Bahntechnikmesse Innotrans: Zughersteller setzen auf alternative Antriebe
Auch auf der Schiene ist der Diesel ein Auslaufmodell. Bahnhersteller erproben Batterie und Brennstoffzelle. Jetzt zu sehen auf der Innotrans in Berlin.
Die Geschichte beginnt in der Pfalz. Im Jahr 1896 bringen die Pfälzischen Eisenbahnen einen Triebwagen mit Elektromotoren auf die Gleise, die aus Akkus gespeist werden. Der erste Batteriezug setzt sich in Bewegung. Doch es sollte nur eine kurze Fahrt werden. Denn ähnlich wie in der Geschichte des Autos steht die Elektromobilität zwar am Anfang der Mobilität auf Rädern. Sie wird aber von anderen technischen Innovationen abgelöst – vor allem vom Verbrennungsmotor. Bald hat auch die Batteriebahn gegen Dampflokomotiven keine Chance mehr. Diese werden wiederum später von Dieselloks überholt.
Vergessen ist die Vergangenheit aber nicht. Als am Mittwoch der Bahnhersteller Bombardier wie berichtet in Hennigsdorf seinen Batteriezug „Talent 3“ vorstellte, erinnerten die Ingenieure an die Pfälzer Jungfernfahrt vor 122 Jahren. Zurück in die Zukunft: Diese Woche stellt Bombardier seine Innovation auf der „Innotrans“ vor, der Berliner Bahntechnikmesse, die den Titel „The Future of Mobility“ trägt. Von diesem Dienstag an bis zum 21. September öffnet auf dem Berliner Messegelände die Verkehrsmesse ihre Tore für Fachbesucher Zwei Publikumstage am 22. und 23. September schließen sich an (Tagesticket: drei Euro).
Bahntechnik ohne Diesel liegt im Trend
Die Brandenburger sind nicht allein. Bahntechnik, die ohne Diesel auskommt, ist ein Megathema der Branche: Batterie- oder Brennstoffzellenzüge, alternative Antriebe, synthetische Kraftstoffe – fast alle Hersteller entwickeln Technologien, die in eine Zukunft weisen, die CO2-ärmer, leiser und energieeffizienter sein soll.
Nicht nur im Straßenverkehr, auch auf der Schiene besteht Handlungsbedarf. Bis 2050 soll Deutschland weitgehend treibhausgasneutral sein. Im Verkehrsbereich sind die CO2-Emissionen aber nicht gesunken, sondern deutlich gestiegen – vor allem auf der Straße. Zwar hat die Bahn gegenüber Pkw, Lkw, Flugzeug oder Binnenschiff einen Umweltvorteil, weil pro Kopf weniger Kraftstoff verbraucht und Abgase in die Luft geblasen werden. Doch es bleiben Altlasten. Der Schienenverkehr als Ganzes ist immerhin für rund ein Fünftel der Feinstaubemissionen im Verkehr verantwortlich.
Im Fuhrpark der Deutschen Bahn sind noch gut 2300 Diesellokomotiven unterwegs, davon mehr als 900 Loks und Triebwagen, die vor mehr als 20 Jahren zugelassen wurden, als es noch keine Auflagen für den Ausstoß von Luftschadstoffen gab. Gleichzeitig sind nur 60 Prozent des gut 33.000 Kilometer langen Schienennetzes elektrifiziert. Mehr als 13 000 Kilometer können heute also nur mit Dieselzügen befahren werden. Länder wie die Schweiz oder Italien kommen auf eine Elektroquote von 100 oder 71 Prozent. Bis zum Jahr 2025 sollen nach dem Willen der Bundesregierung auch hierzulande 70 Prozent erreicht werden, 75 Prozent sind nach Branchenschätzungen bis 2030 möglich. Das heißt: Auch auf lange Sicht wird ein Viertel der Schieneninfrastruktur nicht elektrifiziert sein. Was aber, wenn künftig auch auf der Schiene Fahrverbote für alte Dieselloks verhängt werden? Ein Szenario, das man in der Branche für denkbar hält. Auch aus diesem Grund haben sich im April dieses Jahres maßgebliche Verbände und Unternehmen verständigt: Der Diesel wird zum Fahrplanwechsel 2024 bei Neuwagen aus dem Nahverkehr verbannt.
Europäische Bahntechnik-Hersteller sind wettbewerbsfähig
Doch wer schließt die Lücke? Weil der Bau von Oberleitungsstrecken teuer ist, haben Züge eine Chance, die ihren Elektroantrieb selbst an Bord haben. Die Fachwelt spricht von E/E-Hybriden. Auf der Innotrans werden erstmals in dieser Fülle serienreife Fahrzeuge vorgestellt. Anders als im Automobilbereich zeigt sich, dass deutsche und andere europäische Bahntechnikhersteller beim Thema Elektromobilität wettbewerbsfähig sind.
Eine dem Bombardier-Zug ähnliche Entwicklung präsentiert Siemens Mobility zusammen mit den Österreichischen Bundesbahnen. Der „Cityjet eco“ ist ebenfalls ein Akkutriebzug, dessen Lithium-Titanat-Batterien sich in kürzester Zeit per Oberleitung aufladen lassen. Ende 2019 wird er im Fahrgastbetrieb eingesetzt.
Auf Wasserstoff und eine Brennstoffzelle setzt „Coradia iLint“, ein emissionsfreier Regionalzug des Herstellers Alstom, der in Salzgitter gebaut wird. Schon an diesem Sonntag geht der Zug, der Wasserstoff direkt in elektrische Energie umwandelt, auf Premierenfahrt zwischen Cuxhaven und Buxtehude. Mit einer Reichweite von 1000 Kilometern und einer Höchstgeschwindigkeit von 140 Stundenkilometern ist er auf Augenhöhe mit einem Dieselzug. Bis Ende 2021 will Alstom 14 Brennstoffzellenzüge an die niedersächsische Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG) liefern.
Auch die neue Berliner S-Bahn ist zu sehen
Auch der Zughersteller Stadler will auf der Innotrans nicht nur die mit Spannung erwartete neue Berliner S-Bahn vorstellen. Hinter den Kulissen der Messe wird auch über den ersten Batteriezug des Schweizer Herstellers gesprochen, der in Berlin-Pankow mit 1100 Mitarbeitern Straßen- und Stadtbahnen baut. Offiziell gibt es noch keine Bestätigung, aber Branchenkreisen zufolge wird Stadler in Kürze eine Batterieversion seines Nahverkehrsmodells „Flirt“ präsentieren. Künftig eingesetzt werden könnte der Akku-„Flirt“ – der historische Kreis schließt sich – auf den Regionalverkehrslinien der Pfalz.
Alle großen europäischen Zughersteller haben somit Antriebe im Angebot, die auf eine Elektrifizierung der Strecken nicht mehr angewiesen sind. Ob sich die Technik am Markt durchsetzt, wird von den Verkehrsunternehmen in den Regionen abhängen, die Strecken ausschreiben. Bislang haben sie auf den Preis geschaut. Die Anbieter versprechen trotz höherer Anschaffungskosten, dass sich die neue Technik über die Lebensdauer von 30 Jahren auszahlt – nicht nur für das Klima.