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Schavan mit buntem Sakko
© dpa

Plagiate in der Doktorarbeit: Annette Schavan will von der Wissenschaft rehabilitiert werden

Mehrere Professoren bemühen sich schon um die ehemalige Bundesbildungsministerin und Botschafterin beim Papst. Die hofft auf Rehabilitierung von der Wissenschaft - aber warum eigentlich?

„Ich habe in meinem Leben niemanden getäuscht“, hat Annette Schavan, Botschafterin beim Papst, unlängst der „Welt am Sonntag“ gesagt. Es sei mit einem „irren Menschenbild“ verbunden, in ihrer Dissertation von 1980 über „Person und Gewissen“ eine vorsätzliche Täuschung zu sehen. „Schavan ließ erkennen, dass sie auf Rehabilitation durch die Wissenschaft hofft“, schreibt die „WamS“.

Schavan hofft auf Rehabilitierung durch die Wissenschaft – aber warum? Tatsächlich ist die damalige Bundesbildungsministerin (CDU) ja nie wirklich von „der Wissenschaft“ ins Unrecht gesetzt worden.

Im Gegenteil, in den Monaten ihres Plagiatsverfahrens hat sie von den Leitern der großen Wissenschaftsorganisationen und von vielen wohlgesonnenen Professoren jede erdenkliche Unterstützung bekommen. Mit ungezählten großen Zeitungsartikeln und einschüchternden Briefen an die Universität Düsseldorf haben sie für die Ministerin gekämpft. In der Öffentlichkeit wurde der Eindruck verbreitet, Schavan werde in einem schlampigen und unfairen Verfahren politisch hingerichtet. Schavan selbst erkennt die Leistung ihrer Unterstützer durchaus an, indem sie in der „WamS“ erneut erklärt, „mehrere Stellungnahmen von Wissenschaftlern“ seien „zu einer gänzlich anderen Bewertung kommen“ als die Universität Düsseldorf.

Angeblich soll es eine Festschrift zu Schavans 60. Geburtstag geben

Wenn Schavan nun aber eine zusätzliche Rehabilitierung von der Wissenschaft wünscht, wie könnte diese aussehen? Angeblich haben die Professoren in Schavans Netzwerken dafür schon Ideen. Zu ihrem 60. Geburtstag im kommenden Jahr wird an einer großen Universität eine Festschrift mit Beiträgen bekannter Wissenschaftler vorbereitet, erzählt man sich in Professoren-Kreisen.

Auch soll Schavan für die Ehrung mit der Leibniz-Medaille der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) vorgesehen sein. Allerdings soll es darüber in der Jurysitzung im Frühjahr zum Eklat gekommen sein. Drei Juroren – der BBAW-Präsident Günter Stock, Joachim Sauer, Chemie-Professor und Ehemann der Bundeskanzlerin, sowie BBAW-Vizepräsident Christoph Markschies – hätten auf der Ehrung für Schavan bestanden, ein vierter Juror habe dagegen massiven Widerstand geleistet.

Soll Schavan die Leibniz-Medaille bekommen?

Ob das stimmt, ist nicht zu ergründen. Gisela Lerch, Sprecherin der BBAW, erklärt, grundsätzlich seien die Vorschlagslisten für die Medaillen vertraulich. Sie teilt mit: „Die Medaillenkommission berät sowohl über die Vergabe der Leibniz-Medaille wie über die Vergabe der Helmholtz-Medaille. Die Medaillenkommission gibt im Übrigen nur Empfehlungen ab, die Entscheidung liegt bei der Versammlung der Akademiemitglieder.“

Jenseits von Gerüchten sind aber auch nachweisbare Anstrengungen „der Wissenschaft“ zur Rehabilitierung Schavans zu erkennen. Zum 70. Geburtstag des BBAW-Präsidenten Stock im Februar war Schavan eingeladen, die Festrede zu halten. Ihr Thema: „Tradition verpflichtet – Geisteswissenschaften in Europa“. Im April verlieh ihr die Universität Lübeck die Ehrendoktorwürde. Bei der Jahresversammlung der elitären Max-Planck-Gesellschaft im Juni durfte Schavan dann aus der ersten Reihe der Honoratioren verfolgen, wie die Amtskette feierlich an den neuen MPG-Präsidenten Martin Stratmann überreicht wurde.

Gegen Guttenbergs Auftritt in Yale protestierten Doktoranden

Auch hinter den Kulissen läuft Schavans Rehabilitierung weiter: In der Forschergruppe „Zitat und Paraphrase“, die BBAW-Vizepräsident Markschies während der Überprüfung von Schavans Dissertation gegründet hatte, um die vermeintliche Komplexität des Falls zu beweisen, haben sich zahlreiche andere Schavan-Unterstützer versammelt. Mit neuen Argumenten namhafter Professoren für ihre Unschuld darf gerechnet werden.

Nein, „die Wissenschaft“ geht nicht auf Distanz zu Schavan, mag auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Aberkennung ihres Doktors wegen „vorsätzlicher Täuschung“ für völlig angemessen und rechtmäßig erklärt haben. Verhältnisse wie an der US-Uni Yale, wo Doktoranden „für akademische Integrität“ und gegen einen Auftritt des Plagiators Karl-Theodor zu Guttenberg protestierten, sind nicht in Sicht. Dass die vielfach von den ersten Repräsentanten der deutschen Wissenschaft geschmähte Uni Düsseldorf auf Rehabilitierung hoffen darf, ist darum wieder nur ein Gerücht.

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