Chinesische Investoren in Deutschland: Zum Fressen gern
Chinesische Investoren kaufen deutsche Technologiefirmen. Die Bundesregierung prüft höhere Hürden – und riskiert einen Affront in Peking. In dieser Woche reist Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in die Volksrepublik.
Sigmar Gabriel wird schon einmal von „Mianzi“ gehört haben. Sollte er nicht, wäre ihm ein Crash-Kurs über chinesische Höflichkeitsregeln zu empfehlen. Denn am Dienstag reist der Bundeswirtschaftsminister in die Volksrepublik und „Mianzi“ wird er brauchen – das Wissen darüber, wie man in China das Gesicht wahrt und wie man es verlieren kann.
Die Gastgeber in Peking werden Gabriel und seine 60-köpfige Wirtschaftsdelegation sicher fragen, warum die Bundesregierung gerade Überlegungen anstellt, wie man chinesische Investoren an milliardenschweren Übernahmen deutscher Technologiefirmen hindern kann. Es gilt, das Gesicht zu wahren – auf beiden Seiten. In jüngster Zeit hatte der SPD-Politiker immer wieder unfaire Handelspraktiken der Volksrepublik kritisiert und chinesischen Unternehmen vorgeworfen, sich gezielt und mit staatlicher Unterstützung in deutsche Hightechfirmen einzukaufen. Vor wenigen Tagen erst legte Gabriels Staatssekretär Matthias Machnig (SPD) Eckpunkte vor, wie sich Deutschland und Europa besser gegen den Ausverkauf strategisch wichtiger heimischer Unternehmen ins Ausland wehren könnten.
Der US-Geheimdienst schaltet sich bei Aixtron ein
Zum krimireifen Höhepunkt kam es in dieser Woche: Die geplante Übernahme des Spezialmaschinenbauers Aixtron durch chinesische Investoren rief den US-Geheimdienst auf den Plan. Dieser habe im Bundeskanzleramt interveniert, um den Deal zu blockieren, schrieb das „Handelsblatt“. Angeblich präsentierten die Amerikaner Ermittlungsergebnisse, wonach Produkte von Aixtron auch militärisch genutzt werden können.
Auch die Übernahme der Osram-Sparte Ledvance befindet sich in der Schwebe, weil die Bundesregierung die rechtliche Grundlage des Verkaufs prüft. Im Aixtron-Fall hatte Gabriel eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zurückgezogen, mit der sich Investoren rechtlich absichern. Bei Osram wird nun ebenfalls nach „Maßstäben des Außen- und Wirtschaftsrechts“ geprüft, ob eine „Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ vorliegt. Details nennt das Ministerium nicht.
Die Aufregung ist groß, denn die Diskussion dreht sich im Kern nicht um einzelne Unternehmen. Vielmehr steht die Frage im Raum, ob Deutschland dabei ist, seinen wichtigsten Handels- und Investitionspartner in Asien, wenn nicht weltweit, zu verprellen. Chinesische Investoren drängen seit Jahren mit Macht auf den europäischen Markt – und deutsche Unternehmen stehen dabei im Zentrum des Interesses. Kraussmaffei, Manz, EEW Energy, Kuka – die Liste der Mittelständler, die von Chinesen übernommen wurden, wird immer länger. 2016 ist gemessen an der Zahl der Übernahmen und Beteiligungen sowie am Transaktionsvolumen jetzt schon ein Rekordjahr. Das Beratungsunternehmen EY hat ausgerechnet, dass chinesische Unternehmen bereits im ersten Halbjahr 10,8 Milliarden US-Dollar (knapp zehn Milliarden Euro) für deutsche Unternehmen ausgegeben haben – mehr als in allen Vorjahren zusammen. Umgekehrt ist der chinesische Absatzmarkt für viele Mittelständler und Konzerne überlebenswichtig. VW beispielsweise verkauft jedes dritte Auto in China. Der Asien-Pazifik-Ausschuss der deutschen Wirtschaft spricht von einer „Bank für die Zukunft“.
Fingerspitzengefühl ist gefragt
Grund zur Aufregung gäbe es also, wenn die Regierung tatsächlich vorhätte, den deutschen Markt abzuschotten – und damit den Chinesen „das Gesicht zu nehmen“. Experten empfehlen, Dampf aus der Debatte zu lassen. „Dass die Investitionspläne der Chinesen ein solches politisches Drama auslösen, halte ich für übertrieben“, sagt Thomas Heck, Leiter der China-Gruppe beim Beratungsunternehmen PwC, der vier Jahre lang in Schanghai tätig war. Deutschland habe ein „extrem hohes Ansehen“ in China, deutsche Marken würden sehr gerne gekauft. „Da muss man viel Fingerspitzengefühl haben und sich fragen: Welche Kämpfe wollen wir eigentlich führen?“, warnt Heck. Die deutsche Seite müsse abwägen: „Wie hart dürfen unsere Forderungen sein, ohne den Chinesen das Gefühl zu geben, dass wir uns abschotten wollen?“ Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnt vor neuen Hürden.
Dabei müssen sich die Chinesen den Vorwurf gefallen lassen, ausländische Investoren in sensiblen Branchen auf Abstand zu halten. So ist der vollständige Erwerb chinesischer Firmen verboten. Und wer ein Unternehmen gründen will, braucht chinesische Partner. „Die Regierung hat einen ganz offen formulierten Plan, und der lautet, mit allen Mitteln chinesische Technologieführer in Zukunftsbranchen aufzubauen“, sagt Björn Conrad, stellvertretender Direktor des Mercator-Instituts für China-Studien. „Abschottung gegen ausländische Konkurrenz gehört dabei zum Programm.“ Verletze China die Regeln, müsse die Politik bereit sein, dagegen vorzugehen.
Sigmar Gabriel ist in Peking auf heikler Mission unterwegs. Beobachter empfehlen ihm, aktuelle Fragen rund um Aixtron und Osram nach Möglichkeit auszuklammern. Langfristig könnten die Deutschen mehr gewinnen, wenn sie die Chinesen beim Aufbau eines marktwirtschaftsfreundlichen Rechtssystems unterstützen würden. Auch China-Kenner Heck meint: „Solche politischen Diskussionen müssten stärker geführt werden, statt Handelskriege heraufzubeschwören.“