Corona-Lernrückstände von Kindern: Bei Hilfen für Schulen sind andere Länder uns weit voraus
Länder wie die USA und Großbritannien haben riesige Bildungsprogramme gegen Corona-Lernrückstände aufgelegt. Deutschland kann daraus einiges lernen. Ein Gastbeitrag.
Ekkehard Thümler ist Senior Fellow am CSI - Centre for Social Investment der Universität Heidelberg.
Ein Jahr mit vielen Schulschließungen hat zu großen Lernrückständen gerade bei ohnehin benachteiligten Kindern und Jugendlichen geführt, da sind sich alle Beobachter einig. Deshalb beraten Bund und Länder über einen Aktionsplan, um die entstandenen Lücken wieder ausgleichen zu können. Im Gespräch ist ein Budget von einer Milliarde Euro, dabei ist jedoch noch nicht klar, welche Maßnahmen genau damit finanziert werden sollen.
In dieser Situation könnte ein Blick ins Ausland helfen, denn dort gibt es bereits große Programme und es liegen teilweise auch schon Erfahrungen mit ihrer Umsetzung vor.
Die USA stellen 22 Milliarden Euro gegen Lernverluste zur Verfügung
Die USA etwa haben mit dem gerade verabschiedeten American Rescue Plan Act ein Paket von beeindruckendem Umfang geschnürt. Für den gesamten Bildungsbereich werden umgerechnet 142 Milliarden Euro bereitgestellt, alleine für gezielte Maßnahmen gegen Corona-Lernverluste sind 22 Milliarden Euro vorgesehen. Die Details der Umsetzung sind dabei recht offen gehalten, vorgesehen sind Sommerschulen und Tutoring-Programme, aber auch verlängerte Schultage bzw. Schuljahre wären möglich.
Auch die Niederlande haben inzwischen ein Nationales Bildungsprogramm aufgelegt, das mit einem Budget von 8,5 Milliarden Euro ebenfalls großzügig ausgestattet ist. Es richtet sich wie in den USA an den gesamten Bildungsbereich von der Vorschule über die Grundschulen und weiterführenden Schulen bis zur wissenschaftlichen Ausbildung.
In den Niederlanden erhalten weiterführende Schulen Millionen
Zur Durchführung von Fördermaßnahmen erhält jede der rund 6.600 Grundschulen des Landes im kommenden Schuljahr einen Betrag von durchschnittlich 180.000 Euro. Die 650 weiterführenden Schulen werden mit jeweils rund 1,3 Millionen Euro unterstützt; Schulen mit vielen benachteiligten Schülerinnen und Schülern erhalten anteilig mehr Geld.
Im Rahmen des Programms wird eine wissenschaftlich fundierte Auswahl wirksamer Unterstützungsmaßnahmen entwickelt. Aus diesem Repertoire können die Schulen dann diejenigen Angebote auswählen, die ihrer Situation und ihrem Bedarf am besten entsprechen. Außerdem können die Schulen zusätzliches Personal wie Fachlehrkräfte und Lehrassistentinnen einstellen. Sie sollen den Druck auf die regulären Lehrkräfte verringern und ihnen helfen, sich besser auf den regulären Unterricht konzentrieren zu können.
Am weitesten fortgeschritten ist Großbritannien
Am weitesten fortgeschritten ist Großbritannien. Hier wurde bereits im Juni letzten Jahres ein „Corona-catch up“-Programm mit einem Budget von umgerechnet zwei Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Dabei erhalten alle Schulen zusätzliche Mittel, mit denen sie die Auswirkungen der Schulschließungen kompensieren können.
Der bemerkenswerteste Bestandteil des Pakets ist das mit rund 410 Millionen Euro ausgestattete National Tutoring Programme (NTP). Schulen, die unter besonders schwierigen Bedingungen arbeiten, können schon seit November 2020 die Unterstützung von Organisationen in Anspruch nehmen, die wissenschaftlich fundierte und positiv evaluierte Tutoring-Programme für die individuelle Förderung außerhalb des regulären Unterrichts anbieten. Die Träger beschäftigen inzwischen rund 20.000 ausgebildete Tutorinnen und Tutoren an 5000 Schulen im ganzen Land.
Unterstützung über Jahre hinweg
Kevin Collins, der Beauftragte der Regierung für die Ausgleichsprogramme, geht inzwischen jedoch davon aus, dass den am stärksten von der Krise betroffenen Kindern nicht mit kurzfristigen Maßnahmen geholfen ist. Sie werden noch über Jahre hinweg zusätzliche Unterstützung benötigen. Deshalb soll auch das NTP im kommenden Schuljahr fortgesetzt werden und weiter wachsen, um bis zu 500.000 Schülerinnen und Schüler zu erreichen.
Die genannten Programme unterscheiden sich also nicht grundlegend von den Vorhaben, die in Deutschland derzeit im Gespräch sind, wenngleich die Budgets teils deutlich höher ausfallen. Der Umfang des Niederländischen Programms etwa entspräche umgerechnet auf die Bevölkerungszahl einem Budget von 40 Milliarden Euro in Deutschland.
Doch es gibt auch eine Reihe wichtiger Unterschiede. So liegen in den drei genannten Ländern bereits Erkenntnisse zum Lernstand der Kinder vor, an die alle Maßnahmen anknüpfen sollen. Zudem wird die Bedeutung wissenschaftlich fundierter, nachweislich wirksamer Programme betont. Bemerkenswert ist außerdem, dass die Unterstützung sich nicht auf rein schulische Maßnahmen beschränkt, sondern auch soziale Bedarfe berücksichtigt.
Die USA wollen auch Kinderarmut bekämpfen
So sind in den USA etwa hohe zusätzliche Mittel zur Bekämpfung von Kinderarmut vorgesehen. Und schließlich fällt auf, dass in allen drei Ländern auch die großen Chancen für die künftige Entwicklung der Schulen betont werden, die sich aus der Durchführung der Maßnahmen ergeben.
Wenn Deutschland also etwas von den drei Ländern lernen kann, dann dies: Es kommt weniger darauf an, mit wieviel Geld das kommende Unterstützungspaket ausgestattet ist.
Nicht nur ein Strohfeuer entzünden
Wichtiger ist es, das Programm so klug zu gestalten, dass es tatsächlich wirkt und nicht nur Strohfeuer entzündet, sondern auch langfristig einen echten Unterschied für Kinder und Jugendliche und ihre Schulen macht.
Ein Unterstützungsfonds sollte daher so ausgelegt sein, dass er kurzfristig besonders wirksame Maßnahmen mit einer längerfristigen Perspektive kombiniert. Bestenfalls könnte er dann dabei helfen, Probleme zu lösen, von denen die Schulen schon lange vor Corona betroffen waren.
Ekkehard Thümler
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