Forschungsförderung mit "Horizon Europe": 120-Milliarden-Versprechen des EU-Parlaments
Die EU will ab 2021 im Programm "Horizon Europe" Forschung und Innovation mit 120 Milliarden Euro fördern. Bis zum Start ist aber noch viel zu tun.
Fast unbemerkt und überdeckt vom Terror-Anschlag in Straßburg legte das EU-Parlament vergangene Woche den europäischen Wissenschaftlern ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk unter den Tannenbaum: Ein Gutschein über insgesamt 120 Milliarden Euro, einzulösen im Zeitraum von 2021 bis 2027.
Parallel zu den schwierigen Verhandlungen des EU-Gesamthaushalts, dem sogenannten mehrjährigen Finanzrahmen (MFR), werden derzeit alle Struktur- und Förderprogramme der EU für die nächsten sieben Jahre überarbeitet. Auch die Wissenschaftsförderung, bisher unter dem Namen „Horizon 2020“ bekannt, wird als „Horizon Europe“ neu aufgesetzt.
Für das noch laufende Programm ist im EU-Haushalt seit 2014 ein Volumen von 70 Milliarden Euro vorgesehen. Bereits im Sommer hatte Carlos Moedas, EU-Kommissar für Wissenschaft und Forschung, für die nächste Laufzeit des Rahmenförderprogramms eine Aufstockung des Budgets auf rund 100 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Am Mittwoch beschloss das Parlament einen aktualisierten Entwurf– der nun ein Fördervolumen von 120 Milliarden Euro vorsieht.
Der Entwurf stammt nicht von Moedas, sondern von dem brandenburgischen EU-Abgeordneten Christian Ehler (CDU). Er ist zusammen mit dem Rumänen Dan Nica Berichterstatter für den Prozess zu „Horizon Europe“. Ehler wurden über das Jahr verteilt 4000 Vorschläge aller EU-Staaten für Änderungen zugeschickt.
Schwerpunkt Technologieforschung und -förderung
Inhaltlich finden sich nun einige bekannte Werkzeuge bisheriger EU-Förderung wieder, die in leicht veränderter Struktur fortgeführt werden: In Säulen wie „Open Science“ und „Global Challenges“ sind etablierte Institutionen wie der Europäische Forschungsrat (ERC) und Programme wie das Marie-Skłodowska-Curie-Programm zur Nachwuchsförderung. Auch interdisziplinäre Forschungsförderung zukünftiger Technologien, beispielsweise bei Quantentechnologie oder durch das Gehirn neu inspirierte IT-Ansätze, ist bereits für zehn Jahre in sogenannten „Flagships“ angelegt.
Neu hingegen ist die Säule „Open Innovation“. Hier soll in Zukunft durch Ausbau eines Europäischen Innovationsrats (EIC) die Förderung von Start-Ups, Technologie- und Risikoprojekten verstärkt werden. Entsprechende Pilotprojete laufen bereits. Daneben sollen in Zukunft in sogenannten „Missions“ Forschungsbereiche gefördert werden, die stark im öffentlichen Fokus liegen – beispielsweise der Kampf gegen Krebs oder für einen plastikfreien Ozean.
Für Geistes- und Kulturwissenschaften gibt es ebenfalls gute Nachrichten: Die Schaffung einer EU-weiten Plattform für Kulturerbe (Cultural Heritage-Cloud) soll mit 300 Millionen Euro gefördert werden. Museen und Kulturschaffenden wird so ein zentraler Ort für die Digitalisierung ihrer Werke geboten. Multinationale Zusammenarbeit an gemeinsamen Projekten sei dabei ausdrücklich gewünscht, erklärt Ehler.
Endgültiges Fördervolumen auch durch Brexit offen
Als kniffelige Frage verbleibt indes der Brexit. Zwar verabschiedet sich mit Großbritannien laut DFG-Förderatlas der nach Deutschland zweitgrößte Empfänger der EU-Gelder, aber eben auch ein Land, dass ungleich mehr in den EU-Haushalt eingezahlt hat. Pünktlich zum Start von „Horizon Europe“ im Jahr 2021 könnte so ein jährliches Defizit von neun bis zwölf Milliarden Euro entstehen.
Da verwundert es wenig, dass die EU trotz „Members first“-Attitüde eine Neuorganisierung der Beteiligungsregelungen für Drittstaaten anstrebt, die neben bisherigen Partnern wie Israel, Norwegen und der Schweiz auch die zukünftige Zusammenarbeit mit Oxford, Cambridge et al. sicherstellen soll. Auch im Hinblick auf den hohen wissenschaftlichen Wert, den die Vernetzung mit dem Königreich bietet, ist Ehler überzeugt: „Wir müssen alles tun, um die Briten in der europäischen Forschung zu halten.“
Der weitere Zeitplan für das Horizon Europe-Förderprogramm ist ambitioniert: Auf legislativer Ebene steht der Trilog an – die Verhandlungen zwischen EU-Parlament und -Rat, bei der auch die EU-Kommission beratend teilnimmt. Bis zum Frühjahr müssen sich dort alle EU-Staaten mehrheitlich über Programminhalt und Kosten einig werden. Nur dann kann „Horizon Europe“ noch vor der Europawahl im Mai 2019 final verabschiedet werden. Beim letzten Mal war der Gutschein an die europäischen Wissenschaftler am Ende dann doch 10 Milliarden weniger wert als gedacht.
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Paul Dalg; Franz Richard Kiekebusch