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Verblühte Landschaften: Viel zu wenig Regen, und dann trocknet auch noch die Sonne den Boden aus und verursacht vor allem im Norden und Osten Missernten.
© Oliver Berg/dpa

Bauernpräsident Rukwied: „Wir wünschen uns eine Milliarde Euro“

Bauernpräsident Joachim Rukwied spricht im Interview über die Dürre, Hilfen für Landwirte, steigende Getreidepreise und US-Soja für Europa.

Herr Rukwied, wie ist die Ernte?

Für uns Bauern eine schwierige Getreideernte. Wir hatten zwar stabiles Erntewetter, aber schlechte bis miserable Ernteergebnisse.

Läuft die Ernte auf Ihrem Hof noch?

Nein, wir sind durch. Wir waren noch nie so früh fertig wie in diesem Jahr.

Und wie sieht Ihre persönliche Bilanz aus?

Nicht so toll. Bei der Wintergerste haben wir 15 Prozent weniger geerntet, beim Weizen waren es knapp 20 Prozent minus, bei der Sommergerste etwas mehr als 20 Prozent, und beim Raps haben wir sogar 40 Prozent weniger vom Feld geholt. Das ist natürlich nicht so dramatisch wie im Norden und Osten, aber wir hatten letztes Jahr schon eine schwache Ernte. In diesem Jahr ist es noch mal schlechter. Das schmerzt schon.

Ihr Hof liegt in Baden-Württemberg. In Brandenburg sieht es teilweise noch viel schlimmer aus.

Von der Dürre besonders betroffen sind der Osten und der Norden. Es gibt einige Regionen, wo es seit April nicht mehr richtig geregnet hat. Dort haben wir zum Teil Ernteausfälle bis zu 70 Prozent. Es gibt große Probleme beim Getreide, aber auch beim Mais. In Brandenburg ist der Mais zum Teil nur 30 cm hoch, die Pflanzen sind eingerollt, verkümmert, dabei müssten sie jetzt 2,50 Meter hoch sein. Die Milchbauern leiden darunter, dass sie kein Futter für ihre Tiere ernten können und teilweise jetzt schon an ihre Wintervorräte müssen.

Joachim Rukwied ist seit sechs Jahren Bauernpräsident.
Joachim Rukwied ist seit sechs Jahren Bauernpräsident.
© Doris Spiekermann-Klaas

Wie viele Betriebe sind bedroht?

Eine Zahl kann ich Ihnen nicht nennen. Aber klar ist: Alle Betriebe, die massive Ernteausfälle haben, müssen um ihre Existenz fürchten.

Sie fordern Hilfen vom Staat. Aber wenn die Ernte schlecht ist, können Sie doch mehr für Ihre knappen Waren verlangen?

Wir haben einen Markt, der vom Weltmarkt geprägt ist. Die Getreidepreise liegen zwar über dem Niveau des Vorjahres, etwa zehn bis 15 Prozent darüber, aber auch nicht mehr. Und sie liegen deutlich unter dem Niveau des Jahres 2010. Damals waren die Preise 20 Prozent höher als heute. Auf Preiserhöhungen als Ausweg können wir daher nicht hoffen. Wir konzentrieren uns auf das, was umsetzbar ist.

Und das wäre?

Wir wünschen uns eine Unterstützung in Höhe von einer Milliarde Euro. Die kann man in drei Posten aufteilen. Das wichtigste wären Direkthilfen. Dazu muss der Notstand ausgerufen werden. Wenn das der Fall ist, können Betriebe, deren Ernteausfälle verglichen mit den letzten drei Jahren größer als 30 Prozent sind, direkte Unterstützungen bekommen. Das ist wichtig für Betriebe, deren Liquidität akut bedroht ist, um deren Zukunft zu sichern. Aber was ist mit den Betrieben, die Ernteausfälle von 25 oder 28 Prozent haben? Denen ist damit nicht geholfen. Deshalb möchten wir, dass der Staat für die nächsten Jahre den Zuschuss für die Berufsgenossenschaft um mindestens 100 Millionen Euro pro Jahr erhöht. Zudem brauchen wir mehr steuerlichen Spielraum. Die Betriebe müssten steuerfreie Rücklagen bilden könnten, um in schlechten Zeiten diese Polster auflösen zu können.

Klimaexperten warnen, dass die heißen Sommer zunehmen. Müssen sich die Bauern umstellen?

Ich bin kein Klimaexperte, aber es ist offensichtlich, dass sich die Witterungsbedingungen ändern. Wir haben zunehmend stabile Wetterlagen – Hoch- und Tiefdruckgebiete, die sich über Wochen festsetzen. Jetzt ist es die Hitze, aber im vergangenen Jahr ist Brandenburg ja von Starkregen heimgesucht worden. Wir Bauern stehen vor einer doppelten Herausforderung, wir müssen mit beiden Situationen rechnen. Wir brauchen hitzetolerantere Pflanzensorten, aber die helfen nicht gegen Starkregen. Aber die Tendenz geht schon in Richtung der Sorten, die Hitze und Trockenheit besser verkraften können.

Sollten Brandenburger Bauern Olivenbäume pflanzen?

Das ist mir zu spekulativ.

Brauchen Bauern künftig Bewässerungssysteme für ihre Felder?

Bei Kulturen mit einer höheren Wertschöpfung wie etwa Kartoffeln, Obst oder Gemüse ist es sinnvoll, in Bewässerungssysteme zu investieren. Aber das kostet natürlich. Hier bräuchten wir eine begleitende Finanzierung aus Fördermitteln. Der Landwirt allein kann das nicht tragen. Es gibt aber ein Problem: In sehr trockenen Jahren sind auch die Bewässerungsmöglichkeiten eingeschränkt. Dann darf man nur noch bestimmte Mengen Wasser aus den großen Flüssen entnehmen, um die Felder zu bewässern.

Warum versichert sich kein Bauer gegen Ernteausfälle?

Man kann sich gegen Hagel, Sturm und Starkregen versichern, bei einigen Sonderkulturen kann man auch Versicherungen gegen Frostrisiken abschließen - aber das ist ziemlich teuer. Ernteausfallversicherungen gibt es in Deutschland nicht, der wichtigste Sicherungsmechanismus sind die Direktzahlungen des Staates.

Verlassen Sie sich nicht zu sehr auf den Staat? Mit demselben Recht könnten dann ja auch Handwerksbetriebe oder Händler bei Problemen nach dem Staat rufen.

Das tun sie doch. Es gibt immer wieder Programme, um die Wirtschaft anzukurbeln. Nehmen Sie doch mal die Abwrackprämie oder andere Projekte. Außerdem kann man das gar nicht vergleichen. Die Landwirtschaft stellt unsere Lebensmittel her, die Produkte zum Leben, und ohne die kann man nicht existieren. Wir haben eine herausragende Stellung, was die Ernährung der Menschen betrifft. Und wir haben eine herausragende Stellung, wenn es um die Erhaltung des ländlichen Raums geht. 70 Prozent Europas sind ländlicher Raum, das Rückgrat ist die Landwirtschaft.

Wer sind die Gewinner des heißen Sommers?

Für die Obstbauern wird es wohl ein gutes Jahr mit überdurchschnittlichen Ernten. Allerdings brauchen auch sie in den nächsten Wochen Regen, damit sich die Früchte gut ausbilden. Im letzten Jahr mussten die Obstbauern ja erhebliche Frostschäden verkraften, vor allem im Süden. Ähnlich ist das beim Wein. Qualitativ wird das sicher ein sehr guter Jahrgang, quantitativ wäre der eine oder andere Regen in den nächsten Wochen hilfreich. Ich bin ja selbst Winzer. Unsere alten Weinstöcke, die 30 Jahre alt sind und tiefe Wurzeln haben, stehen noch gut da, die jungen Anlagen haben wir schon bewässern müssen.

Zwischen den USA, China und der EU gibt es Handelskonflikte, die auch die Landwirtschaft betreffen. China hat zahlreiche US- Produkte, darunter Soja und Schweinefleisch, mit hohen Strafzöllen belegt. Erhöht das die Chance für die deutschen Bauern, in China mehr Geschäfte zu machen?

Der Streit betrifft ja vor allem Soja. China kauft verstärkt in Südamerika ein und belegt US-Soja mit Strafzöllen. Das macht den amerikanischen Farmern Probleme, US-Präsident Donald Trump will ihnen mit einem Zwölf-Milliarden-Dollar-Programm helfen. Das ist übrigens erheblich mehr als die eine Milliarde Euro, die wir uns wünschen. Die USA suchen jetzt nach neuen Absatzwegen für ihr Soja und wollen ihr Soja verstärkt in Europa verkaufen. Aber das Gentechnikrecht der EU setzt hier hohe Hürden. Ich glaube nicht, dass die US-Farmer kurzfristig große Mengen in die EU exportieren können. Und was den chinesischen Markt betrifft, so hoffen wir, dass wir mehr Schweinefleisch exportieren können als bisher – hoffentlich macht uns die Afrikanische Schweinepest keinen Strich durch die Rechnung.

Nochmal zurück zum Soja: Darf das gentechnisch veränderte amerikanische Soja in der Europäischen Union gar nicht verkauft werden? Oder anders gefragt: Hat EU-Kommissionschef Juncker Trump reingelegt?

In den USA werden immer wieder neue gentechnisch veränderte Sojasorten zugelassen. Die müssten dann aber erst die EU-Zulassungsverfahren durchlaufen, bevor sie bei uns auf den Markt kommen dürfen, und das dauert seine Zeit. Deshalb sehe ich im Moment nicht die große Veränderung der Warenströme.

Joachim Rukwied (56) ist seit sechs Jahren Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV) und somit oberster Bauernlobbyist. Er hat selbst einen großen Hof in der Nähe von Heilbronn, wo er Ackerbau betreibt, Feldgemüse anbaut und Weinberge bewirtschaftet. Der Naturschutzbund Nabu verlieh ihm 2017 wegen seines Einsatzes für die konventionelle Landwirtschaft den Negativpreis „Dinosaurier des Jahres“. In diesen Tagen wirbt Rukwied vor allem für staatliche Finanzhilfen. Während Länder wie Brandenburg bereits Zahlungen zugesagt haben und die EU Auszahlungen an die Landwirte vorziehen will, möchte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) erst einmal den Erntebericht Ende August abwarten.

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