Türkische Wirtschaftskrise: Zentralbank bricht mit Erdogan-Doktrin und erhöht Leitzinsen
Im Kampf gegen einen Verfall der Lira hebt die türkische Zentralbank die Zinsen an. Die Regierung verbietet zudem Immobiliengeschäfte in Euro und Dollar.
Die türkische Zentralbank vollzieht einen Bruch mit der bisherigen Strategie von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan im Kampf gegen die seit Monaten anhaltende Wirtschafts- und Währungskrise. Nach einer Sitzung am Donnerstag verkündete die Notenbank eine für die meisten Beobachter überraschend kräftige Anhebung der Leitzinsen. Der wichtigste Zins werde von 17,75 auf 24 Prozent angehoben, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Damit stemmen sich die Währungshüter gegen den Wertverlust der Landeswährung Lira sowie gegen die hohe Inflation. Die Lira hatte seit Jahresbeginn rund 40 Prozent an Wert verloren. Die Inflation lag zuletzt bei knapp 18 Prozent.
Der Schritt zeigte umgehend Wirkung: Der Kurs der Lira stieg kurz nach Verkündigung der Entscheidung um 13 Uhr mitteleuropäischer Zeit um rund fünf Prozent zum US-Dollar. Ein Dollar kostete dann glatt 6,00 Lira.
Experten hatten zwar mit einer deutlichen Anhebung gerechnet. Die Erwartungen der meisten Analysten wurden aber nun übertroffen. Erdogan hatte kurz zuvor bei einer Rede auf eine weitere Zinssenkung gedrängt. Entgegen der gängigen Wirtschaftslehre sieht er Zinserhöhungen nicht als Instrument gegen Inflation, sondern als einen Treiber. Im Wahlkampf zur Präsidentschaftswahl im Juni hatte Erdogan gedroht, die Unabhängigkeit der Notenbank - die auch in der Türkei zumindest formell gilt - einzuschränken. Das hatte international bei Investoren für Irritationen gesorgt und dürfte die Krise beschleunigt haben. Noch ist unklar, inwieweit die Notenbanker mit dem Segen des zunehmend mächtigen Präsidenten gehandelt haben. Er selbst hat sich noch nicht dazu geäußert.
Eine andere Entscheidung von Donnerstag spricht dafür, dass es sich um eine koordinierte Aktion der türkischen Regierung in Ankara und der Zentralbank handelt: So dürfen Immobiliengeschäfte künftig nur noch in der heimischen Lira abgeschlossen werden. Dies gelte nicht nur für neue Kauf- und Mietverträge, heißt es am Donnerstag im Amtsblatt. mit rtr/AFP