Organtransplantation: Ärzte und Politiker für mehr Lebendspenden
Deutsche Vorbehalte „passen nicht mehr in die Zeit“, kritisieren Mediziner. Auch der Austausch zwischen einander unbekannten Paaren sollte erlaubt werden.
Die Forderung des amerikanischen Nobelpreisträgers Alvin Roth, in Deutschland die Lebendspende von Organen zu erleichtern und das Transplantationsgesetz entsprechend zu ändern, ist bei Medizinern und Politikern auf Zustimmung gestoßen.
Die Vorgabe, dass Lebendspenden – infrage kommen dabei Nieren oder Teile der Leber – nur aus dem direkten Familienumfeld kommen dürfen, seien zu streng, hatte der Wirtschaftswissenschaftler im Tagesspiegel kritisiert. Wie in anderen europäischen Ländern und den USA müssten auch in Deutschland fernere Verwandte, Freunde oder Kollegen spenden dürfen, schreibt Roth. Zudem sollte bei unverträglichen Spenderorganen auch ein Austausch zwischen einander unbekannten Paaren erlaubt werden (Überkreuz-Spende, Crossover-Spende).
SPD-Experte Karl Lauterbach: Eine "interessante" Forderung
Der SPD-Experte Karl Lauterbach nannte Roths Forderung „durchaus interessant, weil es in Deutschland nach wie vor nicht gelungen ist, die Zahl der Organspenden auf ein vernünftiges Niveau zu heben“. Organhandel müsse aber „konsequent ausgeschlossen“ bleiben.
Deutschland habe für Lebendspenden „eine der restriktivsten Bestimmungen in ganz Europa“, sagte Paolo Fornara, federführend in der Arbeitsgruppe Richtlinie Lebendspende in der Bundesärztekammer. „Viele Mediziner und ich auch würden sich hier eine Auflockerung wünschen.“ Zwar würde dadurch „nicht gleich eine Welle der Spendenbereitschaft ausgelöst“, aber bei manchen Bürgern käme es dadurch womöglich doch zu einer positiven Entscheidung.
Bei Nierentransplantationen liege der Anteil von Lebendspenden in Deutschland unverändert bei etwa 30 Prozent, sagte Fornara – trotz des Rückgangs postmortaler Spenden nach den Transplantationsskandalen der Vergangenheit. Juristisch würde eine weniger restriktive Regelung das Selbstbestimmungsrecht befördern, betonte der Direktor des Nierentransplantationszentrums in Halle. Und es handle sich „ja nicht um eine Pioniertat“, man könne sich an den Regelungen der Schweiz, der Niederlande, Großbritanniens oder Österreichs orientieren.
Viele wollen freiwillig spenden - und dürfen nicht
Noch deutlicher wurde der Münchner Nephrologe Uwe Heemann, Vorsitzender der Stiftung Lebendspende. Er sehe in dem deutschen Vorbehalt gegen altruistische Spenden „eine stark rückwärts gerichtete paternalistische Einstellung, die nicht mehr in unsere Zeit passt“, sagte er dem Tagesspiegel. Ständig erreichten ihn Anfragen von „Menschen, die die Not der Dialysepatienten durch eine ungerichtete Spende lindern“ wollten. Die bisherige deutsche Argumentation, dass nur bei der Spende an nahe Verwandte oder Freunde Freiwilligkeit gesichert werden könne, greife viel zu kurz. Schließlich könnten gerade in Familien auch „erhebliche Druckpotenziale“ aufgebaut werden. „Eine Legalisierung der freiwilligen nicht-kommerziellen Spende an Fremde würde die Zahl der Transplantationen in Deutschland zudem maßgeblich erhöhen“, sagte Heemann.
Auch Ulrich Frei, Nierenexperte und Ärztlicher Direktor der Berliner Uniklinik Charité, hält die „Blockade“ der erweiterten Lebendspende für „nicht nachvollziehbar“. Die Überkreuz-Spende erlaube eine Art „Ringtausch“, der zehn oder mehr Nierenkranken zu einem Spenderorgan verhelfe.