fünfprozentige Erhöhung der Etats zu gewähren. Drei Prozent erscheinen aber wahrscheinlicher, das würde 300 bis 400 Millionen Euro jährlich entsprechen. Die Koalitionäre haben sich darauf geeinigt, dass der Bund allein diese Erhöhung finanziert, um die Länder zu entlasten. Die von der SPD gewünschte Kopplung der Mittelzuwächse der Außeruniversitären an Zuwächse der Grundfinanzierung der Hochschulen wird es nicht geben. Die CSU soll dies als Eingriff in Ländersachen abgelehnt haben.

Wie die Bundesregierung mit der Exzellenzinitiative umgehen will, ist ungewiss. Im Jahr 2017 laufen die Mittel aus. Fest steht nur, dass auch die Unis, die erst im letzten Durchlauf gesiegt haben, die Chance auf eine weitere Runde bekommen sollen, etwa die Humboldt-Universität. Die Koalitionäre streben eine Verfassungsänderung an, die dem Bund den Einstieg in die Grundfinanzierung der Hochschulen erlauben soll. Stimmen die Länder dem zu, gäbe es viele neue Möglichkeiten. Der Bund könnte bestimmte Hochschulen dauerhaft fördern, etwa für ihre Profilierung beim Thema Lehre, – auch eine handvoll „Elite“-Unis könnten dauerhaft unterstützt werden.

Das Deutschlandstipendium bleibt - und die digitale Bildung liegt der Koalition am Herzen

Deutschlandstipendium

Die unabhängig vom Einkommen der Eltern vergebenen Stipendien waren ein Prestigeprojekt der ehemaligen Bildungsministerin Annette Schavan (CDU). Die SPD wollte das Programm ganz abschaffen. Bis zum Schluss der Koalitionsverhandlungen gehörte es zu den umstrittenen Vorhaben. Jetzt bleibt es doch erhalten – allerdings mit einer Zielmarke, die deutlich unter der einst von der Union angestrebten Quote liegt. Ursprünglich sollten acht Prozent der Studierenden das Stipendium bekommen. Jetzt ist im Koalitionsvertrag nur noch ein Ziel von zwei Prozent festgeschrieben. Nach den bisherigen Erfahrungen dürfte auch das schwer zu erreichen sein. Im Jahr 2012 erhielten nur 0,5 Prozent der Studierenden ein Deutschlandstipendium. Weil sich zu wenige dafür interessierten, musste das Ministerium die Hälfte der Mittel verfallen lassen und mehrere Werbeagenturen mit seiner Vermarktung beauftragen.

Open Access

In welchem Umfang dürfen Schulen und Hochschulen Unterrichtsmaterial kostenfrei ins Internet stellen, so dass Schüler und Studierende problemlos darauf zugreifen können? Bei dieser Frage geraten Bildungseinrichtungen und Verlage immer wieder aneinander, ein Grund dafür ist das schwammig formulierte Urheberrecht (siehe auch Artikel unten). Die Koalition will die Position von Schulen und Hochschulen stärken und ein „bildungs- und forschungsfreundliches Urheberrecht“ auf den Weg bringen. Schulbücher und Lehrmaterial für Hochschulen sollen so weit es geht „frei zugänglich“ sein. Überhaupt liegt der Koalition die digitale Bildung am Herzen. So will sie die Länder dazu bewegen, „Eliteschulen“ mit dem Schwerpunkt Informatik einzurichten. Zudem strebt sie „ausreichende Master-Studienplätze im Bereich IT“ an. Über die Zahl von Masterplätzen in allen anderen Fächern wird im Koalitionsvertrag dagegen nichts gesagt.

Gleichstellung

Das Professorinnen-Programm will die Koalition fortsetzen. Bei neuen Förderinstrumenten für die Wissenschaft sollen die Einhaltung von Gleichstellungsstandards und die Festlegung konkreter Ziele für Frauen in Führungspositionen verankert werden. Die Koalition fordert die Festlegung von Zielquoten über das Kaskadenmodell ein: Danach orientiert sich der angestrebte Anteil von Frauen auf einer Ebene an ihrem Anteil auf der vorangehenden Qualifikationsstufe.

Forschungsfelder

Die Geistes- und Sozialwissenschaften sollen ausgebaut werden, unter anderem durch die Erweiterung der Förderung für die „Kleinen Fächer“. In den Natur- und Technikwissenschaften wird ein Strauß an Themen genannt, die weiter gefördert werden sollen: etwa Gesundheit, Energie und Klima, Bioökonomie, IT-Sicherheit, Rohstoffe, Mobilität. Im Bereich Nuklearforschung soll die Endlagerforschung verstärkt werden.

Die Friedens- und Konfliktforschung, für die noch in der Vorfassung des Koalitionsvertrags „spürbar“ mehr Mittel vorgesehen waren, kommt im gültigen Vertrag dagegen nicht mehr vor.

Regionale Verbünde

Hier sieht sich die SPD als Siegerin: Regionale Verbünde sollen gestärkt werden. Von dem „Spitzenclusterwettbewerb“ der letzten Regierung hat vor allem der wirtschaftsstarke Süden und Südwesten Deutschlands profitiert. Fortan sollen auch kleinere Unternehmen von Kooperationen mit Hochschulen profitieren.

Reaktionen

Horst Hippler, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, hätte sich „verbindlichere Aussagen gewünscht“, wie es in einer Mitteilung heißt. Vor allem die Beteiligung des Bundes an der Grundfinanzierung der Hochschulen dürfe nicht nur Versprechen bleiben. Er forderte einen Aufwuchs von mindestens einem Prozent jährlich. Die Koalitionäre müssten dafür „schnellstmöglich“ das Grundgesetz ändern. In den Augen der GEW „verzichten Union und SPD weitgehend auf eine gestaltende Rolle des Bundes in der Bildungspolitik“. Das Thema Bildungsfinanzierung bleibe „eine Baustelle“, „inhaltliche Projekte“ fehlten.

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