Griechenland als Musterschüler: Wirtschaftsexperten loben Athens Reformen
Sechs Jahre lang schrumpfte die Wirtschaft in Griechenland. Nun bescheinigen Volkswirte dem Krisenland Fortschritte. Und auch die Stimmung im Land hellt sich auf.
Griechenland ist reformeifriger als sein Ruf. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Berenberg Bank und des Lisbon Council, einer Denkfabrik, die sich mit Themen wie Bildung, Arbeit, nachhaltiges Wachstum und Innovation beschäftigt. Im „Euro Plus Monitor“ bekommt Griechenland die beste Note aller Euro-Problemstaaten bei der Umsetzung von Reformen. Immer noch steckt Griechenland am tiefsten im Schlamassel. Nach sechsjähriger Rezession, die rund ein Viertel der Wirtschaftskraft vernichtete, wird das Land aber voraussichtlich in diesem Jahr zum Wachstum zurückkehren. Es dürfte mit 0,6 Prozent zunächst sehr schwach ausfallen.
Das Land hat aber auch die größten Fortschritte bei der fiskalischen Konsolidierung gemacht. Innerhalb von vier Jahren hat Griechenland seinen Staatshaushalt um einen Betrag entlastet, der 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. „Eine ähnlich drakonische Korrektur hat es in der westlichen Welt in Friedenszeiten sonst kaum je gegeben“, stellt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, fest.
OECD-Chef Gurría: Beeindruckendes Programm
Anders als oft wahrgenommen, hat Griechenland bei den wirtschaftlichen Strukturreformen ebenfalls große Fortschritte vorzuweisen. Das ist auch bitter nötig, denn von allen Krisenstaaten hatte Griechenland den größten Nachholbedarf. Bei den Anpassungsfortschritten liegt Griechenland in der aktuellen Studie mit 8,7 von zehn möglichen Punkten an der Spitze, gefolgt von Irland, Spanien und Portugal.
Zu ähnlichen Ergebnissen wie Lisbon Council und Berenberg kommt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). In den vergangenen drei Jahren bekamen die Griechen für ihren Reformeifer eine Note von über 0,8. Bestmöglicher Wert ist 1. OECD-Chef Angel Gurría spricht vom „beeindruckendsten Programm, das ich je gesehen habe.“ Irland, Spanien und Portugal liegen zwischen 0,6 und 0,7 Punkten, Italien nur bei 0,4.
Der erste Überschuss seit 1948
Kennzeichnend für Griechenland waren lange Zeit sehr hohe Defizite in der Leistungsbilanz. Vereinfacht gesagt, verbrauchte das Land mehr als es produzierte. 2013 erwirtschafteten die Griechen erstmals seit 1948 einen Überschuss, weil sie mehr Waren aus- und weniger eingeführt haben. Das Land lebt also auch im Außenhandel nicht mehr über seine Verhältnisse. Auch hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit holen die Griechen auf: Bei der Senkung der Lohnstückkosten nimmt Griechenland in der Lisbon/Berenberg-Studie mit 8,3 Punkten ebenfalls den Spitzenplatz ein.
Dass es aufwärtsgeht, zeigt auch das monatlich vom Athener Forschungsinstitut IOBE ermittelte Wirtschaftsklima. Es spiegelt die Erwartungen der Industrie, des Dienstleistungssektors, des Handels und der Verbraucher. Mit einem Indexwert von 99,1 erreichte das Wirtschaftsklima im Mai den höchsten Stand seit sechs Jahren.