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Einer passt immer. Das sichergestellte "Handwerkszeug" eines Serieneinbrechers.
© Christoph Weber

Rechtsmedizin: Auf der Spur der Spuren

Die Ausstellung „Hieb § Stich“ im Medizinhistorischen Museum der Berliner Charité führt hinter die Kulissen der Rechtsmedizin.

Im Grunde sind Ärzte immer auch Fahnder. Sozusagen Sherlock Holmes und Dr. Watson in einer Person. „Medizin ist ein großes Spurensuchen und -auffinden“, sagte Thomas Schnalke, Direktor des Berliner Medizinhistorischen Museums der Universitätsklinik Charité. Im Normalfall lösen Ärzte mit ihrer Diagnostik die Rätsel des Lebens, das durch Krankheiten aus der Bahn geworfen wird.

Rechtsmediziner haben es dagegen immer wieder mit rätselhaften Todesfällen oder Verletzungen und der Frage nach ihren Ursachen zu tun. Dass ihre Tätigkeit auch auf friedliche Zeitgenossen enorme Faszination ausübt, belegen die Einschaltquoten für den „Tatort“ und andere TV-Krimis. Im Jahr 2009 bewies es auch eine Ausstellung im Medizinhistorischen Museum, die innerhalb von sechs Monaten mehr als 100 000 Besucher anlockte („Vom Tatort ins Labor. Rechtsmediziner decken auf“, so der Titel).

Die Ausstellung, die heute dort eröffnet wird, ist keinesfalls deren Neuaufguss. „Hieb § Stich. Dem Verbrechen auf der Spur“ konzentriert sich ganz auf das faszinierende Feld der Spurensuche. „Wir möchten ein realistisches, wissenschaftlich fundiertes Bild davon geben und mit Irrtümern aufräumen“, sagte Rechtsmediziner Michael Tsokos gestern bei einem Rundgang vor der offiziellen Eröffnung. Für die Ausstellung hat das Museum mit dem Institut für Rechtsmedizin der Charité und dem Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin kooperiert.

Ein 3-D-Scanner sichert den "Außentatort"

Ganz realistisch wirkt bereits die erste Inszenierung: Ein Wohnzimmer mit umgestürztem Stuhl, Blutspuren an Wand und Boden und Folien, die die Kriminalpolizei schon angebracht hat: der „Innentatort“. Man habe hier bewusst auf die Inszenierung einer Leiche verzichtet, sagte Navena Widulin, Kuratorin der Ausstellung. Der „Außentatort“ ist ein Stück Brandenburger Wald, wo ein Messer und ebenfalls Blutspuren zu entdecken sind – vom LKA mit dem 3-D-Scanner gesichert. Man würde nicht zögern, diesen Einstieg als äußerst lebendig zu bezeichnen, würde das angesichts des Mordfalls nicht makaber klingen.

Auch die Nachbauten von Tatorten im Puppenstubenformat, die „Bäbistuben“, Leihgaben aus dem Institut für Rechtsmedizin der Uni Zürich, wirken lebensecht. Sie zeigen zudem, dass nicht immer ein Verbrechen geschehen ist, wenn Rechtsmediziner hinzugezogen werden. Die Tote kann auch eine Frau sein, die vor Wochen schon im Wald erfroren ist. Die Besucher werden auch mit 20 echten Fällen aus Deutschland konfrontiert. Einige seien noch ungelöst, berichtet Schnalke. Vielleicht führt der Spürsinn der Besucher die Aufklärung weiter?

Die Techniken, mit denen Rechtsmediziner und Kriminalisten solche Fälle heute lösen, sind Gegenstand des zweiten Teils der Ausstellung. Hier erfährt man, dass und warum die inzwischen hochspezialisierten Spürhunde bei der Fahndung helfen, welche Rolle dabei moderne GPS-Systeme spielen und dass in den 80er Jahren auch ein besonders geruchssensibles Wildschwein namens „Luise“ als Fahnderin eingesetzt wurde.

Postmortale Computertomografie lässt kleinste Verletzungen erkennen

Was für die Tiere ein nicht zuletzt durch die Belohnungen attraktives Spiel ist, wird für Rechtsmediziner bitterer Ernst. Ein Fall des Kriminalbiologen Mark Benecke, der im Rahmen der noch bis Januar 2018 laufenden Ausstellung ebenso wie Michael Tsokos eine Abendveranstaltung bestreiten wird, verdeutlicht, welche Rolle Insekten bei der Bestimmung des Todeszeitpunkts spielen.

Mit der postmortalen Computertomografie wiederum kann man mittlerweile nicht allein Knochenverletzungen und Munition im Körper eines Verstorbenen, sondern (bei einer Darstellung der Gefäße) auch kleinste Verletzungen von Blutgefäßen erkennen. Ein Riesen-Fortschritt, das bemerkt auch der Laie. Sie gucke den „Tatort“ mit anderen Augen, seit sie sich mit der Rechtsmedizin beschäftige, sagte die Ausstellungs-Kuratorin Widulin.

Die Ausstellung „Hieb § Stich. Dem Verbrechen auf der Spur“ ist noch bis zum 14. Januar 2018 täglich außer montags im Medizinhistorischen Museum der Charité (Charitéplatz 1, 10117) Berlin zu sehen. Empfohlen für Besucher ab 16 Jahren.

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