Banken in der Krise: Zurück zum Kunden
Zu viele Filialen, zu wenig Beratung. Die Banken bauen Stellen ab und senken Kosten. Was fehlt, ist ein neues Geschäftsmodell.
Was Jürgen Fitschen und Anshu Jain sich vorgenommen haben, stellt das Geschäftsmodell der Deutschen Bank auf den Kopf. Die Mitarbeiter sollen künftig weniger Risiken eingehen und mehr auf den Ruf des Hauses achten. Die beiden Vorstandschefs, die gerade für das vierte Quartal einen Nettoverlust von 2,2 Milliarden Euro verkünden mussten, haben ihrem Institut „einen Kulturwandel“ verordnet. Und der ist dringend nötig. Nicht nur, weil die Moral im Bankgeschäft seit Ausbruch der Finanzkrise eine immer wichtigere Rolle spielt. Sondern auch, weil das Verhalten der Verbraucher und ihre Beziehung zur Bank sich grundlegend gewandelt haben.
Die Zeiten, in denen die Kunden die Mitarbeiter ihrer Filiale noch persönlich kannten, sind vorbei. Heute kommen die meisten höchstens noch in den Vorraum der Filiale mit seiner Batterie an Bankautomaten. Hier heben sie Geld ab, zahlen welches ein und drucken ihre Kontoauszüge aus. Dinge, für die sie noch vor wenigen Jahren die paar Schritte weiter in die Filiale gegangen wären, machen sie von zu Hause aus. Ein Girokonto eröffnen 43 Prozent der Deutschen mittlerweile lieber online. Bei einem Tagesgeldkonto sind es sogar 70 Prozent. „Was die Zahl der Filialen angeht, halten die Banken Kapazitäten vor, die nicht mehr dem Nutzungsverhalten der Kunden entsprechen“, sagt Oliver Mihm, Geschäftsführer der Beratungsfirma Investors Marketing.
Als Folge müssen die Banken ihre Geschäftsmodelle überdenken und eine Antwort auf die Frage finden, wie sie in Zukunft mit den klassischen Bankdienstleistungen noch Geld verdienen können. Gleich mehrere Institute haben in den letzten Wochen einen Stellenabbau und Filialschließungen angekündigt. Die Commerzbank will bis 2016 zwischen 4000 und 6000 Stellen streichen. Bei der Hypovereinsbank sollen in diesem und im kommenden Jahr 1000 Arbeitsplätze und 45 Filialen wegfallen. Bei der Deutschen Bank ist derzeit von 2000 Stellen die Rede, die gestrichen werden sollen.
Und das könnte erst der Anfang sein.
{Wie das Bankgeschäft industrialisiert wird}
42 Prozent der deutschen Banken planen laut einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Ernst & Young im nächsten halben Jahr Entlassungen. „Für 2013 erwarten wir weiteren Personalabbau, der unter Umständen etwas stärker ausfällt als in den vergangenen Jahren“, drückt es Carsten Rogge-Strang, Geschäftsführer beim Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes, vorsichtig aus.
Sicher sind die Jobs in der Finanzbranche schon lange nicht mehr. Frank Wolf von der Gewerkschaft Verdi spricht gar von einer „Industrialisierung des Bankgeschäfts“. Immer mehr Institute würden ganze Abteilungen in eigene Gesellschaften auslagern, wodurch die Mitarbeiter nicht mehr unter den Tarifvertrag fallen. Neben den Callcentern betreffe das zum Beispiel die Kreditsachbearbeitung oder die Kontoverwaltung. „Vor zwanzig bis dreißig Jahren hätte kein Bankmitarbeiter auch nur daran gedacht, dass sein Arbeitsplatz ausgelagert werden könnte“, sagt Wolf.
Die Branche ist im Umbruch. Durch die Finanzkrise haben viele Kunden das Vertrauen in die Institute verloren. Sie sind kritischer geworden, informieren sich umfassender, bevor sie etwas unterschreiben. „Die Banken haben lange auf eine Rückkehr zur Normalität gehofft“, sagt der Frankfurter Bankenprofessor Martin Faust. So hätten viele Banken darauf gesetzt, dass die Kunden wieder mehr Wertpapiere und Fonds kaufen, an denen die Institute aufgrund der Provisionen gut verdienen. „Bislang zeichnet sich aber noch keine Trendwende ab“, sagt Faust. Das Vertrauen ließe sich nicht so schnell zurückgewinnen. Daran würden auch großangelegte Werbeaktionen nichts ändern.
In dem Abbau an Filialen sieht der Bankenprofessor dennoch kein Allheilmittel. „Indem die Institute Filialen schließen, können sie zwar schnell Kosten senken“, sagt er. Langfristig könne das aber auch nach hinten losgehen. „Die Filialen sind wichtig für die Kundenbindung.“ Auch wenn die Verbraucher sie nicht mehr so stark nutzen würden wie früher, wollten sie die Möglichkeit zum persönlichen Kontakt haben.
{Die Beratung muss besser werden, fordern Experten}
Faust meint, für dieses Problem gebe es nur eine Lösung: „Die Qualität der Beratung muss sich verbessern.“ Das sei allein schon deshalb nötig, damit sich die Filialbanken stärker von den Direktbanken unterscheiden, die ihre Produkte nur übers Internet anbieten. „Dazu gehört auch, dass die Bankmitarbeiter nicht nur Produktverkäufer sind, sondern umfassend und im Sinne des Kunden beraten“, sagt Faust.
Viele Banken wollen deshalb in Zukunft zum Beispiel eine Beratung per Videotelefonie anbieten und so die persönliche Beziehung zum Kunden wieder herstellen. Von einer „Mammut-Aufgabe“ sprach Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon kürzlich. „Unsere Kunden werden künftig immer, überall und mit jedem denkbaren Endgerät mit ihrer Sparkasse in Kontakt treten können“, sagte er. Das bedeute aber auch, dass die Institute neue Arbeitszeitmodelle für die Mitarbeiter entwickeln müssten. Und: „Eine höhere Qualität rechtfertigt auch einen höheren Preis am Markt“, sagt Fahrenschon. Bleibt fraglich, ob sich so kritische Kunden überzeugen lassen.