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Glänzende Aussichten. Die Republik Korea spielt mittlerweile eine Schlüsselrolle in Ostasien. Vor allem die mondäne Hauptstadt Seoul strahlt mit ihrer Infrastruktur auf die Region aus.
© SeanPavonePhoto/Fotolia

Koreas Aufstieg: Auf dem Höhenflug

Umgeben von Großmächten hat sich Südkorea vom zerstörten Agrarstaat zu einer modernen Industrienation gemausert.

Zu Recht steht seit geraumer Zeit Ostasien im Fokus der Aufmerksamkeit von Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Dabei wird aber oft die politische und wirtschaftliche Erfolgsgeschichte der Republik Korea übersehen. Zu Unrecht! In prekärer geostrategischer Lage und trotz konstanter militärischer Bedrohung ist es dem Land im Süden der koreanischen Halbinsel gelungen, innerhalb von weniger als 50 Jahren eine erfolgreiche Transformation von einem bettelarmen, kriegszerstörten Entwicklungsland zu einer hochmodernen Industrienation, von einer brutalen Militärdiktatur zu einem demokratischen Verfassungsstaat zu durchlaufen.

Seit der Verfassungsgebung im Jahr 1987 zeugen die regelmäßigen Präsidentschafts-, Parlaments- und (seit 1995) Kommunalwahlen, die Garantie der Grund- und Menschenrechte, die Unterstellung der Streitkräfte unter eine zivile politische Leitung, die Etablierung des Verfassungsgerichts als unabhängige Kraft, und die Entstehung einer vitalen Zivilgesellschaft von dem nachhaltigen demokratischen Konsolidierungsprozess.

Ökonomisch nimmt das 50 Millionen Einwohner zählende Land den 15. Platz unter den größten Wirtschaftsnationen der Welt ein. Das Einkommensniveau entspricht kaufkraftbereinigt in etwa dem EU-Durchschnitt. Im Ranking des Human Development Index befand sich Südkorea 2012 auf Rang zwölf. Das Land verfügt über ausgewiesene industrielle Wettbewerbsstärken (IT, Kraftfahrzeuge, Stahlerzeugung, Anlagen- und Schiffsbau), über ein Arbeitskräftepotential mit der weltweit höchsten tertiären Ausbildungsquote und über eine physische und technische Infrastruktur, die zu den modernsten der Welt zählt. Kein OECD-Industrieland wendete 2012 mit 4,3 Prozent einen so hohen Anteil am Bruttoinlandsprodukt für Forschung und Entwicklung auf wie Korea. Bei den PISA-Tests nehmen koreanische Schüler regelmäßig in den Kategorien Mathematik, Lesen und Problemlösungskompetenz die vorderen Plätze ein.

„Garnele zwischen Walen“

Zum Teil zumindest erklärt sich die Unterwahrnehmung Südkoreas aus dem Fakt, dass das Land in seiner Heimatregion Nordostasien vergleichsweise klein ist und eine wesentlich geringere Bevölkerungsgröße und Wirtschaftskraft aufweist als seine großen asiatischen Nachbarn Japan, China und Russland. Die koreanische Eigenperzeption als „Garnele zwischen Walen“ entspricht damit den tatsächlichen Kräfteverhältnissen: Südkorea ist eine Mittelmacht umgeben von Großmächten.

Bedrohlich sind für Südkorea aber nicht die Beziehungen zu den genannten Großmächten, sondern das Verhältnis zu der nördlich angrenzenden Demokratischen Volksrepublik Korea. Zwar schweigen seit dem Waffenstillstandsabkommen von Panmunjon vom 27. Juli 1953 die Gewehre, formal befinden sich aber Südkorea, die USA und Nordkorea noch immer im Kriegszustand und die machtpolitischen und ideologischen Gegensätze bestehen unvermindert fort.

Eine persönliche Kontaktaufnahme mit Menschen im anderen Landesteil ist unter Strafandrohung sowohl den Nord- als auch den Südkoreanern bis heute untersagt. Der nordkoreanischen Bevölkerung sind bis heute Informationen über den südlichen Landesteil nur propagandistisch stark verzerrt oder aus Hörensagen zugänglich. Während beide koreanische Staaten den Alleinvertretungsanspruch über die gesamte Halbinsel erheben, weist die grenzziehende Demarkationslinie am 38. Breitengrad die weltweit größte Streitkräftekonzentration auf. Bedrohlich sind aus südkoreanischer Sicht wohl weniger die konventionellen und nuklearen Erstschlagpotentiale als vielmehr die unberechenbare Natur des totalitären Regimes im Norden.

Nordkoreanische Bedrohung

Das in der Verfassung der Republik Korea festgeschriebene Gebot der Wiedervereinigung ist das langfristige Ziel der südkoreanischen Außen- und Sicherheitspolitik. Da eine solche Wiedervereinigung derzeit jedoch kaum realistisch erscheint und wegen der unabsehbaren Lasten im Grunde nicht erwünscht ist, verfolgt Südkorea im innerkoreanischen Verhältnis eine Strategie der militärischen Deeskalation, der humanitären Erleichterungen, der wirtschaftlichen Annäherung und der politischen Vertrauensbildung.

Problematisch ist allerdings die mangelnde politische Kontinuität. Regelmäßig markieren Präsidentschaftswechsel strategische Neuorientierungen in der südkoreanischen „Nordpolitik“. Die militärische Allianz mit den USA bildet nach wie vor die strategische Grundlage der Außen- und Sicherheitspolitik. Sie verankert die USA auf der koreanischen Halbinsel, ist die entscheidende Abschreckung gegen nordkoreanische Bedrohungen und verleiht Südkorea politisches Gewicht auch in der Region.

Die Vergangenheit hat allerdings gezeigt, dass sich das Verhältnis zu Amerika auch einmal eintrüben kann, da Bedrohungsszenarien und strategische Ziele nicht immer deckungsgleich sind. Das Fundament der südkoreanisch- amerikanischen Beziehungen ist aber längst nicht mehr der Sicherheitsvertrag, sondern die engen bilateralen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bindungen.

Der neue internationale Player

Außerhalb der Heimatregion spielt Südkorea zunehmend eine international sichtbare Rolle. Beispielsweise sind die Ausrichtung des G20-Gipfels (2010), des Internationalen Gipfels zur Nuklearen Sicherheit (2012) und der Internationalen Cyberspace Konferenz (2013) Ausweis des gewonnenen Status Südkoreas und der Attraktivität Seouls als Standort internationaler Konferenzen.

In so unterschiedlichen Politikfeldern wie Sicherheit, Handel, Entwicklung, regionale Integration, Klima und Umwelt hat Südkorea aktiv politische Initiativen ergriffen.

Das Land beteiligt sich regelmäßig an friedenserhaltenden Maßnahmen der Vereinten Nationen (UN), derzeit in Afghanistan, am Horn von Afrika und im Libanon. Militärische Auslandseinsätze haben Tradition. Bereits in Vietnam (1964-73) und im Irak (2003-08) hatten südkoreanische Truppen gekämpft. Neu ist der Begründungszusammenhang: Nicht mehr das Abtragen von „Schulden“ aufgrund der internationalen Unterstützung im Koreakrieg steht im Mittelpunkt, sondern das außenwirtschaftliche Interesse an globaler Sicherheit und das Streben, durch effektive Eigenbeiträge als verantwortlicher und kompetenter Sicherheitsakteur wahrgenommen zu werden.

In der Handelspolitik hat Südkorea, die immerhin fünftgrößte Handelsnation weltweit, Freihandelsabkommen unter anderem mit der EU, den USA, ASEAN, Indien, Australien und jüngst Kanada vereinbart und sich eine Reputation als liberaler, freihändlerisch orientierter Akteur erarbeitet, wenngleich das Land auf der multilateralen Ebene eher zurückhaltend agiert.

Korea will Mittler und Brückenbauer in Ostasien sein

Im Ausschuss für Entwicklungshilfe (DAC) der OECD ist Südkorea seit 2009 Mitglied. Das frühere Entwicklungshilfenehmerland versprach, die eigenen Entwicklungshilfeausgaben bis 2015 auf einen 0,25-Prozent-Anteil am Bruttoinlandsprodukt auszubauen und die eigenen Erfahrungen bei der Demokratisierung und Industrialisierung in die internationale Diskussion einzubringen. Der Beitrag Südkoreas mag noch bescheiden sein, er trifft aber auf eine Geber-Community, in der Leistungen weltweit zurückgefahren werden.

In allen wichtigen asiatischen Kooperationsmechanismen wie der Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC), dem East Asia Summit (EAS), dem ASEAN Regional Forum (ARF) und der Chiang Mai Währungskooperation ist Südkorea ein maßgebliches Mitglied. Im regionalen Kontext propagiert Südkorea seine Identität als Mittler und Brückenbauer zwischen Entwicklungs- und Industrieländern, zwischen Nordost- und Südostasien und versucht im ostasiatischen Regionalismus mit eigenen Initiativen eine größere Rolle zu spielen. In der trilateralen Integration Nordostasiens kommt Südkorea, zwischen China und Japan gelegen, eine Schlüsselrolle zu. Das für die trilaterale Zusammenarbeit in den Bereichen Katastrophenschutz, Umwelt, Klima und Kulturbeziehungen im Jahr 2010 eingerichtete Sekretariat hat seinen Sitz in Seoul.

Die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Südkorea und Europa, insbesondere Deutschland, haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich vertieft. Für eine engere Verbindung zwischen Europa im Westen und Südkorea im exponierten östlichen Teil der eurasischen Landplatte spricht die beidseitige Attraktivität: Für Südkorea ist Europa inzwischen ein wichtigerer Handels- und Investitionspartner als die USA.

Das Interesse an Deutschland als Rollenmodell wächst

Für die EU und Deutschland zählen nicht nur die ökonomischen und technologischen Potentiale. Südkorea ist auch politisch interessant. Erkennbar ist eine Übereinstimmung der Werte und eine Konvergenz der außenpolitischen Ziele und Interessen. Zugegebenermaßen weist die südkoreanische Demokratie einige Defizite auf, beispielsweise Einschränkungen in der Meinungs- und Pressefreiheit, ein konstitutionelles Übergewicht der präsidentiellen Exekutive und eine schwache institutionelle Struktur der politischen Parteien. Aber die breite Akzeptanz und die Orientierung an freiheitlich-demokratischen Werten und Grundsätzen steht nicht in Frage.

Außenpolitisch unterstützt Südkorea eine internationale Ordnung, die auf Freiheit, Demokratie, Menschenrechten, Multilateralismus, marktwirtschaftlicher Ordnung und einem freien internationalen Güter- und Kapitalverkehr beruht und den Normen friedlicher Konfliktregelung folgt. Südkorea und Europa verfolgen in vielen internationalen Fragen gleiche Ziele oder Interessen, z.B. bei der internationalen Friedenssicherung, in der Non- proliferationspolitik, in der Handelspolitik oder bei der Reform der internationalen Finanzmarktarchitektur. Insofern mag es kein Zufall sein, dass sich Europa und Südkorea durch die Vereinbarung einer strategischen Partnerschaft (2010) und eines Freihandelsabkommens (2011) näher gekommen sind. Gerade die Wirtschaft Deutschlands ist sehr erfolgreich dabei, die Chancen zu nutzen, die sich aus den Zollsenkungen und der Beseitigung von Marktzugangsschranken ergeben.

Chancen bestehen aber auch für Deutschlands Außenpolitik. Jenseits der bestehenden politischen und kulturellen Orientierung an die USA sucht Südkoreas Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nach neuen Rollenmodellen. Dabei ist das Interesse an Deutschland stark angestiegen, und dies nicht nur wegen der parallelen Teilungsgeschichte. Es gibt zahlreiche Anknüpfungspunkte für eine engere Zusammenarbeit der beiden G20-Länder.

Der Autor ist Stellvertretender Forschungsgruppenleiter der Forschungsstelle Asien der Stiftung Wissenschaft und Politik

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