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Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, kurz Merkozy, streben eine Fiskalunion in Europa an. Beim EU-Gipfel nächste Woche soll das Vorhaben besprochen werden.
© afp

Euro-Krise: Zusammenrücken in der EU

Eine tiefere Einigung soll die Krise in der Euro-Zone beenden – doch nicht nur Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen sieht die Pläne kritisch.

„Der Begriff Fiskalunion ist so sexy, wie Berlin reich ist.“ Mit dieser griffigen Formulierung brachte Ulrich Khuon, Intendant des Deutschen Theaters, am Sonntag auf den Punkt, wie schwer es Europas Staatenlenker gegenwärtig haben, die Bürger für ihre Lösungsvorschläge aus der immer dramatischer werdenden Euro-Schuldenkrise zu erwärmen. Der Satz fiel zu Beginn einer Diskussion im Rahmen der Reihe „Reden über Europa“ der Allianz Kulturstiftung und des Tagesspiegels, die eigentlich unter die Überschrift „Sanftes Monster Brüssel?“ und damit unter die Frage nach den Gründen für die viel diskutierte Kluft zwischen den EU-Institutionen und den Bürgern gestellt war.

Aber spätestens mit der Ankündigung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und des französischen Staatschefs Nicolas Sarkozy vom vergangenen Donnerstag, bis zum nächsten Gipfel Anfang Dezember Vorschläge für eine Änderung der EU-Verträge vorzulegen, musste auch die Diskussion im Deutschen Theater unweigerlich bei der Schuldenkrise landen – und eben der Fiskalunion. Denn eine solche Union ist es, die Merkel und Sarkozy mit ihren Reformvorschlägen letztlich anstreben.

Dabei wies der frühere EU-Kommissar Günter Verheugen darauf hin, dass man eine verschärfte Kontrolle von Defizitsündern in der Euro-Zone auch ohne eine Änderung der EU-Verträge hinbekommen könne. Verheugen warnte davor, bei einer möglichen Änderung der EU-Verträge die EU-Kommission auszubremsen und lediglich auf eine verstärkte Zusammenarbeit der Nationalstaaten – im EU-Jargon als ,intergouvernemental’ bezeichnet – zu setzen. „Ein intergouvernementales Europa wird nicht in der Lage sein, die politische Rolle in der Welt des 21. Jahrhunderts zu spielen, die wir spielen müssen“, sagte Verheugen.

Der Finanzexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Schäffler, warnte davor, dass eine Änderung der EU-Verträge zu einer Ausweitung der Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB) führen könnte. „Wenn der Preis für eine Vertragsänderung darin besteht, dass die EZB ihre Anleiheaufkäufe ausweiten kann, dann wäre das ein Pyrrhussieg“, sagte Schäffler dem Tagesspiegel. „Jeder Aufkauf, wenn er unbegrenzt wäre, würde am Ende in Hyperinflation münden“, sagte der FDP-Politiker weiter. Der Vorsitzende der Linken-Fraktion im Europaparlament, Lothar Bisky, sagte dem Tagesspiegel mit Blick auf eine mögliche Vertragsänderung, dass man grundsätzlich Mechanismen schaffen müsse, die ein rasches Gegensteuern in der Schuldenkrise ohne eine wochenlange Debatte ermöglichten.

Direkt vor dem USA-EU-Gipfel an diesem Montag in Washington blicken auch die Vereinigten Staaten mit größter Sorge auf die Lage der Euro-Zone. Die Kommentatoren in den USA erwarten fast ausnahmslos, dass die EZB am Ende die Rückzahlung aller nationalen Schulden garantieren müsse. Das „Wall Street Journal“ schrieb, es gehe nicht mehr um die Frage, ob einer der Euro-Staaten zahlungsunfähig wird, sondern „ob die Euro-Zone überhaupt überlebt“.

Derweil arbeitet der Internationale Währungsfonds (IWF) offenbar daran, Italien mit einem Milliarden-Programm aus der Klemme zu helfen. Wie die Turiner Tageszeitung „La Stampa“ am Sonntag mit Bezug auf informierte Kreise in Washington berichtete, könnte der IWF Rom mit einem Volumen von bis zu 600 Milliarden Euro unterstützen, um die neue Regierung von Mario Monti bei der Durchsetzung der notwendigen Reformen mit einer stabileren Finanzlage zu entlasten. Italien weist nach Griechenland den höchsten Schuldenstand der Eurozone auf, vergangenen Freitag kletterte die Rendite für Zweijahres-Papiere auf den Rekordstand von 7,77 Prozent.

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