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 Alexander Erdland ist dseit November 2012 Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
© Mike Wolff

Präsident des Versicherungsverbands: „Wir versichern auch selbstfahrende Autos“

An der Kfz-Versicherung ändern selbstfahrende Autos nichts, sagt Alexander Erdland, Präsident des Versicherungsverbands. Im Interview spricht er über Unfälle, Naturkatastrophen und die Altersvorsorge.

Herr Erdland, Umfragen zufolge ist kaum eine Berufsgruppe so unbeliebt wie Versicherungsvertreter. Nur Politiker schneiden noch schlechter ab. Wie wollen Sie das Image der Versicherungsbranche verbessern?

Wir sollten mit den Politikern sprechen, um zu schauen, wie wir gemeinsam an Vertrauen gewinnen können – etwa bei der Reform der Altersvorsorge. Da sind wir auf einem guten Weg.

Minus mal minus ergibt plus?

Ich glaube nicht an das einheitlich schlechte Image der Versicherungsbranche. Wir haben eigene Umfragen, und die zeigen, dass die Kunden mit ihren eigenen Beratern zufrieden oder sogar sehr zufrieden sind.

Also sind immer nur die anderen Berater schlecht.

Natürlich arbeiten wir stetig daran, unser Image zu verbessern. Es ist ja auch schon einiges geschehen. Wir haben die Beratungsqualität verbessert, wir haben mehr Transparenz geschaffen und wir haben unseren Service verbessert. .

Viele Menschen sagen: Eine Versicherung ist so lange gut, bis man sie braucht. Dann lässt sie einen im Regen stehen.

Das ist  Quatsch. Ob eine Versicherung gut ist, zeigt sich doch gerade im Schadensfall. Wir bemühen uns, Schäden schnell und unbürokratisch zu regulieren. Und wir bekommen wirklich sehr wenig Beschwerden, dass die Schadensregulierung nicht klappt. Es ist oft  einfach so, dass Menschen unglücklich sind über den Schaden als solchen – vor allem, wenn sie dagegen nicht versichert sind. Deshalb werben wir zum Beispiel dafür, dass Menschen sich besser gegen Naturkatastrophen absichern.

Viele Hausbesitzer haben keine Versicherung gegen Starkregen, Hagel oder Überschwemmungen, obwohl solche Katastrophen auch in Deutschland zunehmen. Sind Sie für eine Pflichtversicherung?

Nein. Mehr als 99 Prozent der Häuser in Deutschland sind problemlos gegen diese Elementarschäden versicherbar. Und knapp 40 Prozent der Hauseigentümer haben inzwischen eine Elementarschadenversicherung. Dieser positive Trend muss über Aufklärung und Risikobewusstein gestärkt werden. Da braucht man keine Versicherungspflicht. Im Gegenteil: Wenn Sie eine Versicherungspflicht einführen würden, verlassen sich alle auf die Versicherung. Das wäre das Ende von Prävention, sowohl bei den Kommunen als auch beim einzelnen Hausbesitzer. Wir sehen das in England. Dort gibt es eine Art Pflichtversicherung, es wurde weiter in Risikogebieten gebaut, und die Schäden und Versicherungsprämien stiegen ins Unermessliche.

Wie schlimm war das Jahr bislang in Deutschland?

Allein die schweren Unwetter Ende Mai und Anfang Juni haben versicherte Schäden von rund 1,2 Milliarden Euro verursacht. Davon entfallen rund 1 Milliarde Euro auf versicherte Häuser, Hausrat, Gewerbe- sowie Industriebetriebe und rund 200 Millionen Euro auf Kfz. Dabei waren die Unwetter Elvira und Friederike sehr regionale Ereignisse, die vor allem den Westen und den Süden heimgesucht haben. Aber auch das spricht nicht für eine  Pflichtversicherung. Es ist hier nicht so wie bei der Autohaftpflichtversicherung, die Pflicht ist. Die dient ja nicht dem Autofahrer, sondern schützt das Unfallopfer.

Werden die Prämien für die Autoversicherung in diesem Jahr steigen?

Das hängt von den Unternehmen ab, wir als Verband können dazu nichts sagen. Es ist aber so, dass die Autoversicherung ein sehr wettbewerbsintensiver Markt ist, Preisspielräume sind begrenzt. Viele Verbraucher versuchen zu vergleichen. Meistens zahlt es sich letztlich aus, bei seinem bewährten servicestarken Versicherer zu bleiben.

Versichern Sie auch selbstfahrende Autos?

Ja, wir versichern auch das automatisierte Fahren. Am Schutz durch die Kfz-Haftpflichtversicherung ändert sich grundsätzlich nichts. Sie zahlt schon heute auch dann, wenn die Technik versagt.

Und was ist, wenn was passiert?

Wir entschädigen  das Verkehrsopfer – ganz egal, ob ein Mensch oder ein Computer das Unfallauto gesteuert hat. Danach nehmen wir möglicherweise Regress beim Auto- oder Softwarehersteller.

Wird das Fahren durch das Roboterauto sicherer?

Das kann gut sein. Die Assistenzsysteme, die es jetzt schon gibt, haben die Zahl der Unfälle bereits verringert.  

Von wegen Pflicht. Sollte die Betriebsrente Pflicht werden?

Die Regierung arbeitet derzeit an einer Reform der Alterssicherung. Bei der betrieblichen Altersversorgung soll es nach jetzigem Stand ein doppeltes Opting-out geben.

Was heißt das?

Der Standard wäre dann: Arbeitgeber bieten eine betriebliche Altersvorsorge grundsätzlich an. Und zwar nicht nur bei neuen Arbeitsverträgen, sondern für alle Beschäftigten. Aber: Der Arbeitgeber kann dazu nicht gezwungen werden. Und der Arbeitnehmer müsste für sich dieses Angebot aktiv abwählen. Ich fände eine solche Regelung gut, ein sanfter Schubs.

Für Arbeitnehmer mit schlecht bezahlten Jobs lohnt sich die Betriebsrente doch gar nicht, weil sie später mit der Grundsicherung verrechnet wird.

Das muss sich unbedingt ändern, das demotiviert viele Menschen. Wir brauchen einen Freibetrag bei der Grundsicherung für die private und betriebliche Vorsorge.  Aber das allein reicht nicht. Damit mehr Geringverdiener mitmachen, ist zusätzlich ein staatlicher Zuschuss zur Betriebsrente nötig. Außerdem muss der Rahmen, in dem steuer- und sozialversicherungsfreie Einzahlungen möglich sind, ausgeweitet werden. Höhere Steuerfreigrenzen und Zulagen brauchen wir übrigens auch beim Riester-Sparen.

Die Neuabschlüsse gehen zurück. Ist Riester ein Auslaufmodell?

Nein. Es gibt über 16 Millionen Riester-Verträge, davon sind über 11 Millionen Versicherungen. Im letzten Jahr sind allein bei uns noch mal 370 000 Verträge neu abgeschlossen worden.  Riester ist bei den Kunden beliebter als bei einigen Politikern. Gerade für Geringverdiener oder Familien mit Kindern lohnt sich Riester wegen des hohen Anteils der staatlichen Zulagen. Die Zulagen werden angesichts der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank immer wichtiger.

Ihr größtes Werbeargument für Riester sind die Zulagen. Die kommen aber vom Staat und sind nicht Ihr Verdienst!

Wir können nichts dafür, dass die EZB die Zinsen unter Null drückt. Der Vorteil einer Riester-Rente ist aber doch, dass Sie diese Rente ein Leben lang bekommen. Das gibt es nur bei Versicherungen.

Moment Mal, die gesetzliche Rente wird  auch ein Leben lang gezahlt.

Ja, aber die alleine reicht doch nicht. Wir haben jetzt ein Rentenniveau von 48 Prozent, das wird bis auf 43 Prozent sinken.

Oder auch nicht. Teile der SPD und die Gewerkschaften wollen verhindern, dass das Rentenniveau sinkt und machen derzeit Druck auf Arbeitsministerin Nahles.

Wenn Sie das jetzige Niveau von 48 Prozent bis zum Jahr 2040 sichern wollten, müssten Staat und Beitragszahler dafür zusätzlich 600 Milliarden Euro an die Rentenversicherung überweisen. Zu den 80 Milliarden Euro, die jetzt schon jährlich aus Steuermitteln transferiert werden. Bei Riester machen die jährlichen Zulagen gerade mal drei Milliarden Euro aus.

Dafür gibt es aber auch nur Mickerrenten.

Wenn ein Rentner 10 oder 20 Prozent dank Riester hinzubekommt, macht das für den Einzelnen einen großen Unterschied. Richtig ist: Die Zulagen sind seit acht Jahren nicht mehr erhöht worden. Wir müssen Riester ausbauen. Auch hier gilt: keine Verrechnung mehr mit der Grundsicherung, ein höherer Dotierungsrahmen und die Einbeziehung von Selbstständigen in das System. Außerdem muss das Riester-Bashing aufhören.

CSU-Chef Horst Seehofer hatte im April den Stein ins Rollen gebracht mit seiner Forderung, Riester abzuschaffen. Haben Sie ihn darauf angesprochen?

Wir haben geschrieben. Der Dialog hat sich sehr versachlicht.

Will Herr Seehofer jetzt also die Riester-Rente nicht mehr abschaffen?

So würde ich das deuten. Herr Seehofer möchte die Riester-Rente nicht abschaffen. Ob er das tatsächlich jemals wollte, weiß ich nicht. Er wollte etwas bewegen. Was  dabei herauskommt, werden wir in den nächsten Monaten sehen. Ich bin sehr zuversichtlich. Auch wir Anbieter müssen etwas tun, was Kosten und Transparenz betrifft.

Der Garantiezins für neue Lebensversicherung sinkt, ab Januar gibt es statt 1,25 Prozent nur noch 0,9 Prozent. Werden Ihre Vertreter jetzt noch Klinken putzen, um die Menschen für eine Lebensversicherung zu den alten Konditionen zu gewinnen?

Wir müssen verantwortungsbewusst handeln. Es geht ja schon längst nicht mehr nur um die Höhe des Garantiezinses, sondern um die Garantien insgesamt. Je niedriger die Zinsen und je strenger die regulatorischen Vorgaben, desto teurer und ungünstiger werden die starren Garantien der alten Art. Immer mehr Kunden schließen inzwischen Lebensversicherungen mit anderen Garantieformen ab. Sie verzichten auf einen Teil der früheren Garantie mit der Chance auf höhere Renditen.

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