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Investieren in Stahl und Beton: Logistik-Chef David Schröder (l) und Zalando-Geschäftsführer Rubin Ritter (r) bei der Eröffnung des Logistikzentrums in Erfurt. Nach ihren Angaben ist es das größte Warenlager für Schuhe und Mode in Europa.
© dpa

Shopping-Portal: Zalando leidet unter Wachstumsschmerzen

Der Online-Händler will 2012 eine Milliarde Euro umsetzen. Was das kostet, sagt er nicht.

Für einen kurzen Moment blieb Matthias Machnig die Luft weg. Das war vor rund 18 Monaten, als ein paar Männer um die 30 Jahre alt, in sein Büro kamen, um mit dem thüringischen Wirtschaftsminister über eine Investition in seinem Bundesland zu sprechen. Ähnlich erging es dem Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein, selbst erst 39. „Ich war überrascht, wie jung sie sind“, sagt er. „Normalerweise sitzen mir bei solchen Gesprächen ältere Herren gegenüber.“ Immerhin sei es um eine Investition von rund 170 Millionen Euro gegangen. Inzwischen steht das Objekt: Mitte der Woche nahm Zalando sein neues Logistikzentrum in Erfurt offiziell in Betrieb. Mit einer Lagerfläche von 120 000 Quadratmetern – 17 Fußballfelder würden hineinpassen – ist es wohl das größte Warenlager für Schuhe und Mode in Europa.

Für die Politiker ist das eine gute Nachricht: Aus den bereits 800 neu entstandenen Arbeitsplätzen vor Ort sollen im kommenden Jahr 1000 und später einmal sogar 4000 werden. Auch für den Online-Händler Zalando ist das ein wichtiger Schritt: Der Bau macht die rasante Entwicklung anschaulich, die das Berliner Start-up in den vergangenen Jahren genommen hat. „Wir sind das am schnellsten wachsende Unternehmen in Europa“, sagt Geschäftsführer Rubin Ritter. Kein anderes Unternehmen habe die Marke von einer Milliarde Euro Umsatz in nur vier Jahren erreicht. Und auch kaum ein anderes ist so umstritten und wird so angefeindet wie Zalando.

Alles begann im Oktober 2008, als die Gründer David Schneider und Robert Gentz in einem Keller in Berlin-Mitte die ersten Flip-Flops, die über ihre Webseite bestellt wurden, zum Versand in Kisten packten und dann zur Post fuhren. „Die Hotline war auf mein Handy geschaltet“, erzählt Schneider. Bald fuhren sie täglich zur Post und nach ein paar Wochen bot die ihnen an, die Pakete auch abholen zu können. Inzwischen ist Zalando nicht nur Deutschlands größter Schuhhändler, sondern verkauft daneben auch Mode und Accessoires in 14 Ländern Europas online, hat mehr als 1000 Marken mit mehr als 100 000 Artikeln im Sortiment und will den Umsatz von 510 Millionen Euro in 2011 im laufenden Jahr mehr als verdoppeln.

Neue Jobs: Im Moment arbeiten 800 Mitarbeiter in dem neuen Logistikzentrum in Erfurt. 2013 sollen es 1000 sein.
Neue Jobs: Im Moment arbeiten 800 Mitarbeiter in dem neuen Logistikzentrum in Erfurt. 2013 sollen es 1000 sein.
© dpa

Doch viele Beobachter trauen der Erfolgsgeschichte nicht. Die hohen Umsätze seien teuer erkauft, mit aggressivem Marketing künstlich aufgebläht, lautet ein Vorwurf. Wer kennt sie nicht, die – gerade mit dem Deutschen Marketingpreis ausgezeichneten – Werbespots „Schrei vor Glück“? Zudem entstünden durch die kostenfreie Lieferung und die ebenso kostenfreie Rücksendung innerhalb von 100 Tagen hohe Kosten für Rücknahme und Aufbereitung der Ware. Die deutschen Kunden – verwöhnt von den traditionell großzügigen Rückgaberegelungen der traditionellen Versandhändler – sind im Vergleich zu ihren Nachbarn in Europa ohnehin besonders rücksendefreudig. Eine Retourenquote von 50 bis 60 Prozent gilt als normal. Bei Zalando, so munkelt man, soll sie noch viel höher liegen.

Hinzu kommt, dass Rocket Internet 38 Prozent an Zalando hält. Rocket Internet ist die Firma, die die Internetunternehmer Alexander, Marc und Oliver Samwer nutzen, um aus Geschäftsideen möglichst schnell erfolgreiche Unternehmen zu machen – um sie dann teuer zu verkaufen. Doch nicht alles, womit die Samwers reich wurden, erwies sich später als nachhaltig erfolgreich. Neben Rocket haben aber unter anderem auch Holtzbrinck und Tengelmann Ventures sowie die schwedischen und russischen Geldgeber Kinnevik und DST Global bei Zalando investiert. Wie hoch ihr Engagement ist, dazu gibt es keine offiziellen Zahlen. Man sei gut finanziert, sagt Geschäftsführer Rubin Ritter, ein Börsengang stehe derzeit nicht an. Zuletzt erhielt Zalando einen Kredit von Commerzbank und Mittelthüringischer Sparkasse über 40,7 Millionen Euro, unter anderem zur Finanzierung des Logistikzentrums.

Immer noch rote Zahlen.

Dass Zalando immer noch rote Zahlen schreibt, gibt Ritter unumwunden zu. Für ein Start- up, gerade einmal vier Jahre alt, sei dies normal. Der letzte im Bundesanzeiger veröffentlichte Jahresabschluss für 2010 weist bei einem Umsatz von 150 Millionen Euro einen Verlust von 20 Millionen Euro aus. Natürlich habe Zalando viel Geld in den Aufbau der Marke gesteckt, sagt Ritter, ohne Zahlen zu nennen. Auch das sei legitim, solange es durch die Geschäftsentwicklung gedeckt sei. „Wir können das sehr gut steuern“, meint er. Zehn Millionen Kunden habe Zalando inzwischen und wachse weiter schnell. „Die Kunden kommen wieder“, betont Ritter. „Und was für uns wichtig ist: Die Entwicklung geht in allen Märkten in Richtung Profitabilität.“ Dass es Zalando um den nachhaltigen Aufbau des Unternehmens gehe, beweise nicht zuletzt auch die Investition in das neue Logistikzentrum, dem bald ein weiteres in Mönchengladbach folgen soll.

Doch die rasante Entwicklung der vergangenen Jahre – immerhin sind rund 1000 neue Arbeitsplätze in Berlin und weitere 1600 in der Logistik entstanden – hat Zalando verändert. Von einer Verschnaufpause wollen Schneider und Ritter nicht sprechen. „Wir wollen weiter dynamisch wachsen“, sagt Schneider. „Auch wenn wir immer mehr Strukturen aufbauen, wollen wir unseren Charakter beibehalten.“ Eine Expansion in weitere Länder sei derzeit nicht geplant. Zunächst soll das Potenzial in den derzeit 14 Märkten gehoben werden. „Wer so schnell wächst, muss zwischendurch mal ein bisschen aufräumen“, räumt Ritter ein. Einige Dinge müssten in Ordnung gebracht werden, wie etwa die Erweiterung des Angebots an Zahlungsmethoden in einigen Ländern. Auch arbeitet Zalando daran, die Retourenquote zu verringern – etwa durch eine noch bessere Beschreibung der Produkte. Inzwischen ist aus dem Modehändler auch ein Modemacher geworden: Mehr als zehn eigene Marken hat Zalando inzwischen. Mit eigenen Marken lässt sich eine viel bessere Marge erzielen als mit fremden Produkten.

Künftig will Zalando etwas ausführlicher über die Geschäftsentwicklung berichten. Aber wann die ersten schwarzen Zahlen geschrieben werden, dazu sagt Ritter nichts. Handelsexperte Gerrit Heinemann, Leiter des eWeb-Research-Centers der Hochschule Niederrhein, erwartet, dass das Unternehmen im sechsten oder siebten Jahr rentabel sein wird. „Das ist normal für ein Start-up.“ Dass es so viele Kritiker gibt, erklärt er mit dem schnellen Wachstum des Unternehmens, mit dem es sich viele Feinde gemacht habe. „Doch was Zalando macht, hat Hand und Fuß“, sagt er. „Die Kritik kommt von den Wettbewerbern, die Kunden geben dem Unternehmen recht.“

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