130 Jahre Urania: Am Nerv der Zeit
Die Urania Berlin fand Nachahmer in aller Welt – und erfand sich mehrmals neu.
Seit 2000 Jahren kennt man Urania als griechische Muse der Himmelskunde. Und seit 130 Jahren hat der Name speziell auch in Berlin einen guten Klang – als ein Leuchtturm der Berliner Wissenschaftskommunikation. Als die Urania- Aktiengesellschaft im Jahre 1888 gegründet wurde, konnte niemand ahnen, wie zukunftsweisend diese Idee war und was sich aus ihr noch entwickeln würde.
Die Gründung der Urania verdanken wir vor allem dem tatkräftigen Handeln dreier bedeutender Männer: dem Berliner Direktor der Königlichen Sternwarte Wilhelm Förster, dem Wiener Astronomen Max Wilhelm Meyer und dem Industriellen Werner von Siemens. Sie alle knüpften an frühere Ideen von Alexander von Humboldt an und hatten erkannt, wie notwendig naturwissenschaftliche Bildung für breite Schichten der Bevölkerung war – vom Unternehmer bis zum Arbeiter. Es galt, die zunehmenden Anforderungen der Gründerzeit mit ihren vielen wissenschaftlichen und technischen Innovationen zu bewältigen.
So entstand in der Invalidenstraße das großzügige Urania-Gebäude mit einem eigenen wissenschaftlichen Theater, Experimentiersälen und der ersten Volkssternwarte der Welt. Die Gründer hatten den Nerv der Zeit getroffen: Bereits in den ersten Jahren strömten hunderttausende Besucher zu den Veranstaltungen und in die Kuppeln des Observatoriums. Bemerkenswert ist auch die starke internationale Ausstrahlung der Urania. So wurden zum Beispiel Vorstellungen ihres „Wissenschaftlichen Theaters“ schon Anfang der 90er Jahre in die USA eingeladen, wo sie unter anderem in der New Yorker Carnegie Hall große Erfolge feierten.
Noch wichtiger aber war der Impuls, den die Urania in alle Welt aussandte und der sehr rasch zu Nachgründungen führte. In Magdeburg entstand bereits 1895 eine Institution nach Berliner Vorbild. Es folgten Wien 1897, Zürich 1904 und Jena 1909, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Sternwarte der Urania erwies sich zudem als Keimzelle für die Gründung weiterer Volksternwarten in aller Welt.
130 Jahre sind eine lange Zeit; die Urania konnte nicht nur von Erfolg zu Erfolg eilen. Es gab auch ernsthafte Krisen, die unter anderem mit der politischen Entwicklung im Ersten Weltkrieg, anderen Erschütterungen, aber auch schweren Fehlern der Leitung zusammenhingen. 1927 musste die Urania sogar für zweieinhalb Jahre schließen. Das erst 1905 bezogene neue Domizil in der Taubenstraße wurde verkauft. Der Neubeginn 1929 mit wechselnden Spielorten fiel umso schwerer.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erwachte die Urania zu neuem Leben
Wenige Jahre später ergriffen die Nazis die Macht und stürzten die bis dahin politisch weitgehend neutrale Urania in neue Schwierigkeiten. Mitglieder der Leitung mit jüdischer Abstammung sollten entfernt werden, was auch die Vorstandsmitglieder Walter Becherer und Fritz Arnheim betraf. Mutig wehrten sie sich gegen die Entscheidung vor Gericht, doch letztlich setzten sich die Machthaber durch. Die Urania arbeitete fortan gemeinsam mit der Lessinghochschule, die allerdings das Programm stark dominierte und neben „rassenpolitischen“ Themen vor allem für Unterhaltung und gute Laune sorgen sollte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erwachte die Urania zu neuem Leben. Sie wurde 1953 als „URANIA Deutsche Kulturgemeinschaft e.V.“ neu gegründet und verfügte ab 1962 dank Darlehen und Zuwendungen von Banken, dem Bundesschatzministerium und dem Berliner Zahlenlotto bald wieder über ein eigenes Haus – das heutige Urania-Gebäude an der Kleiststraße. Während die Programme anfangs noch stark von der Vorkriegs-Urania geprägt waren, knüpften die neuen Direktoren – Gerhard Ebel ab 1983 und Ulrich Bleyer ab 1995 – wieder stärker an die Ursprungsidee der Urania an. Dieses erfolgreiche Konzept schlug sich bald in den Besucherzahlen nieder, die jetzt rund viermal so hoch waren wie zuvor.
Heute ist die Urania ein Zentrum der wissenschaftlichen, politischen und kulturellen Bildung Berlins. Die Besucher nehmen Kontakt mit erstrangigen Forschern der unterschiedlichsten Fachgebiete sowie mit den Gestaltern des politischen Lebens auf, haben teil an den Quellen neuesten Wissens. Moderne Industriegesellschaften brauchen zu ihrer Entwicklung, aber auch zur Lösung globaler Zukunftsprobleme zunehmend die Wissenschaft. Dabei setzt die demokratische Mitwirkung der Bevölkerung eine informierte Gesellschaft voraus. Diesen Gedanken kleidete Albert Einstein schon 1951 in die Worte: „Die Beschränkung der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf eine kleine Gruppe von Menschen schwächt den philosophischen Geist eines Volkes und führt zu dessen geistiger Verarmung“. Die Urania arbeitet dagegen und schüttet ein Füllhorn geistiger Reichtümer aus. Dieter B. Herrmann
Der Autor ist Astronom, Physiker, Autor und Vorstandsmitglied der Urania.
Dieter B. Herrmann
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