Zehn Jahre Philologische Bibliothek: Bibliothek mit Zukunft
Seit zehn Jahren nutzen Studierende und Wissenschaftler das "Berlin Brain" von Star-Architekt Lord Norman Foster. Inzwischen ist es ein Wahrzeichen der Universität.
Am Tag der Jubiläumsfeier schallen Reden durch die gewöhnlich ruhigen Räume. Doch als der Berliner Künstler Axel Malik mit seiner Performance beginnt, ist es in der Bibliothek wieder wie immer: Es herrscht absolute Stille. Das schweigende Publikum guckt dem Künstler dabei zu, wie er Kringel, Kurven und Linien zeichnet, die über einen Beamer an die Wand geworfen werden. Zeichen reiht sich an Zeichen. „Mir geht es um den Akt des Schreibens selbst“, sagt Malik im Anschluss. Er wirft die Frage auf, wie sich seine skripturale Methode von gewöhnlichem „Krickelkrakel“, vom „Kritzeln“, unterscheide. „Diese Zeichen halten es aus, dass man sie nicht wegwirft. Jedes ist unterschiedlich“, sagt er. „Das empfinde ich als überwältigend.“
Noch bis Mitte Februar sind auf allen Etagen des Gebäudes zahlreiche Installationen Maliks zu sehen. Hinweisschilder, Wand- und Regalflächen hat der Künstler mit seinen unlesbaren Zeichen versehen. Bibliotheksdirektor Klaus Ulrich Werner ist begeistert. „Maliks Kunst kann als Impuls für einen Diskurs zwischen Kunst und Wissenschaft dienen.“ In seiner Rede sprach Werner von der „Renaissance der Bibliothek als Raum“. Der Wissensspeicher sei ein sozialer Treffpunkt und habe außerdem eine ganz besondere Aura, die auch im digitalen Zeitalter funktioniere.
Auch der Präsident der Freien Universität Berlin, Professor Peter-André Alt, betonte den sozialen Stellenwert der Bibliothek. „Ich habe meine Frau damals in der Germanistischen Bibliothek kennengelernt“, erzählt er. In den zehn Jahren seit seiner Eröffnung sei das Gebäude vor allem auch wegen der Architektur zu einem Erkennungszeichen der Freien Universität geworden. Doch auch auf das undichte Dach der Bibliothek kam der Präsident zu sprechen. „Bei Goethe heißt es, an einem Gebäude sei zu beachten, dass es vollkommen ausgeführt sei.“ Dieses sei hier noch nicht der Fall. „Wir müssen dafür sorgen, dass das Haus ein festes Dach hat.“ Der Schaden am Dach ist nicht der Architektur geschuldet, sondern der baulichen Ausführung. Verantwortlich für die Beseitigung der Mängel ist der Bauherr des Gebäudes, das Land Berlin.
Der Clou ist die doppelschalige Gebäudehülle
Entworfen wurde die Philologische Bibliothek von Star-Architekt Lord Norman Foster, der zuvor schon Projekte wie die Kuppel des Reichstagsgebäudes geplant hatte. Die Historie der Bibliothek reicht bis in die 1990er Jahre zurück: 1997 entschied das Architektur-Büro „Foster und Partner“ den Wettbewerb für sich. Der heutige Bau unterscheidet sich vom damaligen Entwurf und kam erst durch eine Überarbeitung von Fosters Büro zustande.
Das Gebäude sollte ursprünglich auf einem Parkplatz neben der sogenannten J-Straße entstehen. Man entschied sich aber, anderthalb Gebäudekreuze aus der Rostlaube herauszunehmen und die Bibliothek inmitten der Gitterstruktur des 70er-Jahre-Baus zu errichten und mit diesem zu verbinden. Noch während der Bauphase, die 2001 begann, entstand ein Spitzname für die Kuppel: „The Berlin Brain“. Der architektonische Clou der Philologischen Bibliothekt ist die doppelschalige Gebäudehülle: Das äußere Gitterwerk besteht aus Aluminium- und Glaspaneelen, die „Innenhaut“ aus weißen Stoffbahnen. Belüftung, Wärme, Sonnenschutz – all das kann über die Steuerung der Paneelen geregelt werden. Drei Viertel des Jahres nutzt die Bibliothek so ihr natürliches Klima und muss nicht beheizt werden.
Auf den knapp 6300 Quadratmetern Nutzfläche ist Platz für bis zu 800 000 Bücher und mehr als 600 Arbeitsplätze. Im Durchschnitt nutzen täglich mehr als 2000 Besucher die Bibliothek. Elf philologische Teilbibliotheken, die zuvor über den Campus verstreut waren, fanden im Kuppelbau ein neues Zuhause.
Anlässlich des Jubiläums findet das gesamte Wintersemester über eine Ringvorlesung mit dem Titel „Schreiben als Ereignis, Künste und Kulturen der Schrift“ in der Philologischen Bibliothek statt. Thematisch befasst sich das Programm mit der Neuorganisation von Schrift und Kommunikation im digitalen Wandel.
Peter Schraeder