Kosmische Kollision: Bedrohung aus dem All
Astronomen überwachen erdnahe Asteroiden, um mögliche Kollisionskandidaten rechtzeitig zu erfassen. Doch die Vorwarnzeit könnte unter Umständen nur Wochen betragen.
Am 6. Oktober 2008 stieß der amerikanische Astronom Richard Kowalski bei seinen Beobachtungen auf ein unbekanntes, sich rasch bewegendes Objekt mit Kollisionskurs auf die Erde. Rasche Messungen und Berechnungen zeigten: Der Himmelskörper würde bereits 20 Stunden später über dem Sudan niedergehen. Es war das erste Mal, dass der Einschlag eines Asteroiden korrekt vorhergesagt wurde. Zum Glück war der Brocken nur etwa drei Meter groß. Er zerbrach noch in der Luft und verstreute Hunderte von Bruchstücken über die dünn besiedelte Region.
Schäden richtete der kosmische Gesteinshagel nicht an – aber nicht immer geht es so glimpflich ab. 1908 explodierte ein rund 50 Meter großer Asteroid über den bewaldeten Ebenen nahe dem Fluss Steinige Tunguska in Sibirien. Über Hunderte von Kilometern hinweg war der Donner zu hören. In einem Gebiet von über 2000 Quadratkilometern wurden Bäume entwurzelt oder wie Streichhölzer umgeknickt. Unterhalb des Explosionsherdes wütete ein Waldbrand. Wäre der Tunguska-Asteroid über einer Großstadt niedergegangen, hätte es eine Katastrophe gegeben.
Solche Einschläge sind keine Seltenheit: Objekte mit einer Größe von fünf bis zehn Metern treffen etwa einmal pro Jahr auf die Erde. Und alle zwei- bis dreitausend Jahre kommt es zu einer mit dem Tunguska-Ereignis vergleichbaren Katastrophe. Denn das Weltall rund um die Erde ist nicht leer. Zwar ziehen die meisten Asteroiden ihre Bahnen zwischen Mars und Jupiter. Doch enge Begegnungen, Zusammenstöße und auch der Schwerkrafteinfluss von Jupiter sorgen dafür, dass immer wieder Asteroiden in das innere Sonnensystem hinein geworfen werden.
Erdnahe Objekte (Near Earth Objects, kurz NEOs), nennen Forscher alle Himmelskörper, die der Bahn der Erde nahekommen. Mit Beobachtungsprojekten versuchen Astronomen, NEOs aufzuspüren und ihre Bahnen zu bestimmen, um eine möglichst große Vorwarnzeit bei drohenden Kollisionen zu haben. Federführend bei der Suche ist die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa, die vom Kongress den Auftrag erhalten hat, alle NEOs zu erfassen, die größer als ein Kilometer sind. Der Einschlag eines solchen Asteroiden hätte globale Konsequenzen. Die Nasa-Forscher schätzen, dass sie 90 Prozent der großen NEOs erfasst haben, rund 900 an der Zahl.
„Bei Objekten der Tunguska-Größe sieht es erheblich schlechter aus“, sagt Detlef Koschny, der das NEO-Programm der europäischen Raumfahrtorganisation Esa leitet. „Wir schätzen, dass wir erst ein Prozent aller Körper kennen, die größer als 50 Meter sind, vermutlich gibt es Millionen davon.“ Um diese gravierende Lücke zu schließen, hat die Esa ein zur Nasa-Suche komplementäres Programm gestartet. Es soll alle Objekte, die größer als der Tunguska-Asteroid sind, mindestens drei Wochen vor ihrer Begegnung mit der Erde aufspüren. Das bedeutet: Drei Wochen Vorwarnzeit für eine Katastrophe, die die Fläche einer Großstadt verwüsten könnte.
Noch steckt das Programm in der Planungsphase. Eine Reihe rund um den Globus stationierter Teleskope mit einem Spiegeldurchmesser von einem Meter und einem großen Gesichtsfeld – etwa dem 200-Fachen der vom Vollmond bedeckten Fläche – sind nötig. „Mit vier solchen Fernrohren kann man den ganzen Nachthimmel einmal pro Nacht abscannen“, sagt Koschny.
Automatisch nehmen die Teleskope jede Himmelsregion im Abstand von mehreren Minuten mindestens dreimal auf. Die meisten Objekte auf diesen Aufnahmen sind Sterne und Galaxien. Sie stehen bei allen Aufnahmen an exakt der gleichen Stelle. Asteroiden jedoch bewegen sich schnell vor diesem Sternenhintergrund, befinden sich also von Aufnahme zu Aufnahme an verschiedenen Stellen. Aus der Verschiebung können die Astronomen eine vorläufige Bahn berechnen. Damit sind genauere Messungen möglich, die zur Bestimmung einer genauen Bahn und zu Vorhersagen über etwaige Begegnungen mit der Erde führen.
Absolute Sicherheit können die Überwachungsprogramme der Nasa und der Esa nicht bieten. Denn manche NEOs ziehen ihre Bahn vollständig innerhalb des Erdorbits. Sie sind von der Erde aus nur schwer zu beobachten, da sie sich stets in der Nähe der Sonne aufhalten. Diese „Inner Earth Objects“ ließen sich nur mit einem Weltraumteleskop vollständig erfassen, das weit innerhalb der Erdbahn die Sonne umkreist. Konkrete Pläne für eine solche Mission gibt es bislang nicht.
Ein weitere Gefahr sind Kometen, die völlig unvorhersehbar auftauchen und bis in das innere Sonnensystem eindringen können. Zwar werden solche Schweifsterne meist schon in weiter Ferne entdeckt, Monate bevor sie die Erdbahn kreuzen. Doch wenn ein Komet tatsächlich auf Kollisionskurs mit der Erde wäre, würde selbst diese Vorwarnzeit nichts nützen. Kometen sind mehrere Kilometer große „schmutzige Schneebälle“, Konglomerate aus Wassereis, gefrorenen Gasen, Staub und Gesteinsbrocken.
Was ein solcher Himmelskörper anrichten kann, zeigte 1994 der Absturz des zerfallenen Kometen Shoemaker-Levy 9 auf dem Jupiter. Die 21, zwischen 50 Meter und einem Kilometer großen Fragmente des Kometen setzten eine Energie frei, die 50 Millionen Hiroshima-Bomben entspricht. Sie hinterließen über Monate hinweg sichtbare Gasblasen in der Atmosphäre des Planeten, jede für sich so groß wie die ganze Erde. Träfe ein solcher Komet die Erde, wäre das wohl das Ende der menschlichen Zivilisation, ähnlich wie vor 65 Millionen Jahren der Einschlag eines großen Asteroiden die Ära der Dinosaurier beendete.
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