zum Hauptinhalt
Reisende tragen Mundschutz im Hauptbahnhof Termini in Rom.
© Cecilia Fabiano/LaPresse via ZUMA Press/dpa

Zum zweiten Mal mit Corona infiziert: „Alle wollen nach einer Infektion wissen, wie lang ihr persönlicher Schutz anhält“

Nach Covid-19 ist nicht jeder vor einer Zweitinfektion geschützt. Was das für den Verlauf der Pandemie bedeuten könnte, erklärt der Immunologe Carsten Watzl.

Gerüchte über wiederholte Coronainfektionen gab es schon länger, doch erst jetzt gibt es erste Belege dafür, dass sich Menschen zweimal mit Sars-CoV-2 infizieren können.

Wie häufig solche Zweitinfektionen sind und was das für den Pandemieverlauf bedeutet, erklärt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI) und wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Mikrobiologen von der Universität Hongkong haben herausgefunden, dass ein 33-Jähriger sich viereinhalb Monate nach der ersten Infektion zum zweiten Mal mit Sars-CoV-2 infiziert hat. Herr Prof. Watzl, hat Sie die Pressemitteilung der medizinischen Fakultät dort überrascht?
Eigentlich nicht. Angesichts von 23 Millionen Infizierten weltweit ist das nicht völlig überraschend, es ist aber eine Einzelbeobachtung, und es dürfte ein sehr seltener Fall sein. Im Moment gehe ich davon aus, dass der Großteil der Menschen, die sich in den letzten Monaten mit dem Virus infiziert haben, heute immun dagegen ist.

Die qualitativ hochstehenden Publikationen, die es bisher gibt, zeigen ja mehrheitlich, dass nach einer Infektion über mehrere Monate stabile Antikörper-Spiegel bestehen bleiben. Und wir wissen von anderen Viren, etwa von der Hepatitis B, dass auch geringe Antikörper-Spiegel schützen können.

Zusätzlich wird die Immunität ja auch über T-Zellen vermittelt. Es gibt also auch nach dieser Mitteilung aus Hongkong keinen Grund für Panik bei den Menschen, die schon eine Infektion durchgemacht haben!

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Krise live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]
Allerdings gab es schon vor einiger Zeit Berichte aus Südkorea, die auf eine erneute Infektion hindeuteten.
In diesen Fällen konnte man aber vermuten, dass das Virus, das bei einem späteren Test gefunden wurde, sich noch von der ersten Infektion im Körper des Patienten befand und dass es sich nicht um eine Neuinfektion handelte.

Carsten Watzl ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI) und wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund
Carsten Watzl ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI) und wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund
© Pressestelle Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund

Hier wurde jetzt im Gegensatz dazu nach einer Sequenzierung ein Virus aus einem neuen Stamm nachgewiesen. Dass schon nach der ersten Infektion bei diesem Patienten eine solche Virus-Sequenzierung vorgenommen wurde, ist sicher ein Ausnahmefall, und für die Forschung wichtig.

Allerdings wissen wir das bisher nur aus der Pressemitteilung der Universität, eine wissenschaftliche Publikation der Daten liegt noch nicht vor.

[Erneute Corona-Ansteckung bei genesen Patienten: Lesen Sie hier, wieso die Nachricht aus Hongkong keine Hiobsbotschaft ist.]

Das heißt aber doch, dass auch in einigen der anderen gemeldeten Fälle eine erneute Infektion stattgefunden haben könnte, was man nur nicht beweisen kann, weil es sich um denselben Virus-Stamm handelt?
Um hier einen wissenschaftlichen Nachweis zu führen, müsste man das Virus von der ersten Infektion sequenziert haben. Das gab es in den bisherigen Fällen nicht. Daher kann man nicht beweisen, dass es sich um eine neue Infektion handelt, man kann es aber auch nicht ausschließen.

Hat das Ergebnis aus Hongkong auch insgesamt für den Verlauf der Pandemie Bedeutung?
Nein, dafür ist es nicht relevant. Denn vom Konzept der „Herdenimmunität“, für die eine Mehrheit der Bevölkerung die Infektion überstanden haben müsste, haben wir uns ja ohnehin längst verabschiedet.

In dieser Hinsicht ist es also nicht von Bedeutung, wie lang der Schutz nach einer Infektion anhält.

Allerdings ist das Interesse bei den Einzelnen, die eine Infektion durchgemacht haben, nach unserer Erfahrung sehr, sehr hoch. Sie alle wollen verständlicherweise wissen, wie lang bei ihnen persönlich der Schutz anhält.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden]

Kann es zum jetzigen Zeitpunkt allgemeine Antworten darauf geben?
Das ist schwierig. Zunächst, weil es das Virus ja noch nicht so lange gibt. Unsere Kenntnisse zu Corona-Viren stammen von Sars und Mers und von den Erkältungs-Viren.

Zudem zeigt das Immunsystem von Mensch zu Mensch unterschiedliche Reaktionen. Vor allem bei Menschen mit Defekten des Immunsystems kann es sein, dass sie nur schwach reagieren und der Schutz nur von kurzer Dauer ist.

Generell wissen wir aber, dass bei einer erneuten Ansteckung mit einem Virus die Infektion deutlich milder ausfällt.

Das wird in der Pressemitteilung auch von dem Fall aus Hongkong berichtet: Der Mann, der beim ersten Mal deutliche Krankheitszeichen entwickelt hatte, hatte demnach beim zweiten Mal keine Symptome, der Test musste nur gemacht werden, weil er aus Spanien zurückkam.
Das überrascht aus immunologischer Sicht nicht. Und es ist auch möglich, dass er nicht infektiös ist.

Zur Startseite