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Wirtschaft: Woran es bei der Bafin wirklich hapert

Nach dem Wirecard-Skandal: Insidern und Experten zufolge braucht die deutsche Finanzaufsicht vor allem mehr Expertise und eigene Prüfer.

Frankfurt am Main - Es waren peinliche Bemerkungen, die sich ein potenzieller Kanzlerkandidat kaum leisten kann. „Die Bafin ist vielleicht gut darin, mittelständischen Unternehmen nachzuweisen, dass Handwerkerrechnungen falsch eingebucht wurden“, sagte Grünen-Chef Robert Habeck im Sommer in einem Interview. „Aber sie ist schlecht darin, internationale Finanzakteure zu kontrollieren.“

Habeck zog damit reichlich Spott auf sich. Denn tatsächlich beaufsichtigt die deutsche Finanzaufsicht Bafin Banken, Versicherer und Kapitalmarktgesellschaften. Handwerkerrechnungen kontrolliert dagegen das Finanzamt. Habecks Äußerungen zeigen, dass selbst manche Spitzenpolitiker nicht wissen, was die Bankenkontrolleure genau machen. Und dieses Manko spiegelt sich aus Sicht von Experten und Insidern auch in der öffentlichen Debatte über eine Reform der Bonner Behörde wider.

Der Tenor bei aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern, Finanzpolitikern sowie Fachleuten aus dem In- und Ausland: Neue Kompetenzen allein werden nicht reichen, um die Bafin nach dem Betrugsskandal beim Zahlungsdienstleister Wirecard schlagkräftiger zu machen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Behörde selbst mehr qualifiziertes Personal bekommt, um Bilanzen zu durchforsten und Unternehmen bei Prüfungen vor Ort auf die Finger zu schauen.

„Die Bafin ist ein einziges großes strukturelles Personalproblem“, sagt ein früherer Mitarbeiter. Nur wenige Beschäftigte hätten je ein Unternehmen von innen gesehen, es gebe so gut wie keine Spezialisten für Wirtschaftsprüfung oder Forensik. „In der Bafin sitzen viele Beamte mit juristischem Hintergrund, die an ihren Schreibtischen abnicken, was ihnen von außen vorgelegt wird, und Strichlisten abhaken“, moniert der Ex-Mitarbeiter. Deshalb bringe es nichts, einfach 100 oder mehr neue Beamte einzustellen.

Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende, teilt diese Einschätzung. Statt permanent Prüfaufträge an Dritte zu vergeben, müsse die Bafin selbst Kompetenzen aufbauen, fordert er. An Wirtschaftsprüfer ausgelagert werden sollten Untersuchungen aus Sicht von Schick nur in Ausnahmefällen – etwa bei technischen Nischenthemen oder Vorfällen im Ausland. Als Vorbild nennt Schick die US-Einlagensicherung FDIC, die auch ein Bankenregulierer ist und in erster Linie auf eigene Prüfer setzt.

Im Vergleich zu den US-Behörden ist die Bafin bei der Kontrolle von Banken und Unternehmen deutlich stärker auf Dritte angewiesen. Aus einer Kleinen Anfrage des Linken-Abgeordneten Fabio De Masi geht hervor, dass die Behörde derzeit lediglich fünf Experten mit einer Zulassung als Wirtschaftsprüfer beschäftigt. „Damit bleibt die Bafin in gefährlicher Abhängigkeit von den Big Four“ – also von den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Deloitte, EY, KPMG und PwC –, kritisiert De Masi.

Wenn die Bafin Unternehmen prüft, kann sie dies entweder mit eigenen Mitarbeitern tun oder Wirtschaftsprüfer, Beratungsfirmen oder die Bundesbank damit beauftragen. Bei der Bankenaufsicht ist gesetzlich geregelt, dass Prüfungen vor Ort in der Regel Bundesbank-Mitarbeiter übernehmen. Bafin-Beschäftigte können jedoch daran teilnehmen, wenn sie sich selbst ein Bild von der Lage verschaffen wollen. In der Praxis geschieht dies jedoch eher selten. „Insgesamt nehmen 105 Beschäftigte der Bafin regelmäßig an Vor-Ort-Prüfungen von Banken und Finanzdienstleistern teil“, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Linken-Anfrage.

Das entspricht knapp vier Prozent aller 2722 Mitarbeiter, die die Bafin Ende 2019 beschäftigte. Die Angaben beziehen sich laut Bundesregierung zwar nur auf Prüfungen, die in die Zuständigkeit der Bafin und nicht der EZB fallen. Dennoch hat sich mittlerweile sowohl im Finanzministerium als auch in der Bafin-Spitze die Einsicht durchgesetzt, dass die Bafin mehr eigenes Personal benötigt.

Die Bonner Behörde habe in der Vergangenheit zwar eigene Prüfungskapazitäten aufgebaut, sagte der oberste Bafin-Bankenaufseher Raimund Röseler im November auf der „Handelsblatt“-Tagung „European Banking Regulation“. Aber: „Ich glaube, das müssen wir ausbauen.“ Aktuell konzentriert sich die Behörde laut Röseler stark auf die Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung von Banken. Das sei für traditionelle Kreditbanken sinnvoll, nicht aber für Finanzdienstleister aus dem Technologiesektor. Wirecard habe im Zahlungsverkehr beispielsweise eine Marge von rund sechs Prozent ausgewiesen, sagte Röseler. „Wer in dem Markt aktiv ist, weiß, dass sechs Prozent auffällig sind.“

Finanzwende-Vorstand Schick sieht das ähnlich. „Es fehlt an der ökonomischen Durchdringung der Geschäftsmodelle“, sagt er. „Deshalb erkennt die Bafin kriminelle Geschäftsmodelle nicht.“ Das sei auch bei den sogenannten Cum-Ex-Geschäften, durch die ein Milliardenschaden für den Steuerzahler entstand, der Fall gewesen. Die Bafin hätte sich hier aus Sicht von Schick genauer anschauen müssen, warum es rund um den Dividendenstichtag so viele Aktiengeschäfte gab – und womit die Handelsabteilungen der Banken so viel Geld verdienten.

Im Bankensektor gibt es zur Kompetenz der deutschen Finanzaufsicht unterschiedliche Einschätzungen. Manche Institute berichten, dass Bafin-Mitarbeiter bei Themen wie der Liquiditätssteuerung eng am Ball sind und sich auch mit kleinsten Details auskennen. Andere Geldhäuser äußern dagegen den Wunsch, dass die für sie zuständigen Bafin-Mitarbeiter ihr Geschäft besser verstehen – und dann auch bessere Entscheidungen treffen.

Aufsichtsexperte Andreas Steck von der Kanzlei Linklaters ist ebenfalls der Ansicht, dass die Bafin ihre prüferische Expertise stärken sollte. „Es ist immer gut, selbst mehr Kompetenzen im eigenen Haus zu haben und nicht zu stark von Berichten von Dritten abzuhängen.“ Darüber hinaus fordert Steck einen intensiveren personellen Austausch zwischen der Bafin und der privaten Wirtschaft. „In den USA und anderen Ländern sind solche Seitenwechsel üblich und tragen dazu bei, dass die Aufsichtsbehörden sehr gutes Personal bekommen.“ In den Vereinigten Staaten gelte es als Ehre, für den Regulator zu arbeiten.

Schick und viele Oppositionspolitiker sind der Ansicht, dass ein Neustart bei der Bafin nur mit einem Personalwechsel an der Spitze gelingen kann. BehördenChef Felix Hufeld hat entsprechende Forderungen jedoch zurückgewiesen. Auch Rufe nach einem Kulturwandel bei der Bafin kann Hufeld nicht nachvollziehen. „Das ist grober Unfug“, sagte er kürzlich bei einer Konferenz. „Wir sind ein sehr harter Aufseher.“ Verantwortlich dafür, dass die Bafin den Wirecard-Skandal nicht verhindert hat, sind aus seiner Sicht vor allem fehlende Befugnisse. HB

Astrid Dörner[Martin Greive], Andreas Kröner

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