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8000 Liter im Jahr - das ist der Durchschnitt für eine Milchkuh.
© dpa

Milchpreise: Wir zahlen zu wenig

55 Cent für einen Liter? Das kann nicht sein. Milch ist zu billig. Das schadet den Bauern und ihren Tieren. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Dass irgendetwas nicht stimmen kann, merkt jeder, der einkaufen geht. 55 Cent kostet die billigste Milch im Kühlregal des Supermarkts. Orangensaft ist teurer, Cola auch.

Kein Wunder, dass die Milchbauern auf die Barrikaden gehen. Seit Wochen protestieren die Landwirte, treffen sich zu Sternfahrten oder Kundgebungen. Manchmal schütten sie auf ihren Demos auch demonstrativ Milch in den Gully. Warum auch nicht? Zehn Liter Milch, die im Abwasser verschwinden, bringen sie gerade mal um 2,90 Euro. 29 Cent bekommen die Kuhbauern nämlich derzeit von den Molkereien für den Liter. Das ist zu wenig. Denn um Futter, Strom, Stallreparaturen oder den Tierarzt zu bezahlen, müssen die Bauern selbst über 40 Cents pro Liter aufwenden. Dass das nicht gut gehen kann, liegt auf der Hand. Tausenden Betrieben droht inzwischen die Pleite.
Die europäischen Agrarminister stehen unter Druck. Denn von selbst wird sich das Problem nicht lösen. Das liegt an der Weltkonjunktur und an den Bauern selbst. Russland und China nehmen deutlich weniger Milch ab als früher, gleichzeitig haben die Bauern aber nach dem Auslaufen der Milchquote in diesem Frühjahr ihre Produktion kräftig gesteigert. Dass das nicht zusammenpasst, ist offensichtlich. Mehr Produktion bei weniger Nachfrage führt zu einem Verfall der Preise.

Lidl und Aldi drücken nicht weiter

Daran ändert auch nichts, dass Lidl inzwischen versprochen hat, die Einkaufspreise nicht noch weiter zu drücken. Und auch das Angebot von Aldi, bayerischen Bauern für gentechnikfreie Regionalmilch zwei Cents mehr zu zahlen – um diese Milch dann im Laden zehn Cents teurer zu verkaufen – hilft den Bauern nicht wirklich weiter.
Es ändert nichts: Wenn die Politik ein massives Hofsterben verhindern will, muss sie den Bauern finanziell über die Runden helfen. Um die größte Not zu lindern und um Zeit zu erkaufen. Zeit für Reformen und Zeit für ein Umdenken bei den Landwirten. Denn das ist bitter nötig – auch im Interesse der Kühe. 8000 Liter Milch gibt eine durchschnittliche Kuh heute im Jahr, das ist doppelt so viel wie 1960. Turbo-Hochleistungstiere bringen es sogar auf 20.000 Liter. Ein enormer Stress für die Tiere. Mit fünf Jahren werden die Kühe heute zum Schlachter gefahren, sie sind ausgelaugt, fertig, oft auch krank. Eine Schande. Eine Kuh könnte locker 15 Jahre alt werden, würde sie nicht auf Leistung getrimmt.
Immer mehr, immer billiger – mit ihrer Intensivlandwirtschaft schaufeln sich die Milchbauern ihr eigenes Grab. Die Krise, in der sie heute stecken, ist aber auch eine Chance. Sie könnte und sollte ein Wendepunkt sein hin zu einer nachhaltigeren Produktion. Dass das funktioniert, zeigt die Bio-Milch. Sie ist deutlich teurer – und wird trotzdem gekauft.
Milch ist nämlich ein ganz besonderer Saft. Nicht weil sie müde Männer munterer macht oder gegen Maroditis hilft oder welchen Blödsinn sich die Werbeagenturen sonst noch einfallen lassen. Nein, sie ist etwas Besonderes, weil sie eines der ältesten und natürlichsten Lebensmittel ist. Ein fairer Preis für eine faire Produktion, das muss das Ziel sein – für die Bauern, die Kunden und die Tiere.

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