Herz-Kreislauf-Krankheiten: Bei der Herzgesundheit liegt Berlin vorn
Berlin hat bundesweit niedrigste Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Krankheiten - das zeigt der neue Deutsche Herzbericht.
„Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt.“ Trifft die Behauptung des Philosophen Blaise Pascal auch ganz wörtlich auf die Pumpe zu, die wir alle in unserer Brust tragen? Schaut man auf den Deutschen Herzbericht 2016, dann kann man auf diesen Gedanken kommen. Denn in dieser wie jedes Jahr von der Deutschen Herzstiftung in Zusammenarbeit mit ärztlichen Fachgesellschaften zusammengestellten Datensammlung wimmelt es von Fakten, die paradox erscheinen. Zumindest auf den ersten Blick.
So sterben inzwischen deutlich weniger Patienten an der größten Gruppe von Herzkrankheiten, nämlich akuten Herzinfarkten und chronischen Verengungen der Herzkranzgefäße, die auf Durchblutungsstörungen zurückzuführen sind. Auch die Zahl der Krankenhausaufnahmen wegen dieser Leiden ist seit der Jahrtausendwende rückläufig. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass viele Kranke heute ambulant behandelt werden können, die früher ins Krankenhaus mussten, und dass beim Infarkt das Rettungssystem flott und gut funktioniert.
Dass die Sterblichkeit an Herzinfarkten innerhalb der letzten 25 Jahre um 44 Prozent zurückgegangen ist, führen die Kardiologen neben besserer Erkennung (Diagnostik) auf Techniken zur Wiedereröffnung verschlossener Blutgefäße wie das Aufdehnen verschlossener Gefäße mit Ballonkatheter zurück. Deutschland steht hier weltweit mit an der Spitze.
Im Osten ist die Sterblichkeit höher - Ausnahme: Berlin
Das „Schlaraffenland“ der Herzmedizin sei Deutschland damit aber längst noch nicht, sagte Thomas Meinertz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. „Was die Verhinderung von Todesfällen durch Herzinfarkt betrifft, sind Länder wie Frankreich besser.“ Ein europäischer Ländervergleich, dessen Ergebnisse 2016 im Fachblatt „European Heart Journal“ erschienen, lege nahe, das in unserem westlichen Nachbarland Maßnahmen zur Vorbeugung effektiver sind.
Vergleicht man innerhalb Deutschlands die Bundesländer, so ist die Sterblichkeit nach wie vor im Osten höher, eine Spitzenstellung nimmt Sachsen-Anhalt ein. Allerdings zeigt sich ein positiver Trend. Die niedrigste Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Krankheiten hatte Berlin.
Erstaunlich auch die Fakten zum Vergleich der Geschlechter. Männer haben nach wie vor häufiger verkalkte Gefäße (Arteriosklerose) als Frauen und kommen öfter deswegen ins Krankenhaus. Wenn eine solche Diagnose bei ihnen gestellt wird, sind zudem die Aussichten für sie ungünstiger. Dabei sollte man meinen, dass männliche Patienten besser behandelt werden. Denn bei Frauen werden seltener Untersuchungen und Behandlungen mit dem Herzkatheter gemacht, sie bekommen weniger Gefäßstützen (Stents) eingesetzt oder Bypässe gelegt. Was daran liegen mag, dass sie in jungen Jahren weniger infarktgefährdet sind. Zwei Drittel der 219 217 Infarktpatienten des Jahres 2015 waren Männer.
Herzrhythmuserkrankungen nehmen zu
Mit dem Alter verringert sich allerdings der Abstand. Betrachtet man alle Herzkrankheiten zusammen, dann ändert sich das Bild ohnehin. „Insgesamt sterben zehnmal so viele Frauen an Erkrankungen von Herz und Gefäßen wie an Brustkrebs", sagte Hugo Katus, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, bei der Vorstellung des Berichts. Selbst bei Frauen unter 60 sei der Unterschied noch deutlich. Leiden Frauen an einer Herzschwäche, an Herzrhythmusstörungen und an Erkrankungen der Herzklappen, dann sterben sie daran, anders als beim Infarkt, auch häufiger als die Männer. „Diese Sterblichkeitsunterschiede bestehen seit Jahren, sie stehen im Kontrast zur stationären Erkrankungshäufigkeit, die bei Männern deutlich höher ist, und sie sollten Anlass für genauere Untersuchungen sein, um Engpässe in der medizinischen Versorgung von Herzpatientinnen auszuschließen“, stellte Meinertz fest.
Dass Herzschwäche und Herzrhythmuserkrankungen zunehmen, wenn in einer Gesellschaft die Menschen älter werden, ist grundsätzlich nicht erstaunlich. Wenn auch Krankheiten der Herzklappen zugenommen haben, so hat das aber noch einen weiteren Grund. Sie werden heute eher wahrgenommen und tauchen häufiger als Diagnose auf, weil sie auch bei Hochbetagten per Katheter behandelt werden können. Für die Akut-Versorgung bei Verdacht auf Infarkt gibt es 246 Behandlungszentren. Paradox: Die meisten dieser „Chest Pain Units“ sind ausgerechnet in den Regionen entstanden, die ohnehin schon gut versorgt waren.
Infos zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhalten Betroffene bei der Deutschen Herzstiftung, Tel. 069 955128-400 oder unter www.herzstiftung.de Der Herzbericht 2016 kann kostenfrei angefordert werden unter www.herzstiftung.de/herzbericht