Gesundheitsstandort Berlin-Buch: Bauen fürs Leben
Die Sogwirkung des Wissenschaftscampus Buch ist groß – die Berlin Strategie 2030 prognostiziert ihm eine rosige Zukunft.
Wer arbeitet, soll auch ein Dach über dem Kopf haben. So plump könnte man das beschreiben, was derzeit auf dem Campus Buch passiert. Es wird gebaut. Berlins Stadtplaner kann das nur freuen. Schließlich wird im Stadtentwicklungskonzept Berlin 2030 Buch als „Musterbeispiel für eine gelungene Entwicklung eines Wirtschafts-, Forschungs- und Wohnstandortes von überregionaler Bedeutung“ gepriesen. Man muss kein ausgewiesener Optimist sein, um an die Berlin Strategie zu glauben; zumindest wenn man sich auf dem Medizin- und Forschungscampus umschaut. Auf der einen Seite der Maximalversorger HELIOS Klinikum Berlin-Buch, die Rheumaklinik, die Lungenklinik und die Akademie für Gesundheit; und auf der anderen dann die Forschungslandschaft mit dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), der Charité, dem Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) und mehr als 50 Unternehmen im BiotechPark.
Das Berliner Institut für Gesundheitsforschung, englisch kurz BIH, ist derzeit der umtriebigste Bauherr auf dem Forschungscampus. Das Eliteprojekt von Charité und MDC hat im Frühjahr mit den ersten großen Forschungsprojekten begonnen. Jetzt braucht das BIH gleich mehrere Dächer über dem Kopf und investiert dafür rund 28,5 Millionen Euro. Neue Labore, Biobank, Forschungshaus und Rechenzentrum sind im Entstehen und geben der Zukunft sprichwörtlich ein Zuhause. Hinzu kommt der Umbau der ehemaligen Robert-Rössle-Klinik.
Mehr als schicke Neubauten und hippe Technologien
Unter demselben Dach, wo das Experimental and Clinical Research Center (ECRC) heute seine Hochschulambulanzen betreibt, werden bis 2017 Hochtechnologien wie die OMICS-Plattformen stehen, mit denen in kürzester Zeit ganze Genome entschlüsselt und Proteine sowie Stoffwechselprodukte auf molekularer Basis untersucht werden können. Unabhängig davon bauen die Charité und das MDC für insgesamt 66 Millionen Euro zwei miteinander verbundene Forschungshäuser. 2017 soll der Neubaukomplex fertig sein.
Am Bucher Campus versteht man unter Zukunft allerdings sehr viel mehr als „nur“ schicke Neubauten, hippe Technologien oder die wachsende Zahl an Wissenschaftlern. Gemeint sind auch gänzlich neue Forschungsansätze. „Entscheidende Fortschritte in der Medizin sind nur möglich, wenn über fachliche Grenzen hinweg geforscht wird“, sagt BIH-Vorstand Professor Ernst Theodor Rietschel und erklärt, dass viele Erkrankungen auf ähnlichen pathologischen Mechanismen basieren, auch wenn sie ganz verschieden sind.
Der Campus als Zentrum europäischer Wirkstoffforschung
„Darum verfolgen wir den ganzheitlichen Ansatz der Systemmedizin und forschen krankheitsübergreifend“, betont Rietschel. Mithilfe sehr aufwendiger Analysen von Patientenproben versuchen die Wissenschaftler die molekularen Zusammenhänge menschlichen Lebens zu entschlüsseln, um dann noch präziser in Krankheitsprozesse eingreifen zu können. Greifbar nahe ist zum Beispiel eine neue T-Zell-Therapie bei Krebs. Die Gruppe des Immunologen Thomas Blankenstein hatte in präklinischen Studien so überzeugende Erfolge erzielt, dass der neue Ansatz nun in eine klinische Studie übergeht. Translation heißt dieser Vorgang und ist letztlich das, was der Campus Buch besonders gut kann.
„Ich glaube, wir können mit Fug und Recht behaupten, dass wir hier in Buch eine einzigartige patientenorientierte Grundlagenforschung betreiben“, beschreibt MDC- Interimsvorstand Professor Thomas Sommer die enge Verzahnung von Klinik und Wissenschaft. Und auch FMP-Direktor Professor Volker Haucke lobt die Nachbarschaft zur angewandten Forschung als „äußerst fruchtbar“.
Gut möglich, dass auch das FMP demnächst wieder in Baumaßnahmen investiert. Das Institut, das die Grundlagen des Lebens erforscht, um neue Wirkstoffe zu finden, wird voraussichtlich die Leitung des Projekts EU-Openscreen übernehmen. 19 Millionen Euro hat der Bund dafür in Aussicht gestellt. „Wenn alles gut geht, wird der Campus das Zentrum europäischer Wirkstoffforschung werden“, hofft Haucke. Das Geld des Bundes gebe den Raum zur Expansion.
„Buch ist eine attraktive Gesundheitsstadt im Grünen“
Platz für Expansion ist da. 32 Hektar ist allein der Forschungscampus groß. Aus Sicht der Betreibergesellschaft BBB Management bietet er „herausragendes Innovations- und Wachstumspotenzial“. Doch erst die Kombination aus Wissenschaft, Natur und Wohnraum macht Buch zu einem „place to be“, wie es in der Berlin Strategie heißt. „Buch hat sich dank der positiven Dynamik des Medizin- und Forschungscampus und zusätzlicher Investitionen in den Immobilienbereich zu einem attraktiven Ort für Leben und Arbeiten entwickelt“, sagt Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung Jens-Holger Kirchner. Hochwertiger Wohnraum sei entstanden, gut 2000 weitere Wohnungen würden noch gebaut, jede Menge Infrastrukturprojekte seien angestoßen, etwa die Sanierung von Kitas und Schulen.
Ulrich Scheller und das BBB-Team hören das natürlich gern. Sie unternehmen einiges dafür, damit Buch nicht nur ein attraktiver Wissenschaftsstandort ist, sondern dass man dort auch hervorragend leben kann. „Sagen wir es so“, sagt Scheller, „der Forschungs- und der Gesundheitscampus sind Selbstläufer, aber dass Buch auch enorm viel Lebensqualität bietet, das wissen noch nicht alle.“ Zum Beweis zählt er gleich ein paar örtliche Attraktionen auf: das edle Ludwig-Hoffmann-Quartier, den Naturpark Barnim, den Radweg nach Usedom.
„Buch ist eine attraktive Gesundheitsstadt im Grünen“, fasst Scheller zusammen, wohl wissend, dass es auch noch ein paar Baustellen im übertragenen Sinne gibt. Viele finden es zum Beispiel überhaupt nicht sexy, dass es nach 22 Uhr keine Busverbindung mehr zum Campus gibt. Doch auch hierzu kann Scheller etwas auf den Tisch legen. Ein nachhaltiges Mobilitätskonzept. Es heißt Berlin-Buch 2020.
Beatrice Hamberger
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