Bilanzskandal bei Zahlungsdienstleister: Wirecard-Aktie pulverisiert – Konzern vermutet „gigantischen Betrug“
Bei Wirecard gibt es Unklarheiten in der Jahresbilanz, deren Vorlage wird erneut verschoben. Der Konzern erstattet Anzeige gegen unbekannt.
Der Wirtschaftskrimi um den Zahlungsdienstleister Wirecard spitzt sich dramatisch zu. Wegen möglicher falscher Angaben zu „Täuschungszwecken“ in Milliardenhöhe musste der Dax-Konzern die Vorlage seines Jahresabschlusses für 2019 am Donnerstag quasi in letzter Minute ein weiteres Mal verschieben. Die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY habe das Unternehmen darüber informiert, dass über die Existenz von Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von 1,9 Milliarden Euro keine ausreichenden Prüfungsnachweise vorlägen, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit.
Die Summe entspreche etwa einem Viertel der Konzernbilanzsumme. Der Vorstand arbeite mit Hochdruck daran, den Sachverhalt in Abstimmung mit dem Prüfer weiter aufzuklären.
Die Aktie des Zahlungsabwicklers stürzte am Donnerstagvormittag um fast 70 Prozent ab und waren vorübergehend vom Handel ausgesetzt worden. Mit 35 Euro befand sich der Kurs zwischenzeitlich in etwa auf dem Niveau von Juni 2016. Im Anschluss erholte sich der Kurs etwas, lag aber am Mittag noch immer mit über 40 Prozent im Minus.
Wirecard kündigt Klage an
Wirecard will nun Strafanzeige gegen unbekannt erstatten, wie ein Sprecher sagte. Das Unternehmen sehe sich als mögliches Opfer eines „gigantischen Betrugs“.
Es gebe Hinweise, dass dem Abschlussprüfer von einem Treuhänder oder aus dem Bereich von Banken, die die Treuhandkonten führen, „unrichtige Saldenbestätigungen zu Täuschungszwecken vorgelegt wurden“, hieß es in der Mitteilung.
Der Konzern muss seine bereits mehrfach - zuletzt auf diesen Donnerstag - verschobene Vorlage des Jahresabschlusses für 2019 daher erneut vertagen. Ein neues Datum steht noch nicht fest. „Der Vorstand arbeitet mit Hochdruck daran, den Sachverhalt in Abstimmung mit dem Abschlussprüfer weiter aufzuklären“, hieß es. Sollte der Konzern einen testierten Abschluss bis Freitag (19. Juni) nicht vorlegen, könnten Kredite der Wirecard AG in Höhe von etwa zwei Milliarden Euro gekündigt werden, warnte das Unternehmen.
Aktionärsschützer fordern staatsanwaltliche Untersuchung
Die Anlegervereinigung DSW fordert wegen des Betrugsverdachts bei Wirecard eine Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft. „Das ist ein rabenschwarzer Tag“, sagte DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. „Wir sind in der Situation, dass Wirecard selbst nicht mehr für Aufklärung und Vertrauen sorgen kann.“ Die Vorgänge sollten nach Einschätzung der DSW von Ermittlern aufgeklärt werden: „Da muss jetzt die Staatsanwaltschaft rein“, sagte Tüngler.
Die Münchner Staatsanwaltschaft ist bereits mit Wirecard beschäftigt, aber bislang nicht wegen Verdachts falscher Bilanzierung. Bislang prüft die Staatsanwaltschaft mögliche Manipulationen mit Wirecard-Aktien an der Börse und den Verdacht der Falschinformation von Anlegern in zwei ad-hoc-Meldungen durch den Wirecard-Vorstand.
„Jetzt ist auch der Aufsichtsrat gefordert“, sagte Tüngler. „Was bedeutet das personell, was bedeutet das für die Aufstellung des Konzerns?“ Wirecard-Vorstandschef Markus Braun stand schon vor der jüngsten Veröffentlichung wegen des Ermittlungsverfahrens im Zusammenhang mit den Börsen-Pflichtmeldungen erheblich unter Druck. Wichtig sei auch die Rolle der Prüfer bei EY, sagte Tüngler. In der Vergangenheit habe EY Wirecard auf gleicher Informationsbasis das Testat ausgestellt.
Auch in der Politik ist man entsetzt. "Wirecard ist der Philipp Amthor der Deutschen Börse", sagt Linken-Politiker Fabio De Masi. "Die Finanzaufsicht Bafin hat viel zu lange zugeschaut, und stattdessen Journalisten der Financial Times der Marktmanipulation bezichtigt." Leidtragende seien nun die Kleinanleger, die Wirecard-Aktien gekauft hätten. "Die Bafin muss ihre Aufsichtskultur radikal ändern", fordert De Masi.
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Börse prüft mögliche Sanktionen gegen Wirecard
Angesichts der erneuten Verschiebung der Bilanzvorlage droht Wirecard ein Sanktionsverfahren der Deutschen Börse. Wie in solchen Fällen üblich wird aufgrund der nicht fristgerechten Lieferung des Jahresfinanzberichts die Einleitung eines Sanktionsverfahrens geprüft, sagte ein Sprecher der Deutschen Börse der Finanznachrichtenagentur dpa-AFX.
Da der Dax-Konzern mit der erneuten Verschiebung allerdings erstmals gegen seine Börsenpflicht verstoßen habe, sei die Einleitung eines Sanktionsverfahrens aktuell eher unwahrscheinlich, hieß es von einem Insider. Sollte es doch dazu kommen, wäre der Sanktionsausschuss als unabhängiges Börsen-Organ zuständig, der auch etwaige Strafen festlegen würde. Die finanzielle Höchststrafe betrage eine Million Euro. (dpa, Reuters)
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