Astrobiologie: Auf der Suche nach Leben
Dirk Schulze-Makuch ist sich sicher, dass es auf dem Mars mindestens Mikroben gibt. Die will er finden. Unterstützt durch eine Millionenförderung der EU entwickelt er nun ein Experiment, das endlich den Beweis liefern soll.
An grüne Männchen glaubt er nicht, an Bakterien aber schon. Dirk Schulze-Makuch ist überzeugt davon, dass es auf dem Mars primitives Leben gibt. Nur beweisen kann er es nicht. Noch nicht. Allerdings sind seine Chancen für einen Nachweis sprunghaft gestiegen, seit er im September einen ERC-Grant, eine Förderung durch den Europäischen Forschungsrat, zugesprochen bekam. Vom nächsten August an bekommt der Astrobiologe 2,5 Millionen Euro, um die Lebensfreundlichkeit des roten Planeten zu erforschen. Am Ende, so hofft Schulze-Makuch, haben er und sein Team eine kleine Box gebaut, die mit einer zukünftigen Marsmission zu unserem Nachbarplaneten gebracht wird – und dort biologische Aktivität nachweist.
Doch selbst wenn alles nach Plan verläuft, wird es noch lange dauern, bis sein Lebensexperiment beginnen kann. Die straffen Budgets in der Raumfahrt, die nur alle paar Jahre eine Mitfluggelegenheit zum Mars ermöglichen, sind im Moment das geringere Problem für ihn. Seit August ist der gebürtige Gießener, nach fast zehn Jahren an der Washington State University in Pullman, als Gastprofessor an der Technischen Universität Berlin.
Platz für eine Arbeitsgruppe und ein Labor, die er aufbauen will, gibt es bisher nicht. Er selbst ist in einem kleinen Büro untergekommen, in dem noch Regale mit vergilbten Ordnern seiner Vorgänger und ein Schreibtisch voller Krimskrams stehen. Der Forscher nimmt es mit Humor: „Da kann ich mich gleich daran gewöhnen, mit möglichst wenig Papier auszukommen.“ Er müsse ohnehin viel reisen. In die USA, wo er noch Doktoranden und Masterstudenten betreut, zu Konferenzen in den verschiedensten Ländern, und auch nach Adlershof zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Dort hat Jean-Pierre Paul de Vera eine raffinierte Experimentiermöglichkeit konstruiert.
Es ist eine kürbisgroße Edelstahlkugel im Keller des Instituts, genannt „Mars Simulation Chamber“. Darin herrscht eine Atmosphäre, die in Zusammensetzung, Luftdruck und Temperatur den Bedingungen auf unserem Nachbarplaneten ähnelt. Alle zwölf Stunden wird etwas Feuchtigkeit eingeblasen, das soll Mars-Tau sein. Selbst der Marsboden ist durch ein spezielles Mineralgemisch nachempfunden worden. Können in dieser Kammer Mikroorganismen überleben? Das wollen die Forscher herausfinden. So lange sie noch keine echten Marsmikroben haben, testen sie Lebewesen aus den trocken-kalten Tälern der Antarktis und der Atacamawüste – den Orten auf der Erde, die zumindest ein bisschen marsähnlich sind. Tatsächlich konnte de Veras Team zeigen, dass einige polare Flechten während eines einmonatigen Tests nicht nur überlebten, sondern aktiv Photosynthese betrieben.
"Leben ist wie ein Parasit"
Solche Resultate beflügeln Schulze-Makuch. „Früher vor rund vier Milliarden Jahren waren die Umweltbedingungen auf dem Mars wesentlich besser“, sagt er. Da muss es doch Leben gegeben haben, ist er überzeugt. „Die Frage ist eher, ob es dort entstanden ist oder mit einem Meteoriten von der Erde kam, so wie auch der Ursprung irdischen Lebens unsere Erde selbst oder ein Meteorit vom Mars sein könnte.“ Dass einfache Lebensformen eine interplanetare Reise auf einem Gesteinsbrocken überstehen, darauf deuten mehrere Untersuchungen hin, sagt er.
Bleibt noch zu klären, wie die marsianische Lebewelt sich bis heute halten konnte. „Leben auf einem Planeten ist wie ein Parasit“, sagt der Astrobiologe. „Es wird nicht völlig verschwinden, sondern Nischen finden, in denen es weiter existieren kann.“ Und diese Nischen wiederum will Schulze-Makuch finden.
Ein wesentliches Kriterium ist das Vorhandensein von Flüssigkeit, als Nähr- und Transportmedium. Auf dem Wüstenplaneten Mars ist es naheliegend, nach Spuren von Wasser zu suchen. Dabei kommt dem Deutsch-Amerikaner immer wieder sein erster Beruf zugute. Er ist Hydrogeologe und erforschte als Assistenzprofessor an der Universität El Paso unter anderem heiße Quellen im Wüstenstaat Texas, bevor er sich der Suche nach außerirdischem Leben zuwandte.
Nun sitzt Schulze-Makuch in Berlin und überlegt, wie er Leben auf dem Mars nachweisen könnte. Es wäre freilich nicht der erste Test. Bereits die Viking-Missionen der Nasa in den siebziger Jahren haben Marsboden daraufhin untersucht, erfolglos. „Das konnte nicht gelingen, man kannte damals den Planeten kaum und hat sich zu sehr auf Lebensformen konzentriert, die denen auf der Erde ähneln“, sagt der Forscher. Aber der Mars ist anders, wie die Wissenschaftler mittlerweile herausgefunden haben: ein eisiger Wüstenplanet. Das „Wir-schütten-Wasser-drauf-und-sehen-ob-sich-was-regt“ -Experiment musste scheitern, sagt Schulze-Makuch. Die an Trockenheit angepassten Mikroben, sofern es sie überhaupt gibt, waren durch das viele Wasser überfordert. „Das ist so, als würden Aliens auf der Erde nach Leben suchen und einen Menschen in einen großen Wasserbottich werfen. Natürlich kann dieser ohne die Flüssigkeit nicht leben, aber er würde doch bald ertrinken.“
Langfristig müsse der Mensch den Mars besiedeln, fordert der Forscher
Darum will der Wissenschaftler ein Experiment entwickeln, das die vermuteten Mars-Bakterien gedeihen lässt und nicht gleich umbringt. Als Lebensnachweis könnten Aminosäuren dienen, die ein Roboter den Kreaturen anbietet. Werden bestimmte Typen dieser Aminosäuren bevorzugt verbraucht, wäre das ein Hinweis auf biologische Aktivität. „Wir haben aber noch andere Ideen, die wir vorantreiben wollen“, sagt Schulze-Makuch. Bei allen würde es sich um robotische Verfahren handeln, wobei er vor einiger Zeit ernsthaft eine One-Way-Mission für Marsforscher vorgeschlagen hat.
Ob er selbst fliegen würde, um den Lebensbeweis zu führen? Schulze-Makuch überlegt kurz. Seine Familie wäre sicher nicht begeistert, meint er. Und zählt mit Verve Argumente für einen solchen Flug auf, als müsse er schon heute mit der Überzeugungsarbeit beginnen.
Langfristig komme die Menschheit ohnehin nicht am Mars vorbei, glaubt er. „Wenn man sich erfolgreiche Spezies ansieht, dann ist ihre Strategie vor allem Kolonialisierung.“ Nur wer neue Lebensräume erschließt, kommt durch. Das sollte Homo sapiens berücksichtigen, meint der Astrobiologe. „Asteroidentreffer, Supervulkan-Eruptionen, Gammastrahlenausbrüche – das Leben auf der Erde kann schnell ungemütlich werden.“
Dirk Schulze-Makuch ist auch Autor mehrerer populärwissenschaftlicher Bücher wie „A One Way Mission to Mars: Colonizing the Red Planet“ und “Megacatastrophes! Nine Strange Ways the World Could End“. Kürzlich erschien eine überarbeitete Auflage von „Alien Encounter – A Scientific Novel“ (Springer Verlag 2013, 21 Euro 39). In diesem Science-Fiction-Roman, der in der Mitte des 21. Jahrhunderts spielt, entdecken Astronauten auf verschiedenen Himmelskörpern unseres Sonnensystems Leben. Natürlich kommt es zur Konfrontation zwischen Erdenmenschen und Aliens. Alles weitere steht im Buch, das einen zusätzlichen Teil mit wissenschaftlichen Erläuterungen zu Details der Story enthält.
Ralf Nestler
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