Vorstandschef im Interview: „Wir verdienen mit jedem Opel Geld“
Opel erholt sich nach der Übernahme durch den französischen PSA-Konzern. Vorstandschef Michael Lohscheller im Tagesspiegel-Interview über sinkende Produktionskosten und sichere Jobs.
Opel hat zum ersten Mal seit fast 20 Jahren im ersten Halbjahr 2018 wieder einen Betriebsgewinn erwirtschaftet. Nach der Übernahme durch den französischen Autokonzern PSA vor einem Jahr haben PSA-Chef Carlos Tavares und Opel-Chef Michael Lohscheller offenbar die Wende eingeleitet, auch durch den Abbau von 3700 Stellen allein in Deutschland. Lohscheller (49) steht seit Juni 2017 an der Spitze von Opel. Der Diplom-Kaufmann, der früher für VW gearbeitet hat, gilt nicht nur als Auto-Fachmann, er hat auch die für den Job bei Opel notwendigen Ausdauerqualitäten. Der Manager ist passionierter Marathonläufer.
Herr Lohscheller, eine halbe Milliarde Euro Betriebsgewinn – das ist überraschend. Hatten Sie einen solch schnellen Umschwung bei Opel erwartet?
Es sind ja nicht nur um die 500 Millionen Euro wiederkehrender operativer Gewinn, den wir im laufenden Geschäft erzielt haben. Fast wichtiger: Wir haben eine Milliarde Euro an flüssigen Mitteln erwirtschaftet. Das zeigt, dass Opel eine wirkliche Ertragswende geschafft hat nach vielen Jahren mit Verlusten. Darauf sind wir schon stolz.
Wie kommt der Gewinn zustande? Carlos Tavares spricht davon, dass die Fixkosten um 28 Prozent gesenkt worden seien.
Wir haben Opel in den letzten zwölf Monaten stärker verändert als davor in einer halben Dekade. Wir haben sowohl unsere Fixkosten als auch die variablen Kosten gesenkt, etwa in der Produktion. Aber auch auf der Erlösseite sind wir stärker geworden, vor allem hat sich der Umsatz pro Fahrzeug verbessert. Wir konnten die Preise leicht erhöhen, die Kunden haben mehr Ausstattung gekauft und wir sind stärker als zuvor im Privatkunden- und geringer als zuvor in wenig profitablen Kanälen wie dem Mietwagengeschäft unterwegs.
Was hat sich in den Fabriken verändert?
Wir haben die Komplexität deutlich reduziert, Prozesse verschlankt und die Flächen reduziert, damit Wege kürzer werden. Es gibt deutliche Einsparungen im Einkauf durch die Einbindung in den PSA-Konzern. Das alles führt zu der von Carlos Tavares genannten Reduzierung der Fixkosten um 28 Prozent.
Wie stark sind die Produktionskosten pro Fahrzeug gesunken?
Bis 2020 werden wir die variablen Produktionskosten pro Fahrzeug um 700 Euro reduzieren. Da sind wir auf sehr gutem Weg.
Sie haben das Ergebnis den Beschäftigten erläutert. Wie war die Reaktion?
Große Freude und vor allem Erleichterung. Zumal der Gewinn mit 500 Millionen Euro überzeugend ausgefallen ist. Mein Dank gilt vor allem den Beschäftigten, die viel auf sich genommen und gleichzeitig sehr viel geleistet haben. Im Gegenzug sind alle Werke und die Arbeitsplätze bis 2023 gesichert. Und alle Werke bleiben erhalten. Das dürfte es in kaum einer anderen Branche und einem anderen Unternehmen geben, das vor solchen umfassenden Veränderungen steht.
Opel hat in Europa nach eigenen Angaben im ersten Halbjahr mehr als 550 000 Autos verkauft. Der europäische Automobilverband ACEA nennt aber nur rund 486 800 Neuzulassungen.
Das hat zu tun mit unterschiedlichen Abgrenzungen. ACEA beobachtet eine geringere Anzahl von Märkten. Wir haben im ersten Halbjahr weltweit sogar 572 000 Fahrzeuge verkauft.
Aber die Marktanteile sinken – in Deutschland und in Europa.
Das stimmt. Da müssen wir leichte Einbußen hinnehmen. Wir haben bewusst auf Ertrag und Finanzergebnis gesetzt. Natürlich wollen wir mit unseren neuen Fahrzeugen den Marktanteil stabilisieren und dann wieder wachsen.
Macht Opel pro Fahrzeug wieder Gewinn? Also keine Rabatte mehr?
Natürlich verkaufen wir unsere Autos mit Gewinn. Wir verdienen mit allen Fahrzeugen Geld. Das liegt auch daran, dass die Kunden bereit sind, wieder mehr für ein Opel-Modell auszugeben. Auch geringere Rabatte spielen eine Rolle. Im Vergleich zum Wettbewerb konnten wir unsere Preisposition um zwei Prozentpunkte verbessern. Das ist eine Menge. Und es ist ein Indikator dafür, dass die Marke Opel wieder an Kraft gewinnt.
Fürchten Sie auf Dauer nachteilige Konkurrenz zwischen Opel- und Peugeot-Modellen, die faktisch baugleich sind, sich nur äußerlich und im Preis unterscheiden?
Nein. Zum einen wissen wir, dass die Käuferwanderung zwischen französischen und deutschen Marken sehr gering ist. Und wir differenzieren uns sehr, sehr gut, das zeigen Fahrzeuge, die wir bereits gemeinsam entwickelt haben. Ein Peugeot 3008 und ein Opel Grandland X haben ein komplett anderes Design, einen komplett anderen Innenraum, eine andere Lichttechnik, eine andere Abstimmung. Wir nutzen die Plattformen und bauen völlig unterschiedliche Autos. Das wird von den Kunden geschätzt. Der Grandland ist ein typischer Opel.
Opel-Modelle sind wieder gefragter?
Auf jeden Fall. Die SUV-Fahrzeuge Grandland X und Crossland X kommen an. Insbesondere bei neuen Modellen sieht es sehr gut aus. Beim Insignia etwa sind es aktuell 152 000 Bestellungen, beim Crossland X rund 130 000, beim Grandland X rund 90 000. Beim neuen Opel Combo sind es schon 13 000, obwohl das Auftragsbuch erst seit Juni offen ist.
Die Werke in Rüsselsheim, Eisenach und Kaiserslautern sind also ausgelastet?
Unsere Werke sind wettbewerbsfähig. Wir werden sie in zwei Schichten auslasten und entsprechend investieren. In Eisenach werden wir in die Produktion des Grandland X investieren. Was wir in Rüsselsheim und Kaiserslautern im Detail machen, geben wir noch bekannt.
Dabei geht es auch um Elektromobilität. Wann kommen die ersten neuen Opel E-Modelle?
Wir stecken in einer großen Elektrooffensive. Bis 2020 wird es vier Angebote geben, darunter den Kleinwagen Corsa mit rein elektrischem Antrieb, bezahlbar für die breite Masse. Der Grandland X kommt auch als Hybrid und auch unsere leichten Nutzfahrzeuge elektrifizieren wir. Bis 2024 werden wir unser gesamtes Angebot elektrifiziert haben. Das ist ein Riesenschritt.
Wie kommt das Auslandsgeschäft voran?
Wir werden noch in diesem Jahr die Montage des Grandland in Namibia aufnehmen. In Südafrika kommen wir voran, wie haben Importeure in Tunesien, in Marokko, im Libanon, wir gehen nach Kolumbien, Kuwait und starten in der Ukraine neu. Natürlich schauen wir uns auch große Märkte an wie Russland, wo wir ja schon waren. Und wir blicken nach China und in die USA. Wir haben keine Fesseln mehr im Blick auf das Ausland. Wichtig ist aber immer, dass wir in den Auslandsmärkten Geld verdienen.
Opel streicht 3700 Stellen auf freiwilliger Basis. Wie weit sind Sie mit dem Abbau?
Alle Verträge sind unterschrieben.
Das heißt es gibt im zweiten Halbjahr aus dieser Ecke keine Belastungen mehr?
Wir haben die Aufwendungen für den Personalabbau im ersten Halbjahr gebucht.
Schreibt Opel 2018 schwarze Zahlen?
Wir geben keine konkrete Prognose für das zweite Halbjahr. Aber wir haben einen guten Start hingelegt. Und wir bleiben konzentriert.
Was wird aus dem Technischen Entwicklungszentrum in Rüsselsheim mit seinen 7000 Beschäftigten? Die Empörung beim Betriebsrat Anfang Juli, als die Überlegungen zur Teilaufgabe bekannt wurden, war groß.
Das Entwicklungszentrum ist und bleibt das starke Herz von Opel. Alle künftigen Modelle für den europäischen Markt werden hier entwickelt und designt. Ebenso leichte Nutzfahrzeuge für den gesamten Konzern. Wir haben viele Kompetenzen für die gesamte Gruppe PSA hinzubekommen, auch für die Entwicklung neuer Motoren. Aber es fallen auch Aufträge von externen Firmen mittelfristig weg. Es gibt also Überkapazitäten. Wir müssen daher Optionen prüfen, dazu gehören strategische Partnerschaften. Wir werden gemeinsam mit dem Betriebsrat und der IG Metall eine vernünftige Lösung finden – im Sinne unserer Mitarbeiter. Auch für die anderen Themen haben wir gute Lösungen vereinbart. Wir sind in einer Industrie, die sich deutlich ändert. Dass es Diskussionen gibt, ist doch klar.
Auch Opel steht jetzt im Verdacht, Abgaswerte manipuliert zu haben.
Wir kommentieren keine laufenden Verfahren. Wichtig ist: Für drei Autos der Modelljahre 2013 bis 2016 haben wir bereits eine freiwillige Serviceaktion in Umsetzung, die von Kunden gut angenommen wird.
Das Interview führte Rolf Obertreis
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