Junge Forscher in Europa: Angst um die Zukunft, dafür akademisch frei
In Europa zweifeln junge Forscher am meisten an ihren Chancen. Global gesehen sind sie aber am wenigsten in der akademischen Freiheit eingeschränkt.
Europäische Nachwuchswissenschaftler haben im weltweiten Vergleich die größten Zukunftssorgen – fühlen sich aber gleichzeitig am wenigsten in ihrer akademischen Freiheit eingeschränkt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Netzwerks „Global Young Academy“, für die weltweit 650 Forscherinnen und Forscher befragt wurden. Demnach nennen in Europa 83 Prozent der Befragten „Jobunsicherheit“ als ein großes Hindernis, wenn es um ihre wissenschaftliche Karriere geht. Nur 29 Prozent glauben, dass sie es auf eine Professur schaffen werden.
Anderswo sind junge Wissenschaftler optimistischer. Über „Jobunsicherheit“ klagen in Nord- und Südamerika 44 Prozent, in Afrika 31 Prozent und in Asien 15 Prozent der jungen Forscher. Sie sind überall auch zuversichtlicher, einmal eine Professur zu erreichen. Am besten schätzen hier afrikanische Forscher ihre Lage ein. 68 Prozent denken, sie schaffen es bis auf eine Professur (Amerika 55 Prozent, Asien 49 Prozent). Die Studie führt die Diskrepanz in der Wahrnehmung der beruflichen Perspektiven darauf zurück, dass die meisten europäischen Wissenschaftssysteme anders als im Rest der Welt üblich für junge Forscher keinen geregelten Aufstieg zu einer vollen Professur vorsehen (Tenure Track).
Trotz ihrer prekären beruflichen Situation fühlen sich Nachwuchsforscher in Europa bei ihrer Arbeit selbstbestimmter. Nur acht Prozent sagen, ihre wissenschaftliche Freiheit sei eingeschränkt. In Amerika und Asien kritisieren das dagegen mehr als zwanzig Prozent der Befragten, in Afrika 16 Prozent. Offensichtlich könnten Wissenschaftler in Europa ihre Themen unabhängig von vermeintlichen gesellschaftlichen Bedarfen wählen, während Forschung anderswo stärker „nachfrageorientiert“ organisiert sei, heißt es.
Alles in allem gleichen sich die Sorgen junger Forscher aber weltweit. Viele wünschen sich mehr Förderungsmöglichkeiten und eine bessere Ausstattung für ihre Arbeit. Vermisst wird Transparenz, wenn die eigene Forschung evaluiert wird. Die meisten würden gerne etwas weniger lehren und dafür mehr forschen. Weltweit machen Nachwuchswissenschaftler Überstunden. Die wöchentliche Arbeitszeit liegt im Schnitt zwischen 50 Stunden (Europa) und 62 Stunden (Amerika). Die Studie fordert einen Mentalitätswandel: Nachwuchsforscher dürften nicht nur als „billige Arbeitskräfte“ betrachtet werden. Vielmehr sei eine „nachhaltige Ausbildung“ nötig. Gerade die hohe zeitliche Belastung hemme oftmals die Inspiration von Forschern – und stelle nicht zuletzt auch eine Belastung für das oft nur marginal vorhandene Privatleben dar.
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