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Hoch erfreut. Die Vereinbarungen zur Teilfusion von Charité und MDC präsentierten Bundesforschungsministerin Annette Schavan und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit.
© dpa

Gesundheitsforschung: BIG in Berlin - der Bund steigt groß ein

Die Forschungs-Fusion von Charité und Max-Delbrück-Centrum ist perfekt. Doch Berlins Eliteuniversitäten bekommen weniger als erwartet. Ministerin Schavan konnte ursprüngliche Auflagen an das Land Berlin nicht durchsetzen.

Die Berliner Charité und das Max-Delbrück-Centrum (MDC) werden zusammengeschmiedet, der Bund steigt in die Finanzierung der Berliner Unimedizin ein. Nach einjährigen Verhandlungen haben sich der Bund und Berlin geeinigt, die Forschung der beiden Einrichtungen im „Berliner Institut für Gesundheitsforschung“ (BIG) zusammenzuführen. „Das ist ein bedeutender Tag für den Wissenschaftsstandort Berlin“, sagte Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU), als sie am Dienstag mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) das Vorhaben vorstellte. Schavan sprach von einer „Pionierarbeit“ für das deutsche Wissenschaftssystem. Wowereit sagte: „Wir schaffen die Voraussetzungen, dass Berlin als Gesundheitsstandort in die internationale Spitze aufsteigt.“

Große Erwartungen. Berlin soll mit dem BIG zu einem weltweit führenden Gesundheitsstandort aufsteigen. Im Bild eine Ärztekonferenz an der Charité.
Große Erwartungen. Berlin soll mit dem BIG zu einem weltweit führenden Gesundheitsstandort aufsteigen. Im Bild eine Ärztekonferenz an der Charité.
© Kitty Kleist-Heinrich

Bis 2018 wollen Bund und Berlin 311,7 Millionen Euro für das neue Institut ausgeben. 90 Prozent kommen vom Bund. Dazu stiftet die Unternehmerin Johanna Quandt 40 Millionen Euro für die Anwerbung von Spitzenforschern. „So viele Ressourcen hat sonst kein Gesundheitsstandort in Deutschland“, sagte Wowereit. Das Geld fließt zusätzlich zu den bisherigen Zuschüssen für Charité und MDC, deren Mittel auf dem Stand von 2012 eingefroren werden. Derzeit bekommt die Charité von Berlin knapp 184 Millionen Euro im Jahr. Das hauptsächlich vom Bund finanzierte MDC erhält 71 Millionen Euro.

Verbunden werden im „BIG“ zwei Schwergewichte der Medizinforschung. Die Charité zählt mit 13 000 Mitarbeitern zu den größten Universitätskliniken Europas. Am MDC in Berlin-Buch betreiben 841 Wissenschaftler und Doktoranden biomedizinische Grundlagenforschung. In dem neuen Institut sollen Erkenntnisse aus der Molekularbiologe schneller in neue Therapien umgesetzt werden. Charité und MDC bleiben daneben als eigenständige Einrichtungen erhalten.

Bereits im kommenden Jahr wird die neue Einrichtung ihre Arbeit aufnehmen. Dann fließt mit 15 Millionen Euro auch die erste Tranche vom Bund. 2018 zahlt der Bund schließlich 70 Millionen Euro, Berlin 7,8 Millionen Euro. Schavan sieht in dem Betrag von 2018 auch „die fortlaufende Rate“ für die Jahre darauf. Wowereit begann dagegen sogleich um mehr Bundesgeld für die Zeit danach zu feilschen. Es gebe „keine Obergrenze“: „Wir erwarten Diskussionen.“

Ein Knackpunkt bei den Verhandlungen war, inwieweit Berlin sich verpflichtet, die Bundeshilfe nicht einfach in seinem eigenen Haushalt einzusparen. Schavan wollte das Land dazu bringen, die frei werdenden Mittel für seine Universitäten auszugeben. Sie wollte das Geld aus der 2017 auslaufenden Exzellenzinitiative „dauerhaft“ machen, wie sie damals sagte. Bis dahin bekommen die Berliner Unis in der Exzellenzinitiative von Bund und Land 311 Millionen Euro, also gut 60 Millionen Euro pro Jahr.

Doch auf einen so hohen Betrag konnte Schavan Berlin jetzt nicht verpflichten. Wowereit versprach lediglich, den 25-prozentigen Landesanteil der Exzellenzmittel zu verstetigen, was rund 17 Millionen Euro im Jahr entspricht. Er betrachte die Bundesmitttel für den Charité-MDC-Deal dennoch „nicht als Entlastung unseres Haushaltes“, sagte Wowereit.

HU-Präsident Olbertz: Die 25 Prozent von Land sind "ein verlässlicher Grundstock"

Obwohl hohe Erwartungen enttäuscht werden, sieht FU-Präsident Peter-André Alt in dem Geld „einen warmen Regen“. Er hofft, dass das Land seine Zusagen für die Unis vielleicht erhöht, weil nun nennenswerte Mittel von der Stifterin Quandt fließen. Die Fusion sei „ein großer Wurf“, sagt der Präsident der Humboldt-Universität, Jan-Hendrik Olbertz. Die Zusagen des Landes reichten zwar nicht aus, um die Spitzenforschung an den Unis auf Dauer zu finanzieren. „Aber die 25 Prozent sind ein sehr wichtiger verlässlicher Grundstock.“ Hinter den Kulissen ist zu hören, dass bereits um andere Wege gerungen wird, wie die Bundesmittel den deutschen Unis nach dem Ende des Elitewettbewerbs 2017 erhalten bleiben. So sei denkbar, dass mehr Geld über neue Programme der Deutschen Forschungsgemeinschaft verteilt wird.

Schavan sieht in der Teilfusion ein Modellprojekt für die gesamte Republik: Der Bund steigt mit seinem Geld an ein paar ausgewählten universitären Einrichtungen mit nationaler Bedeutung dauerhaft ein. Schavan stößt dabei allerdings an die Grenzen der Verfassung, die dem Bund keine dauerhafte Förderung von Hochschulen erlaubt, so dass Umwege nötig sind. Am Dienstag warb Schavan noch einmal für eine Verfassungsänderung: „Sonst können wir solche Modelle wie in Berlin kaum dauerhaft machen.“ Sie kündigte gleichwohl an, an „anderen Standorten in Deutschland“ ähnliche Einrichtungen aufbauen zu wollen.

Skeptiker befürchten vor allem eine „Helmholtzifizierung“ der Wissenschaft, die das gesamte System aus der Balance bringt. Nicht zufällig führt Schavan die Charité mit dem MDC zusammen: Das MDC ist ein Helmholtz-Institut, das darum zu 90 Prozent vom Bund finanziert wird: Nur das Sitzland muss gefragt werden, ob es die Fusion möchte. Die Max-Planck-Gesellschaft und die Leibniz-Gemeinschaft sind viel stärker von Ländergeld abhängig, sind also als Partnerinnen schon deshalb weniger attraktiv.

Gerade erst hat die Helmholtz-Gemeinschaft ihren Führungsanspruch in der Wissenschaft selbstbewusst geltend gemacht – zum Kummer der anderen außeruniversitären Organisationen. In den sechs „Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung“, in denen Helmholtz-Zentren mit Uni-Klinika kooperieren, fühlen sich Uni-Mediziner untergebuttert. Die Finanzierungs- und Entscheidungswege begünstigen Helmholtz, erklärten Verbände der Uni-Mediziner.

Die Berliner Uni-Präsidenten sind also gewarnt. „Ich hätte mir die Vereinbarungen etwas konkreter gewünscht“, sagt FU-Präsident Alt. Allerdings werde sich manches erst noch zeigen. Die beiden Uni-Präsidenten zögen jedenfalls gemeinsam an einem Strang. Die Verabschiedung des Errichtungsgesetzes für das „BIG“ durch das Berliner Abgeordnetenhaus ist erst für 2014 geplant. Klar ist bisher, dass ein vierköpfiger Vorstand „BIG“ leiten wird. Neben drei Vertretern von Charité und MDC wird noch ein neuer Vorstandsvorsitzender gesucht. Das Institut wird auch einen Aufsichtsrat und einen wissenschaftlichen Beirat haben.

Eingefädelt hat das Vorhaben der ehemalige Berliner Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD). Es ist auch wahrscheinlich, dass Zöllner seinen Kontakt zur schwerreichen Charité-Stifterin Johanna Quandt nutzte, um sie für das Projekt zu interessieren. Zöllner ist seit April Vorstand der „Charité-Stiftung“, die die 86-jährige Johanna Quandt 2005 gründete. Quandt zählt als Anteilseignerin von BMW zu den reichsten Frauen Deutschlands. Der Charité fühlt sie sich als Enkelin des Arztes Max Rubner verbunden, der 1891 den dortigen Lehrstuhl für Hygiene von Robert Koch übernahm. Den Grundstein für das Vermögen der Quandts legte der Unternehmer Günther Quandt, der Vater von Johanna Quandts Mann Herbert. Über die tiefe Verstrickung von Günther Quandt und seinen Söhnen in die Verbrechen des Nationalsozialismus erfuhren viele Deutsche erst durch die Fernseh-Dokumentation „Das Schweigen der Quandts“ (2007). Der Familie wurde vorgeworfen, sich nicht um die Aufarbeitung ihrer Vergangenheit bemüht zu haben.

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