Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Wirtschaftsprüfer wollen nicht im Bamf helfen
Top-Wirtschaftsprüfer sollten die Flüchtlingsbehörde Bamf unterstützen. Am Ende steht ein Riesenflop: Von den vier großen Beratungshäusern ist nur ein Mitarbeiter ins Bamf gewechselt.
Der Arbeitsberg ist weiterhin groß. Rund 490.000 Asylanträge warten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) derzeit auf Bearbeitung, über mehr als 530.000 Anträge ist Stand November in diesem Jahr bereits entschieden worden – allerdings nicht mithilfe von zahlreichen Mitarbeitern der vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, wie es ursprünglich geplant war. Die im Frühjahr groß angekündigte Unterstützung des Bamf durch Deloitte, EY, KPMG und PWC ist gefloppt. Offenbar wechselte von den sogenannten „Big Four“ lediglich ein einziger Mitarbeiter in die Behörde. Insgesamt.
Dabei war die Idee auf große Zustimmung gestoßen. „Es ist für uns ganz selbstverständlich, dass wir das Bamf in diesem Prozess unterstützen“, sagte ein Bereichsvorstand von KPMG im April dem „Handelsblatt“. Auch die anderen Firmen waren dazu gern bereit mit Blick auf ihre „Corporate Responsibility“, wie die unternehmerische Verantwortung im Managersprech genannt wird.
Für bis zu sechs Monate sollten die Wirtschaftsprüfer die Behörde unterstützen
Weil in den eigenen Reihen und auf dem Arbeitsmarkt offensichtlich nicht ausreichend Kräfte zu finden waren, kam Behördenchef Frank-Jürgen Weise auf die Idee, die Unternehmen um Hilfe zu bitten. Wer Zahlen und Bilanzen prüfen kann, der kann auch Menschen prüfen. Gesucht wurden Mitarbeiter, die das Prozessmanagement beherrschen, über Verwaltungskenntnisse verfügen und interkulturelle Erfahrung mitbringen. Für bis zu sechs Monate sollten die Wirtschaftsprüfer angestellt werden, in der Entgeltgruppe 12, was einem Jahresgehalt zwischen 56.000 bis 67.000 Euro entspricht, keine schlechte Bezahlung für einen Leiharbeiter.
Im Mai sollte es losgehen, doch heute, knapp sechs Monate später, ist aus dem vollmundigen Angebot ein kleinlautes Schweigen geworden. Kein Vorstand und kein Sprecher der „Big Four“ will sich offiziell dazu äußern, warum die Unterstützung gescheitert ist. Deloitte teilt lediglich mit, „aktiv das freiwillige, gesellschaftliche Engagement unserer Mitarbeiter“ zu fördern, „das Bamf tatkräftig zu unterstützen, indem wir die Details an unsere Mitarbeiter kommunizieren und sie motivieren, sich für diese Initiative zu engagieren.“ Wie viele sich dann aber tatsächlich motivieren ließen, sagt die Sprecherin nicht. Zwei andere Unternehmen lassen wissen, dass gar kein Mitarbeiter ins Bamf gegangen ist, vom vierten heißt es, dass ein Mitarbeiter temporär in die Behörde gewechselt sei – offenbar der Einzige der vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
Nur die BDO hat Mitarbeiter ins Bamf geschickt
Zwar schweigt auch das Bamf zur konkreten Zahl. „Aus datenschutzrechtlichen Gründen“ könne nicht genannt werden, wie viele Mitarbeiter von den „Big Four“ ausgeliehen worden seien. Insgesamt aber hätten sich 80 Mitarbeiter von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beworben. „Davon sind letztlich rund ein Viertel eingestellt worden“, teilt eine Bamf-Sprecherin mit. Die aber kommen offenbar fast alle ausschließlich von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO, die nicht zu den „Big Four“ gehört. „Insgesamt 19 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind temporär für das Bamf tätig, die erste Kollegin seit Ende Juni 2016“, erklärt ein Sprecher von BDO. Bleibt noch der eine genannte Mitarbeiter des einen „Big Four“-Unternehmens übrig.
Warum aber hat sich die groß angekündigte Unterstützung zum Flop entwickelt? Dafür gibt es bei den Unternehmen verschiedene Erklärungen. Ein Unternehmen verweist darauf, dass die Bewerbungsfrist von 14 Tagen zu knapp gewesen sei, um alle Unterlagen zu organisieren sowie die Auszeit mit den Vorgesetzten zu planen. Daran allein kann es jedoch nicht gelegen haben. Denn auch später habe es weitere Ausschreibungen gegeben, heißt es vom Bamf. Für die Beschäftigten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften hätten dabei die gleichen Regelungen gegolten wie für alle übrigen Bewerber.
Hatten die Wirtschaftsprüfer Angst um ihre Karriere?
Andere Unternehmen verweisen darauf, dass sich viele Mitarbeiter wohl aus „persönlichen Gründen“ im Hinblick auf einen möglicherweise notwendigen Umzug gegen den temporären Wechsel in die Behörde entschieden hätten. Womöglich hatten manche Mitarbeiter auch Sorge, dass die Auszeit im Unternehmen der Karriere schaden könnte.
Bei BDO heißt es dagegen, dass der Bewerbungsprozess und die Zusammenarbeit mit dem Bamf „hoch professionell und sehr kooperativ“ verlaufe. „Die Kollegen vor Ort berichten ausnahmslos von wertvollen und sehr bereichernden Erfahrungen“, erklärte ein Sprecher.
7.200.000 Euro hat das Bamf bisher insgesamt für die Wirtschaftsprüfer ausgegeben, teilt eine Sprecherin der Behörde mit. Dabei handele es sich „um die üblichen tariflichen Personalkosten und nicht etwa Beraterrechnungen oder derartige externe Kosten“.
Die Telekom hat dagegen über 300 Mitarbeiter ausgeliehen
Allerdings sind die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nicht die einzigen Stellen, bei denen das Bamf um Unterstützung gebeten hat. Auch von ehemaligen Staatsunternehmen kommen Mitarbeiter: 385 Mitarbeiter von der Deutschen Telekom, 82 Mitarbeiter von der Deutschen Post. Von Bundesministerien, von der Bundeswehr, dem Zoll und der Bundesagentur für Arbeit kommen insgesamt 1450 Mitarbeiter. Die Zahl der festen Stellen wurde fast verdoppelt, von 3500 Stellen im Januar 2016 auf 6650 im November. Trotzdem ist die Wartezeit von der Antragstellung bis zur Entscheidung seit Januar gestiegen, von durchschnittlich 5,6 Monaten auf 6,9 Monate im November. „Dieser Anstieg ist jedoch positiv“ erklärt eine Sprecherin, er sei darauf zurückzuführen, dass das Bundesamt „momentan viele alte, oft komplexere Verfahren abschließt, die schon längere Zeit anhängig sind und oft umfangreiche Nachrecherchen erfordern“. Die Verfahrensdauer werde wieder sinken, wenn diese Altfälle abgeschlossen seien.
Die Bearbeitungsdauer der Asylanträge, die seit Juni gestellt worden sind, sei jedoch deutlich kürzer und betrage im Schnitt nur noch zwei Monate. Sie liege damit deutlich unter dem von der Politik gesetzten Ziel von drei Monaten. Das zeige, dass die neuen Abläufe und Verfahren im Bamf „mittlerweile greifen“ würden, deshalb sei auch keine weitere Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften geplant.
Auch Berlin hatte sich einst Unterstützung von Beratern erhofft. McKinsey hatte 2015 zunächst unentgeltlich das Flüchtlingsmanagement des Senats unterstützt, zum Jahresende hatte das Unternehmen dann aber einen mit 238.000 Euro dotierten Auftrag bekommen, an einem Masterplan Integration und Sicherheit mitzuarbeiten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb gegen Björn Böhning, den Chef der Senatskanzlei, wegen des Verdachts der Vorteilsgewährung.
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