Kleine Fächer: Berliner Unis sparen sich die indische Kunst
Nach der Indischen Philologie wird nun auch die Südasiatische Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin endgültig abgewickelt. Auch die Humboldt-Uni führt die historisch ausgerichteten Fächer nicht weiter.
Viel wurde in den vergangenen Jahren von den bedrohten Orchideenfächern gesprochen, einiges für sie getan. Doch das Sterben der Kleinen Fächer an den Universitäten geht weiter. An der Freien Universität Berlin (FU) wird derzeit die Südasiatische Kunstgeschichte abgewickelt. Bereits seit dem Wintersemester 2010/11 ist keine Immatrikulation zum ersten Semester im Bachelor oder Master mehr möglich, zum Jahreswechsel sollen in Dahlem die Lichter ausgehen.
„Der Entschluss ist absolut unverständlich“, sagt Dietrich Mahlo, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für indo-asiatische Kunst. Der Berliner Verein unterstützt die indische Abteilung im Museum für Asiatische Kunst bei Ankäufen und gibt eine jährlich erscheinende Fachzeitschrift heraus. Berlin sei neben Bonn der letzte Standort in Deutschland gewesen, an dem man die Kunstgeschichte Südasiens studieren konnte, sagt Mahlo. Geografisch umfasst das ein Gebiet von Afghanistan im Norden bis nach Indien und den Malediven im Süden. Für Berlin ist der Wegfall besonders schmerzhaft. Der Berliner Lehrstuhl für Indologie geht auf Wilhelm von Humboldt zurück. Tradition hat auch die Kooperation mit den südasiatischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin, die FU bildete jahrzehntelang den wissenschaftlichen Nachwuchs aus.
Berlin verfügt mit 25 000 Objekten über einen der bedeutendsten Bestände südasiatischer Kunst in Deutschland. Auch in der Staatsbibliothek werden kostbare indische Handschriften aus Palmblatt, Papier und Birkenrinde verwahrt. „Die Studenten der FU konnten direkt am Objekt studieren“, sagt Martina Stoye, Kuratorin am Museum für Asiatische Kunst. Noch sind alle Stellen in den Staatlichen Museen besetzt. Doch bald könnte Nachwuchs fehlen.
„Überall im Ausland schüttelt man den Kopf, dass die Indologie hierzulande nahezu verschwindet“, sagt Ingo Strauch, einst wissenschaftlicher Mitarbeiter am FU-Institut für Sprachen und Kulturen Südasiens, heute Professor an der Universität Lausanne und Sprecher der Sektion Indologie und Südasienkunde in der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. „Und das bei einer Disziplin, die nahezu 1,2 Milliarden Menschen repräsentiert.“
FU und HU sollten Doppelangebote abbauen
Hintergrund der Abwicklung der Südasiatischen Kunstgeschichte ist der Sparzwang, den der Senat den Berliner Universitäten nach der Jahrtausendwende auferlegte. Anhand von Strukturplänen mussten sie doppelte Studiengänge abbauen. Betroffen war davon auch die Indologie der FU, zu der neben der südasiatischen Kunstgeschichte auch die indischen Philologie gehört. Sie beschäftigt sich mit der Kultur und Sprache auf Grundlagen historischer Schriften, lehrt Hindi, Sanskrit, Pali und andere mittelindische Sprachen und Dialekte. Das Fach sollte eigentlich an der Humboldt-Universität angesiedelt werden. Stattdessen entstanden dort aber am Seminar für Südasien-Studien ein Bachelor- und ein Masterstudiengang, die sich mit der modernen Gesellschaft und Geschichte südasiatischer Länder beschäftigen.
Präsident Alt: "Schmerzhafte Reduktion"
An der FU wurde die historisch ausgerichtete Philologie unterdessen ersatzlos gestrichen. Die auf Südasien spezialisierten Kunsthistoriker gliederte man 2005 ans Institut für Kunstgeschichte an. Doch durch den Wegfall der indischen Philologie war der Kunstgeschichte eine wichtige Grundlage entzogen. „Ohne Sprachkenntnisse ergibt das Quellenstudium ja keinen Sinn“, sagt Ingo Strauch. Gregor Stemmrich, Geschäftsführender Direktor des Kunsthistorischen Instituts, spricht von einer „langen Verkettung unglücklicher Umstände“. FU-Präsident Peter-André Alt erklärt, er bedauere „diese schmerzhafte Reduktion im Profil der Universität außerordentlich“. Aber die finanzielle Ausstattung der FU lasse es nicht zu, „gegen die Festlegungen des geltenden Strukturplans neue Professuren zu schaffen“.
Nicht nur für Berlin, für die Wissenschaftslandschaft allgemein sei das Aus für das Fach ein großer Verlust, sagt Museums-Kuratorin Martina Stoye. In der indo-asiatischen Kunstgeschichte sei viel Material unbearbeitet, noch nicht genügend publiziert. „Ich sehe eine große Gefahr darin, dass die Forschung verflacht, der humanistische Horizont ausgerechnet im Zeitalter der Globalisierung bedenklich schrumpft“, sagt Stoye.
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